Das Altpapier am 23. Oktober 2018 80 Millionen Kanzlerinnen
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Die Öffentlich-Rechtlichen haben kein "Grundrecht auf Quotenorientierung", stellt ein Rechtsprofessor in einem Gutachten fest. Außerdem: Handelt es sich bei der ARD-Doku zum "größten Steuerraub der Geschichte Europas" um "Selfie-Journalismus"? Wie sollte die Literaturkritik auf rechte Provokationen reagieren und was sollte sie generell heute leisten? Ein Altpapier von René Martens.
Immer mal wieder stellt sich bei der Altpapier-Produktion die Frage, wie man mit kleinen Themen oder Nicht-Themen umgeht, die im von uns beobachteten Diskurs-Raum eine große Rolle spielen. Tragen wir zu falschem Framing auch dann bei, wenn wir deutlich machen, dass wir es mit einer Pseudo-Debatte zu tun haben?
In einem philosophischen Essay für das an dieser Stelle gelegentlich (zuletzt hier) gewürdigte Online-Magazin Geschichte der Gegenwart, das gerade um finanzielle Unterstützung via Steady wirbt, legt Zoran Terzić auf instruktive Weise dar, dass Pseudo-Debatten längst das Geschehen bestimmen. Er konstatiert eine grundlegende
"tiefer gehende Tendenz: die Selbstsabotage des politischen Denkens, die Herrschaft der gemeinten Meinung, die keinen Gegenstand hat oder am laufenden Band Pseudo-Gegenstände produziert: Pseudo-Debatten, Pseudo-Religionen, Pseudo-Staaten, Pseudo-Fakten, Pseudo-Gefühle. Es gibt viele Namen für diese Tendenz. Der Philosoph Harry G. Frankfurt hat 2004 in einem berühmten Aufsatz das Verschwinden der diskursiven Ordnung als Bullshit bezeichnet. Ein Lügner benötigt die strikte Unterscheidung von wahr und falsch. Ein Bullshit-Akteur hingegen zerstört alle Verbindlichkeit, glaubt aber am Ende selbst an die intimen Parameter seiner Argumente. Für sich genommen, bedeuten all seine Idiosynkrasien nichts – jeder kann sich zuhause problemlos eine private Quatsch-Ideologie zusammenschustern. Das Problem ist, dass dieser Quatsch inzwischen zum modus operandi des öffentlichen Lebens geworden ist (…)"
Dank der sozialen Medien, würde man möglicherweise an dieser Stelle anschließen wollen. Anderseits: Facebook ist in dem Jahr, als Harry G. Frankfurts "philosophischer Bestseller" (Perlentaucher) erschien, gerade erst gegründet worden, und Twitter existierte zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Wenn man die Bullshitisierung des Denkens den sozialen Medien anlastet, macht man es sich also vielleicht zu einfach.
Das Nicht-Thema Rolex
Terzić zitiert dann noch Marx, Platon und Postone, aber da müssen wir uns dann doch ausklinken, um - so ambivalent (siehe oben) es auch ist - kurz auf einen Pseudo-Gegenstand einzugehen, dem aktuell gerade viel Aufmerkamkeit zuteil wird. Es geht um ein vier Jahre altes Foto, auf dem die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) mit einer Rolex zu sehen ist - dieses nun verbreitete Bild war der Auslöser einer Hass-Kampagne (um es im Jargon der Troglodyten von stern.de zu sagen: "Im Netz wird diskutiert"), die dazu führte, dass Chebli ihren Facebook-Account deaktiviert hat (dpa/faz.net).
Unter anderem mit Bezug auf stern.de - siehe auch Jan-Philipp Hein: "Wie kann man aus diesem Social-Media-Schrott journalistischen Inhalt generieren wollen?" - schreibt Thomas Laschyk (Volksverpetzer):
"Dass jetzt Rechtsextreme und Sympathisanten rechtsextremer und vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen ein vier Jahre altes Foto auskramten, auf der Chebli zu sehen ist, die eine Rolex trägt, hätte einfach verpuffen können. Es ist eine offensichtliche Kampagne gegen Chebli persönlich. Sie ist inhaltlsleer, veraltet, sinnlos."
Auf das Dilemma solcher Art von Kritik geht Laschyk auch ein:
"Natürlich ist das Thema (inzwischen) medial relevant, ich schreibe ja auch darüber. Aber wenn Journalisten ihre Aufgabe falsch verstehen und versuchen, 'neutral' über einen inhaltlosen Shitstorm von Rechtsextremen zu berichten, dann geht die ganze Debatte nun mal nach hinten los. Weil sie die Angriffe auf Chebli als legitime 'Kritik' darstellen, was sie nicht ist."
Die Tyrannei des Volks
Nun aber zurück zur Philosophie - und rein ins aktuelle Sonderheft des Philosophie Magazins, das den Titel "Das Böse: Können wir es verstehen? Warum fasziniert es uns? Wie lässt es sich überwinden?" trägt. Catherine Newmark hat dafür Bettina Stangneth interviewt, die im Altpapier zuletzt im Juni 2016 erwähnt wurde. Auch damals war der Anlass ein von Newmark geführtes Gespräch für ein Philosophie-Magazin-Sonderheft. In jenem mehr als zwei Jahre alten Interview sagte Stangneth zum Beispiel:
"Wir neigen ja auch nicht zufällig dazu, die Anhänger von AfD und Pegida für schlicht unterbelichtet zu halten, sodass etwas höhere Bildungsausgaben reichen würden, damit das Phänomen auch wieder verschwindet. Das ist nicht nur intellektuelle Arroganz, sondern vor allem gefährliche Blindheit (…) Es gibt nicht nur Unaufgeklärte. Es gibt auch erklärte Gegner der Aufklärung, die sich offen für das Ressentiment und eine exklusive Gruppenmoral entscheiden, weil sie schon das Nachdenken über Menschenrechte für einen Irrweg halten."
Das ist immer noch aktuell, insbesondere der erste Satz aus diesem Zitat. Das zeigt zum Beispiel ein (hier von Jutta Ditfurth kurz eingeordneter) Gag aus der "Heute-Show".
Das aktuelle Gespräch mit Stangneth knüpft nun bei dem 2016 erschienenen an. Die Ausgangsfrage im Vorspann lautet:
"Was, wenn Denken gar nicht gegen das Böse hilft (…), sondern auch der selbstständige Gebrauch des Verstands und der Vernunft böse sein kann?"
Stangneth nimmt unter anderem Bezug auf ein Werk des Kant-Zeitgenossen Marcus Herz, der "alarmiert" Folgendes "beobachtet" habe:
"Menschen können (…) durch Selberdenken die Bindung an die Realität verlieren (…) Man kann sich auch in das eigene Denken verlieben und meinen, man brauche weder Bücher, noch Lehrer, noch Leitung, noch den Blick auf die Welt. Verschwörungstheorien funktionieren genauso - sie sind sehr rational, geradezu hyperrational, und gehen trotz des größten Scharfsinns in die Irre. Hier wird nicht zu wenig gedacht, sondern zu viel gedacht."
Um kurz auf den GdG-Beitrag von Terzić zurückzukommen: Jene, die heute überall ihre "Idiosynkrasien" bzw. "privaten Quatsch-Ideologien" ausleben, denken vielleicht auch eher zu viel als wenig. Ein weitere Beobachtung Stangneths im Pseudo-Debatten-Lebensraum:
"In der Monarchie war’s doch einfach: Wo einer alles machen kann, was er will, wissen wir auch genau, wie es endet. Auch der willkürlichste Despot muss einmal sterben. Heute geht die Macht vom Volk aus. Wundert es uns wirklich, wenn auch die Willkür vom Volk ausgeht? Diese Abstraflust, die wir heute beobachten, das ist der gleiche Rausch der Launen, dem sich ehemals Tyrannen hingaben. Man tut es, weil man es kann. Mit Worten, mit Pathos, mit Symbolen und Kitsch wie gebastelten Galgen. Wir haben, wenn man so möchte, nicht nur Millionen von Bundestrainern, sondern auch Millionen von Kanzlerinnen, die alle besser wissen, wie man Meisterschaften Gewinn oder eine Land regiert."
Das klingt, als wäre Stangneth viel auf Twitter unterwegs. Einen Account hat sie dort allerdings nicht - jedenfalls nicht unter ihrem Namen. Die Überschrift des heutigen Tages knüpft übrigens auch an ein Altpapier von 2016 an.
Herausforderungen fürs Feuilleton
Wie die Literaturkritik auf rechte Provokationen reagieren und was sie generell heute leisten sollte - diesen Fragen widmet sich Daniel Graf in einem zweiteiligen Text für die Republik, und zwar ausgehend von einer in der Ausgabe vom 30. August erschienenen ganzseitigen Zeit-Rezension des neuen Buchs von Thilo Sarrazin. Graf analysiert im ersten Teil:
"Die Zeit-Rezension (…) hat die Islamwissenschaftlerin Johanna Pink geschrieben. Der Text selbst ist herausragend. Kenntnisreich, luzide in der Argumentation, stilistisch beeindruckend. Und doch (…): Wenn sich in einer ganzseitigen Mängelliste nicht ein einziger Hinweis findet, warum das Werk einen wichtigen Beitrag zu seinem Thema leistet, was spricht dann dafür, es in der grössten deutschen Wochenzeitung in Umfang und Platzierung gegenüber fast allen anderen Neuerscheinungen zu privilegieren? (…) Legt der Inhalt der Kritik nicht nahe, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird – während gleichzeitig die neue Rechte den Geländegewinn verbucht?"
Das Problem:
"Egal, was der Text sagt, die Seitenaufmachung und der schiere Umfang im Verhältnis zu anderen Kritiken signalisieren: hier kommt eines der wichtigsten Bücher der Saison."
Grafs Fazit:
"Die Herausforderung feuilletonistischer Kritik besteht (…) auch darin, immer wieder neu zwischen aufmerksamkeitsökonomischen und marktunabhängigen, qualitätsorientierten Relevanzkriterien zu vermitteln. Und je nachdem, wie sie dies tut, lenkt sie selbst Aufmerksamkeit. Nirgendwo ist dies virulenter als im Bereich des politischen und gesellschaftlichen Debattenbuchs."
Im zweiten Teil, der am Montag erschienen ist, stellt Graf fest:
"Die Beschäftigung mit Literatur ist eine Vorzeigeschule im Umgang mit Mehrdeutigkeit und Kontingenz. Wenn ein Kernproblem unserer gegenwärtigen Diskussionskultur die ideologische 'Vereindeutigung der Welt'ist (die Thomas Bauer in seinem gleichnamigen Buch beschreibt), dann stellen die Ambivalenzerfahrung und das Rollenspiel der Literatur dazu ein Gegenmodell bereit (…) Literaturkritik – und man darf hier sicher sagen: Kunstkritik generell – ist prädestiniert, solches Wissen in Erinnerung zu rufen (…) Der Sinn fürs Vielschichtige schärft (…) auch den Blick auf das wenig Subtile und Unzweifelhafte. Die Orbans, Trumps, Le Pens und ihre deutschsprachigen Geschwister im Geiste machen keinen Hehl daraus, was für eine Welt sie wollen. Wer andere, pluralistischere Vorstellungen hat, wird dagegenhalten müssen."
Gutachten gegen Quotenorientierung
In dieser Woche herrscht medienpolitische Großkampfstimmung, denn von Mittwoch bis Freitag findet in Hamburg die Ministerpräsidentenkonferenz statt, außerdem tagt parallel die Rundfunkkommission der Länder. Ich habe für die taz vorausgeblickt - unter Rückgriff auf die von Verdi veranstaltete medienpolitische Tagung "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter Beschuss: Gemeinsam und offensiv verteidigen!", die am vergangenen Mittwoch in Hamburg stattfand. Die ZDF-Verwaltungsrätin Barbara Thomaß sagte dort unter anderem:
"Wenn wir jetzt fragen, wie wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk offensiv verteidigen können, fragen wir ganz schön spät danach. Ich hoffe, nicht zu spät."
In der FAZ (€) stimmt Michael Hanfeld die Hamburger Runden mit einem Gutachten ein, das der an der Universität Leipzig lehrende Staats-, Verwaltungs- und Medienrechtler Hubertus Gersdorf im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) vorgelegt hat. Dieses Gutachten, so Hanfeld, habe es "in sich", denn:
"In ihm stellt der Verfassungsrechtler Hubertus Gersdorf nicht nur fest, dass die Politik den Sendern, so sie die richtige 'Abstraktionshöhe' wahrt, Auflagen zu ihrem Programm machen darf, sondern dass sie dazu sogar verpflichtet ist – um zu garantieren, dass die Sender ihren Auftrag erfüllen. Der bestehe nicht darin, größtmögliche Einschaltquoten zu erzielen, sondern ein Programm zu gestalten, dessen Schwerpunkte auf Information, Bildung und Beratung liegen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so Gersdorf, hat kein 'Grundrecht auf Quotenorientierung‘. Der Gesetzgeber dürfe in diesem Sinne nicht nur dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ganzes, sondern auch für einzelne Programme, etwa den Hauptprogrammen von ARD und ZDF, Schwerpunkte vorgeben. Das reiche bis zu Sendezeitvorgaben, da zur 'Unzeit' (etwa mitten in der Nacht) gesendete Programme den Versorgungsauftrag der Sender nur in geringem Maß erfüllten (…) Der Gesetzgeber sei (auch) berechtigt, den Sendern aufzugeben, die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag 'überwiegend zur Finanzierung der Genres Information, Bildung und Beratung einzusetzen‘."
Ja-ha, würde an dieser Stelle NDR-Intendant Lutz Marmor sagen, auch Unterhaltung kann Bildung sein. Das hat er bei der eben erwähnten Verdi-Tagung zum Beispiel getan, mit Bezug auf "Wer weiß denn sowas" ("Ich war mal bei einer Studioaufzeichnung dabei").
"Selfie-Journalismus" bei "Panorama"?
Mit einer aktuellen öffentlich-rechtlichen Großanstrengung im Bereich Information und Bildung (die wiederum nur ein Teil einer noch größeren Anstrengung ist) überhaupt nicht einverstanden ist Peter Welchering. Bei Übermedien und in einem Gespräch mit @mediasres kritisiert er die am vergangenen Donnerstag in einer monothematischen "Panorama"-Sendung ausgestrahlte Doku zum "größten Steuerraub der Geschichte Europas" als "Selfie-Journalismus" - und dafür, das die Macher ihren Hauptinformanten nicht geschützt hätten. Welchering schreibt unter anderem:
"Diese Betrugsgeschichte ist zwei Jahre alt und auf vielen Kanälen ausführlich behandelt worden. Deshalb wurde Front-Mann Christian Salewski im 'Panorama'-Beitrag an den Tatort geschickt. Er rückt Bankern vor laufender Kamera auf die Pelle, sucht Finanzmanager in ihrem schlossartigen Anwesen beim Nachmittagsspaziergang auf. Oliver Schröm begleitet ihn teilweise. Sie fliegen zum Beispiel nach Großbritannien, um mit windigen Anlageberatern zu verhandeln."
Auf vielen Kanälen ausführlich behandelt? Stimmt, unter anderem von "Panorama", und zwar 2017 auf sehr ähnliche Weise wie jetzt. Welchering weiter:
"Mit dieser Dramaturgie konnten die investigativen Protagonisten auf den Insider vor laufender Kamera nicht verzichten. Und seine Aussagen vor laufender Kamera konnten auch nicht zu seinem Schutz mit Schauspielern nachgestellt werden. So funktioniert Selfie-Journalismus. Es wird ausschließlich erzählt, wie die Journalisten den Steuerbetrug ermittelt haben. Politische Magazinbeiträge wollen Ursachen aufzeigen und Verantwortliche benennen. Selfie-journalistische Beiträge wollen die Bedeutung der eigenen Arbeit hervorheben. Dann folgt solch ein Selfie-Beitrag der Dramaturgie von Vorabendkrimis. Es ist Fernsehunterhaltung."
Den Schlenker, den Welchering hier am Ende macht, halte ich für abwegig, und hier "Vorabendkrimis" ins Spiel zu bringen, ist reichlich platt. Ich habe in den vergangenen Jahre Dutzende von quasi selfie-journalistischen TV-Beiträgen gesehen, in denen die Autoren sich bzw. ihrem Thema geschadet haben, indem sie sich selbst übertrieben bis gimmickhaft in Szene setzen. Bei der aktuellen Dokumentation von Salewski, Schröm und Co. handelt es sich aber um einen gewiss streitbaren, allemal legitimen Versuch, ein, gelinde gesagt, komplexes Thema auf eine zugängliche Weise zu präsentieren. Hier sind die Mittel zweckdienlich, anders als in anderen auf den ersten Blick vielleicht vergleichbaren Fällen.
Wer die Frauen und Männer, die hinter den Cum Ex Files stehen, loben oder kritisieren will, kann dies übrigens am heutigen Nachmittag in einem AMA ( "Ask me anything") bei Reddit tun.
Altpapierkorb (Whatsapp-Wahlkampf in Brasilien, Günther Rohrbach, Wired)
+++ Im Tagesspiegel befasst sich Sebastian Borger mit der Brexit-Berichterstattung der britischen Medien: "Das Land befindet sich noch immer in einem permanenten Meinungskrieg über die richtige Haltung zur EU und den bevorstehenden Brexit. Ganz wie im eigentlichen Referendumskampf bleiben besonders die Londoner Zeitungen gespalten und bedienen die jeweiligen Vorurteile ihrer Leserschaft; kaum irgendwo wird der Versuch unternommen, die Versäumnisse der konservativen Regierung unter Premierministerin Theresa May, aber auch die objektiven Schwierigkeiten wenigstens ansatzweise ausgewogen darzustellen."
+++ "Das einstige Fernsehland" Brasilien erlebe "seinen ersten Whatsapp-Präsidentschaftswahlkampf", schreibt Boris Herrmann in der SZ anlässlich der Stichwahl am kommenden Sonntag. "Whatsapp-Gruppen sind hier seit Jahren das wichtigste Medium, um mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben. Auch Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Lehrer, Ärzte und Pressesprecher aller Art kommunizieren sehr gern auf diese Weise. Fast die Hälfte der Brasilianer gibt an, sich vor allem über diesen Kanal zu 'informieren'". Die Faktencheck-Organisation Agência Lupa hat die fünfzig meistgeteilten Bilder mit politischem Inhalt in Whatsapp-Gruppen seit Beginn des Wahlkampfes analysiert. Nur vier davon wurden als 'komplett wahr' eingestuft."
+++ 90 Jahre alt wird heute der ARD-Pionier und langjährige Bavaria-Chef Günther Rohrbach. Anke Sterneborg schreibt im SZ-Feuilleton: "In den Gründerjahren der dritten Programme, schließlich ab Mitte der Sechzigerjahre als Leiter der Abteilung Fernsehspiel in der ARD (…) eröffnete er jungen Filmemachern wie Rainer Werner Fassbinder, Klaus Lemke, Wim Wenders, Edgar Reitz, Margarete von Trotta und Volker Schlöndorff kreative Freiräume (…) Mit dem damals umstrittenen Ankauf der amerikanischen Serie 'Holocaust' holte er auch den offensiven Umgang mit der verdrängten deutschen Geschichte ins Fernsehen." Auch der Tagesspiegel würdigt den Jubilar.
+++ 25 Jahre alt wurde in der vergangenen Woche die US-Zeitschrift Wired. Gegenüber Eye On Design sagen die Layouter*innen der Anfangsphase, die den Auftrag hatten, das Jubiläumsheft zu gestalten: "Back in the day, people would ask whether Wired signaled ‘the end of print.’ We always answered no—the future of print will be extraordinary ideas presented in ever-more extraordinary ways. That’s even more true today than ever before." Oha.
+++ Noch bis zum 20. November in der Arte-Mediathek: der Zwölfteiler "Äquator – Die Linie des Lebens", ein Dokumentations-Projekt, das in die Kategorie Event-Fernsehen im besten Sinne fällt. Ich habe über dieses 14-Länder-Porträt für die Medienkorrespondenz geschrieben.
+++ Tilmann P. Gangloff hat für epd medien das Buch "Wie ich mir meinen Platz in der Fernsehhölle verdient habe" gelesen, verfasst von Kai Tilgen, "seit 1994 Realisator bei allen möglichen TV-Formaten, die sich 'Reality' nennen" (Gangloff). Der Rezensent empfiehlt das Werk unter anderem "jungen Menschen, die 'irgendwas mit Medien' machen wollen: Erst platzen die Träume wie Seifenblasen, dann wird man zum Zyniker. Das gilt auch für Tilgen, und er macht keinen Hehl daraus. Wenn er sich über die 'Gaukler' auslässt, jene Laiendarsteller, die sich für 'Verdachtsfälle, Betrugsfälle, Durchfälle' zur Verfügung stellen, spricht allerlei Verachtung aus seinen Zeilen. Hochachtung empfindet er nur für Profis, zu denen er sich selbst zählt, die versuchen, aus dem Mist, mit dem sie tagtäglich konfrontiert werden, das Beste zu machen."
+++ Zum Schluss noch ein Veranstaltungstipp für Altpapier-Leser im Raum Bremen. Die taz wirft im Rahmen einer Podiumsdiskussion einen Blick voraus auf das von ihrem Geschäftsführer Kalle Ruch ausgerufene Ende des "Zeitalters der gedruckten Zeitung" (siehe Altpapier von Montag). Silke Burmester moderiert.
Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.