Schulmädchen-Report 4. Teil - Was Eltern oft verzweifeln lässt, Deutschland 1973, aka: Campus Swingers, Regie: Ernst Hofbauer
Die zwei jungen Menschen liegen nackt nebeneinander. Diese intime Szene ist aus dem vierten Teil des "Schulmädchen-Report", 1973 Bildrechte: imago/United Archives

Sexualaufklärung in Ost und West Schulmädchen-Report: Aufklärung oder Pornografie?

23. Oktober 2020, 09:57 Uhr

1970 lief erstmals der schlüpfrige Film "Schulmädchen-Report" in den westdeutschen Kinos. Was eigentlich ein Aufklärungsfilm sein soll, entpuppt sich als sanfter Sexfilm. Das lüsterne Werk lockt über sieben Millionen westdeutsche Zuschauer unter dem Deckmantel einer Dokumentation in die Kinos. Es war der Beginn der "Schulmädchen-Report"-Welle, die sich bis 1980 hält. Schon der erste Film spaltet die Zuschauer zwischen Empörung und Erregung.

Am 23. Oktober 1970 startete der von Wolf Hartwig produzierte Kinofilm "Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten". Der lüsterne Film, der auf dem gleichnamigen Aufklärungsbuch von Günther Hunold beruht, zeigt neben Spielszenen mit nackten jungen Frauen auch Straßenumfragen mit einem Reporter, der von Friedrich von Thun gespielt wird. Er stellt den jungen Frauen intime Fragen zu ihrem Sexleben oder ihrer Einstellung zu Selbstbefriedigung. Die Westdeutschen schwärmen in Scharen in die Kinos, um den angeblichen Aufklärungsfilm zu sehen. Doch warum war er in Westdeutschland so ein Hit?

Sexfilm unterm Deckmantel einer Dokumentation

Der erste Teil der Erfolgsreihe spielt in München und erzählt die Geschichte einer Schülerin, der eine Peinlichkeit wiederfährt. Die junge Frau namens Renate wird bei einem Schulausflug beim Sex mit dem Busfahrer erwischt. Angeblich hat sie den Mann sogar verführt. Der Aufschrei bei Lehrkräften und Eltern ist entsprechen groß. Schnell stellt man sich die Frage: Wie soll man nun mit Renate und der Situation umgehen? Schülerin Renate weist jede Schuld von sich und antwortet gleichgültig auf die Empörung der Lehrkräfte:

Es muss ja nicht gleich die große Liebe sein, wenn Zwei miteinander schlafen wollen.

Schülerin Renate Zitat aus dem Film "Schulmädchen-Report", 1970

Die junge Schülerin Renate steht in der Mitte. Links steht eine Frau, rechts ein Mann. Beide reden auf sie ein.
Die Schülerin Renate, die für den Skandal verantwortlich ist, bekommt von ihren Lehrern eine Standpauke. Bildrechte: imago/United Archives

Sexualpsychologe Dr. Bernauer, der von Günther Kieslich gespielt wird, sieht Renate als Symbol für eine ungehemmte Jugend, die sich sexuell ausleben will. Bei einer Versammlung entführt er Elternbeirat und Lehrerschaft in die Sexwelt der Pubertierenden. Die Ausführungen des Psychologen sollen die 18-jährige vor einem Schulverweis schützen.

Nach diesem Erklärversuch springt die Handlung zu dem einzigen dokumentarischen Anteil, der im Film vorkommt. Ein Reporter spricht junge Frauen auf der Straße an und stellt ihnen intime Fragen zu ihrem Sexleben. Sie antworten bereitwillig und wenig überrascht. Nur einige wenige winken ab.

Sanfter Sexfilm: "Schulmädchen-Report" wird Exportschlager

Der Film ist auch über die westdeutschen Grenzen hinaus ein Erfolg. In den Jahren darauf erscheint der erste Teil des Reports auch in Schweden, Dänemark, Japan, Belgien, Italien, Frankreich oder Australien. Insgesamt wird er in 38 Sprachen übersetzt. Von 1970 bis 1980 produziert Wolf Hartwig in Rekordgeschwindigkeit zwölf weitere Teile. Die Zuschauerzahlen nehmen nach dem Erfolg des ersten Teils zwar ab, aber selbst der letzte Teil verbucht noch über eine Millionen Zuschauer. Produzent Wolf Hartwig bekommt für die "dokumentarischen Aufklärungsfilme", die weltweit über 100 Millionen Zuschauer sehen, drei Goldene Leinwände verliehen.

Produzent Wolf Hartwig mit den Auszeichnungen "Goldene Leinwand" in der Hand
Wolf Hartwig produzierte alle Teile des "Schulmädchen-Report" und wurde mit drei Goldenen Leinwänden ausgezeichnet. Die Verfilmung bezeichnet er als die Geschäftsidee seines Lebens. Bildrechte: imago/ADBP-MEDIA

Auch andere Produzenten erkennen, dass die zur Aufklärung getarnten Sexfilme pures Gold sind. Die Bundesbürger drängen sich auch zu anderen Erotikkomödien, wie "Dr. Fummel und seine Gespielinnen", "Graf Porno bläst zum Zapfenstreich" oder einer der zahlreichen Lederhosenfilme vor die Leinwand. Ein Grund dafür könnte die Neugier der Westdeutschen auf sexuelle Details gewesen sein.

Aufklärung in Ost und West

Der Osten war dem Westen in Sachen Aufklärung um einiges voraus. Bereits 1959 schrieb die DDR Sexualkunde unter dem Leitspruch "Sexuelle Aufgeklärtheit ist ein Bestandteil der sozialistischen Persönlichkeit" auf den Lehrplan. Im Westen hingegen passierte das erst 1968. Neben dem Unterricht informierten sich die Jugendlichen mit Aufklärungsbüchern. Auch das ungezwungene Verhältnis zur Nacktheit im "Land der freien Körperkultur" spielte eine Rolle. Besonders in den siebziger Jahren waren die jungen Leute in Ostdeutschland sexuell sehr offen.

Außerdem war die Antibabypille in der DDR kostenfrei und Abtreibung bis zur 12. Woche legalisiert. Wenn die Frau ein Kind bekam, fing der Staat sie stärker auf als in der Bundesrepublik. Staatliche Betreuungsangebote ermöglichten ihr, dass sie ihren Beruf weiter ausüben und finanziell unabhängig bleiben konnte. Auch wenn das Thema Sex in öffentlichen Debatten in Ostdeutschland kaum Platz fand, war das Verhältnis von Sexualität, Selbstbestimmung und Gleichstellung bei Mann und Frau ausgeglichener. Insgesamt war die Aufklärung in Westdeutschland nicht so weit wie im Osten, was eine mögliche Erklärung für den Erfolg der Filme sein könnte.


In den siebziger Jahren verstärkte sich die Aufklärungsarbeit in Westdeutschland. Auch die Jugendzeitschrift "Bravo" sprang auf den Zug auf und beantwortete in der Ratgeber-Reihe "Dr. Sommer" alle Fragen um das Thema Sex. Für die Jugendlichen war die Möglichkeit, anonym Fragen zu stellen, besonders reizvoll. So gingen zeitweise über 3.000 Briefe beim fiktiven "Dr. Sommer" ein. Auch unter ostdeutschen Jugendlichen war die Zeitschrift eine beliebte Schmuggelware.

"Schulmädchen-Report" in der Kritik

Schon damals hagelte es Kritik von Rezensenten in Filmzeitschriften. Heutzutage wird die Reihe schärfer veurteilt. Fast alle Teile des "Schulmädchen-Report" stehen auf dem Index oder sind erst ab 18 Jahren empfohlen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Bonn ordnet einige Teile "auch nach heutigen Maßstäben als unsittlich" ein, da sie Inzest propagieren und Vergewaltigungen verharmlosen. Noch ernster wird es beim ersten und dritten Teil. Den Filmen wird vorgeworfen, dass sie Missbrauchsdarstellungen zeigen. Das BPjM stuft sie sogar als jugend- und kinderpornografisch ein.

Schulmädchen-Report 5. Teil - Was Eltern wirklich wissen sollten, Deutschland 1973, Regie: Walter Boos, Ernst Hofbauer
Die Kritik an den Filmen ist auch, dass sie ein realitätsfernes und verzerrtes Bild von jungen Frauen zeichnen. Bildrechte: imago/United Archives

Aus heutiger Sicht wirken die Erfolgsfilme der "Schulmädchen-Report"-Reihe eher öbszön als aufklärend. Doch da Sex in Westdeutschland als Tabuthema galt, waren die Menschen neugierig auf die seltenen schlüpfrigen Szenen. Als 1975 die Pornografie teilweise legalisiert wurde, flaute der Hype um die Filme von Wolf Hartwig schnell ab. Nachdem 1980 der dreizehnte Teil in die Kinos kam, stellte er die Reihe ein.

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