Kolumne: Das Altpapier am 10. Februar 2025 Wer soll das alles gucken?
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10. Februar 2025, 10:41 Uhr
Der TV-Debatten-Marathon ist eröffnet. Gestern Abend gab es das erste Duell zwischen Scholz und Merz. Viele weitere Sendungen in den unterschiedlichsten Konstellationen werden folgen. Bringt das die Debatte wirklich weiter? Eine Wahlsendung im ZDF hat bereits für heftige Kritik gesorgt. Heute kommentiert Ben Kutz die aktuelle Berichterstattung.
Inhalt des Artikels:
- TV-Duell Scholz vs. Merz: "Ein hart umkämpftes Unentschieden"
- Sind TV-Duelle noch zeitgemäß?
- So viele Duelle wie nie zuvor
- ZDF-Wahlarena: Klatscher mit Links-Drall
- Oh Mann, ey, ZDF!
- Ist ein dummer Fehler auch ein Skandal?
- Altpapierkorb (Kritik an ZDF-"heute"-Beitrag; halbgare ÖRR-Systemkritik; Musk kauft TikTok nicht; Nein, Prime Video wird nicht abgeschaltet; Neues im Fall Gelbhaar; Falscher "Spiegel"-Leserbrief; Angst um Medienfreiheit in Österreich)
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
TV-Duell Scholz vs. Merz: "Ein hart umkämpftes Unentschieden"
Die Endphase des Wahlkampfes ist eingeläutet. Gestern Abend lief das TV-Duell zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz. Die Diskussion, wie sinnvoll in der aktuellen Situation ein Duell ist, habe ich an dieser Stelle schon im Dezember zusammengefasst. (Neue Beiträge zu dieser Diskussion lesen Sie weiter unten im heutigen Altpapier.)
Auch nach dem Duell bleibt bei mir der Eindruck, dass der inhaltliche Erkenntnisgewinn aus dem Duell zwischen den in Umfragen Erst- und Drittplatzierten eher übersichtlich bleibt. Der Abend sei "weitgehend vorhersehbar" verlaufen, schreibt beispielsweise die "Berliner Morgenpost".
Performativ lässt sich aber doch einiges analysieren. Der "Spiegel" hat noch gestern Abend "drei Lehren aus dem TV-Duell Scholz vs. Merz" gezogen, die ich allesamt unterschreibe. Erstens, hält der "Spiegel" fest, sei Olaf Scholz überraschend angriffslustig aufgetreten:
"Wo war bitte Olaf Scholz? Und wer war dieser Mann, der da gegen Friedrich Merz antrat? Der Kanzler, dessen Kommunikation selbst Sozialdemokraten oft zu vage empfinden, agiert beim Duell so angriffslustig, wie man ihn selten erlebt."
Das sieht die "Berliner Morgenpost" anders. Die Kontrahenten seien "über weite Strecken erstaunlich zahm" gewesen: "Oft gaben sie sich gegenseitig recht, bedankten sich beieinander."
Als zweite Lehre hält der "Spiegel" fest, dass beide Kandidaten keine Menschenfänger seien. "Es zeigt sich auch, warum beide Kanzlerkandidaten so schwache persönliche Umfragewerte haben", schreibt Christian Teevs. Während Scholz immer wieder in eine "sehr kleinteilige, technokratische Sprache"verfalle, spreche Merz immer wieder scharf, fast schroff: "Wenn er über Mindestlohn, Flüchtlinge oder Bürgergeldempfänger spricht, wirkt das nicht besonders empathisch."
Die dritte "Spiegel"-Erkenntnis lautet: Es gibt keinen klaren Sieger. Das helfe Merz mehr als Scholz: "Der Kanzler liegt abgeschlagen hinten und versucht alles, um aufzuholen. Merz dagegen kann mit seiner Führung in den Umfragen entspannter agieren."
Zum gleichen Fazit kommt auch der Liveticker der "FAZ": "Ein hart umkämpftes Unentschieden". Und: "Merz kann mit dem Unentschieden sicher besser leben als der Kanzler: Schließlich führt er haushoch in den Umfragen. Er hat keine offensichtlichen Fehler gemacht, und sich auch nicht von den Attacken von Scholz dazu verführen lassen."
Das deckt sich auch mit dem Ergebnis einer Blitzumfrage der Forschungsgruppe Wahlen. Auf die Frage, wer sich im TV-Duell besser geschlagen habe, antworteten 37 Prozent Olaf Scholz und 34 Prozent Friedrich Merz. Der Rest der Befragten ist unentschieden.
Sind TV-Duelle noch zeitgemäß?
Schon das ganze Wochenende war das anstehende TV-Duell ein dominierendes Medienthema. Die "taz" hat in einem glossigen Text das Duell mit einem typischen "Tatort" verglichen, der am gestrigen Sonntagabend im Ersten ja weichen musste:
"Immer wieder wird es an diesem Abend um einen Mord gehen. Ort des Verbrechens ist ein Kinderspielplatz in Aschaffenburg, der Mörder ist ein ausreisepflichtiger und psychisch kranker Mann. Am Ende wird einer den Sender als Verlierer verlassen. Der andere geht ins Kanzleramt. Oder auch nicht. Wie so manches Mal in einem Sonntagabendkrimi bleibt das Ende auch dieses Duells offen. Die Folge 'Scholz gegen Merz', die die ARD anstelle des 'Tatorts' am Sonntag ausstrahlt, wird wahrscheinlich weniger kriminell als dröge."
Eine erschreckend zutreffende Vorhersage! Tatsächlich ging es fast eine halbe Stunde, das erste Drittel des Duells, um eine Verschärfung von Migrationsregeln, als Folge des Mordes in Aschaffenburg. (Gut, dass es dröge werden wird – dafür muss man nun wirklich kein Hellseher sein.)
Die "SZ" hat in einem lesenswerten Feuilleton-Text gefragt, wie zeitgemäß TV-Duelle überhaupt noch sind. Oder, etwas schärfer formuliert: "Sind die TV-Duelle nur fiktionaler Unsinn?"
Die These des Textes: TV-Duelle kommen aus einer Zeit, als die Nationalstaaten noch nicht so stark in internationale Staatenbünde eingespannt waren, für sich also noch mehr Macht hatten. Außerdem hätten sich Spitzenpolitiker damals noch deutlich rarer in den Medien gemacht.
"Heute hat sich das verschoben: Politikerinnen und Politiker haben deutlich weniger Macht, sie sind dafür aber andauernd im Fernsehen."
Und weiter:
"Kanzler üben ihr Amt nicht im Fernsehstudio aus und sollten über Eigenschaften verfügen, die sie nur schwer an sich selbst rühmen können. [...] Das Duell ist mittlerweile ein liebgewonnenes Ritual, ein bisschen wie der jährliche ESC-Musikwettbewerb oder das Dschungelcamp. Das hatte alles mal seine Momente, aber in den vergangenen Jahren ist von alldem nur noch wenig in Erinnerung geblieben. [...] Fernsehen hat seine eigenen Gesetze, und es sind nicht die des modernen politischen Betriebs."
So viele Duelle wie nie zuvor
Und trotzdem gibt es in diesem Jahr "so viele TV-Duelle wie nie zuvor", wie das "Neue Deutschland" feststellt. Das wird einigermaßen unübersichtlich in den nächsten Wochen. Insgesamt 10 verschiedene Sendungen, "vom Duell bis zum Quadrell im TV, vor Bürgern, vor Kindern", fasst die "SZ" nur "die wichtigsten TV-Runden zur Bundestagswahl im Überblick" zusammen. Wer soll das alles gucken?
Mit dem klassischen Duell ist es mit dem gestrigen Abend allerdings so gut wie vorbei. Kurz vor der Wahl treffen sich Scholz und Merz nochmal bei Welt TV. Und auch am Mittwoch stellen sich bei "Kannste (noch mal) Kanzler?" in Sat.1 nur Scholz und Merz den Fragen von Kindern.
Aber darüber hinaus gibt es nur noch größere Runden mit mehr Politikerinnen und Politikern, stellt die "FAZ" fest und fragt: "Gibt es bald nur noch 'Quadrelle'?" Schon letzte Woche ist RTL vom ursprünglichen Duell-Plan abgerückt und zeigt nun den Schlagabtausch zwischen Merz, Scholz, Habeck und Weidel (Altpapier).
Michael Hanfeld sieht "in den Wahlrunden, von denen es nicht zu wenige gibt", einen Spiegel der politischen Lage: "Die Zeiten, in denen die 'Volksparteien' CDU/CSU und SPD dominierten, sind vorbei."
Nur: Ob uns die größeren Wahlrunden inhaltlich wirklich weiterbringen als das gestrige TV-Duell – das werden erst die nächsten Tage zeigen.
ZDF-Wahlarena: Klatscher mit Links-Drall
Genau genommen ging der TV-Debatten-Zirkus nicht erst gestern Abend los, sondern schon am vergangenen Donnerstag. In der ZDF-Wahlsendung "Schlagabtausch" waren die Vorsitzenden oder Spitzenfunktionäre der Grünen, der FDP, der AfD, der CSU, der Linken und des BSW zu Gast.
Nach der Sendung musste das ZDF heftige Kritik einstecken, weil das Publikum fast nur für Politiker des linken Spektrums geklatscht und die anderen Parteienvertreter oft mit Stille abgestraft hat. Der als Frage formulierte Vorwurf zahlreicher Medien (hier der "FAZ"):
"War das Publikum beim 'Schlagabtausch' im ZDF gezielt gecastet, zugunsten einer linksgrünen Meinungsbildung? Dieser Eindruck entstand, weil die mehrheitlich jungen Zuschauer nur für den Linken-Chef Jan van Aken und den Grünen-Ko-Vorsitzenden Felix Banaszak applaudierten, nicht aber für die Vertreter von FDP, BSW, CSU und AfD. Die „Bild"-Zeitung schrieb von einem „TV-Skandal", FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte eine Erklärung des ZDF-Intendanten."
"Öffentlich-rechtlicher Sender als Wahlhelfer?", fragt "Telepolis", "Ist das ZDF parteiisch?", raunt web.de. Eine alte Journalisten-Regel besagt: „Jede Überschrift, die mit einem Fragezeichen endet, kann mit einem Nein beantwortet werden."
Denn natürlich hat sich das ZDF nicht hingesetzt und dachte sich: Wir brauchen jetzt mal links-grünes Klatschvieh. Das bedeutet nicht, dass das ZDF eine sonderlich gute Figur macht. Aber dem Sender deswegen gleich Kalkül zu unterstellen – wenn auch in der Regel fein säuberlich mit Fragezeichen versehen – halte ich nicht für den richtigen Weg, eine sachliche Debatte zu führen.
Schon direkt nach der Sendung hat das ZDF selbst auf diese Schieflage hingewiesen, schreibt unter anderem die "SZ":
"Als Moderatorin Nazan Gökdemir sich im heute journal up:date bei ZDF-Korrespondent Dominik Rzepka nach Überraschungsmomenten der Sendung erkundigt, spricht dieser Jan van Akens Ausbruch in Richtung Tino Chrupalla an. Auf dessen Ausruf 'Jetzt halten Sie doch mal ihren rechten Rand, ich rede gerade', reagierte das Publikum mit viel Applaus. Rzepka erklärt daraufhin, dass viele der Zuschauer aus den Reihen der HU und FU Berlin stammten, die eher als links gelten und für den 'Schlagabtausch' eingeladen worden sein sollen. 'Es war so gesehen nicht wirklich repräsentativ', so Rzepka weiter."
Die "Bild" macht daraus eine glatt falsche Überschrift. Zumindest bei Google (und auch ganz klein oberhalb der großen Headline) titelt das Boulevard-Blatt: "ZDF-Reporter nennt eigene Sendung 'nicht repräsentativ'".
So kann man natürlich herrlich Stimmung machen, indem man Zitate in den falschen Kontext packt. Denn ZDF-Korrespondent Rzepka hat nicht die ganze Sendung "nicht repräsentativ" genannt, sondern nur das Publikum.
Oh Mann, ey, ZDF!
Am Freitag hat das ZDF eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es betont, kein Publikum gecastet zu haben. Die Ursprungsform des Statements (ja, da kommt leider gleich noch was!) zitiert kress.de:
"Um interessierte Menschen für einen Besuch der Sendung zu gewinnen, wurden im Vorfeld unter anderen auch verschiedene Berliner Institutionen kontaktiert. Das ist ein übliches Verfahren und erfolgt auch mit Blick auf die Möglichkeit einer kurzen Anreise des Publikums. Kontaktiert wurden unter anderem das J.F.K.-Institut für Nordamerikastudien, Politik- und Kommunikationswissenschaften der Freien Universität, die Hertie School of Governance, die Humboldt-Universität, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, das Demographie Netzwerk e.V., der Tönissteiner Kreis und die Familienunternehmen e. V."
Dass sich nun eben besonders viele Menschen aus den eher linken Kreisen der Freien Universität und der Humboldt-Uni angemeldet hatten, ist blöd gelaufen, war aber Zufall, betont das ZDF. "Bei solchen Sendungen ohne direkte Publikumsbeteiligung ergibt sich daraus in der Regel eine ausgewogene Verteilung. Die politische Einstellung wird nicht abgefragt", sagte der Sender gegenüber der "Bild".
Und es hätten sich ja auch mehr Menschen der FDP-nahen Naumann-Stiftung oder des Unternehmerverbands Demographie Netzwerk anmelden können, dann hätte das Klatsch-Verhältnis gleich anders ausgesehen…
Tja, leider nicht. Denn am Samstag hat die "Bild" sehr genüsslich DAS vermeldet:
"Skandal um Wahlsendung immer schlimmer: ZDF der Lüge überführt!"
Nach dem Statement haben die Naumann-Stiftung und das Demographie-Netzwerk nämlich nochmal ganz genau ihre Postfächer durchgeschaut und festgestellt: Eine Einladung vom ZDF ist dort nie gelandet. MAAAAAANN! Daraufhin musste sich das ZDF erneut korrigieren.
Ich unterstelle dem ZDF (im Gegensatz zu anderen Pressevertretern) weder Kalkül noch Absicht. Klar ist: Das ist nicht gut gelaufen und man muss darüber sprechen, wenn das Publikum in einer öffentlich-rechtlichen Wahlsendung offensichtlich sehr homogen ist und das Auswirkungen auf die Sendung hat. Mit guter PR hätte man da aber noch einiges retten können. Sich dann aber in der Krisenkommunikation so grobe Schnitzer zu erlauben, ist schlicht fahrlässig. Was für ein dummer Fehler.
Ist ein dummer Fehler auch ein Skandal?
Doch sind diese Fehler auch ein "Skandal"? Darüber gehen die Meinungen auseinander. "Der Spiegel" beantwortet die Frage, was "von dem 'TV-Skandal'" bleibe, so:
"Nicht viel. Vielleicht die Frage, ob diese Art, sich Publikum für Politsendungen zu beschaffen, nicht zu fehleranfällig ist. Andererseits wäre eine eingehende Gesinnungsprüfung vor jedem Talk wahrscheinlich auch nicht praktikabel. Vielleicht muss man sich als Politiker einfach darauf einstellen, auch mal vor einem Publikum zu reden, in dem keiner klatscht."
Anders sieht es "Übermedien". Boris Rosenkranz schreibt, man solle "alles dransetzen", Einladungen breiter in der Gesellschaft zu streuen, um ein solches Übergewicht im Publikum fortan zu vermeiden:
"Für mehr Breite müsste man nicht zwingend die politischen Positionen der Teilnehmer:innen abfragen, das ist auch nur begrenzt möglich und würde obendrein voraussetzen, dass es alle ehrlich beantworten. Aber gerade in einer Stadt wie Berlin sollte es doch nicht unmöglich sein, Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft aufzutreiben, die unterschiedliche Berufe haben. Was eine breitere politische Positionierung jedenfalls wahrscheinlicher macht."
Und "DWDL" schlägt vor, einfach auf Publikum zu verzichten. "Der 'Schlagabtausch' wäre dann nicht einmal schlechter gewesen, spielten die Gäste vor Ort doch überhaupt keine Rolle", schreibt Timo Niemeier:
"Man müsste es längst besser wissen: Die Polit-Talks von Maybrit Illner und Markus Lanz kommen seit einigen Jahren ganz wunderbar ohne Publikum im Studio aus. Die Sendungen sind dadurch besser geworden, weil vermeintlich einfache, aber populistische Aussagen nicht mehr für Applaus sorgen."
Altpapierkorb (Kritik an ZDF-"heute"-Beitrag; halbgare ÖRR-Systemkritik; Musk kauft TikTok nicht; Nein, Prime Video wird nicht abgeschaltet; Neues im Fall Gelbhaar; Falscher "Spiegel"-Leserbrief; Angst um Medienfreiheit in Österreich)
+++ Und das war's noch nicht mit ZDF-Kritik am zurückliegenden Wochenende. Auch ein Bericht in den "heute"-Nachrichten über den CDU-Parteitag am 3. Februar sorgt verspätet für Unmut. Unter der Überschrift "Alles fit im Schnitt, ZDF?" wirft die "SZ" dem ZDF vor, unfair geschnitten zu haben. Im Beitrag wird Merz mit dem Satz zitiert, dass man mit der AfD nicht zusammenarbeiten und die Partei wieder kleinmachen werde. Daraufhin sieht man die Parteianhänger mit verschränkten Armen auf ihren Stühlen sitzen. "Schaut man sich jedoch die gesamte Rede des CDU-Chefs in der Mediathek von Phoenix an", schreibt die "SZ", "folgt auf Merz' Erklärung alles andere als Trotz: Die Delegierten erheben sich, und für eine geschlagene halbe Minute wird der Saal vom Beifall erfüllt." Der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminski (CDU) wirft dem ZDF gar "eine bewusste Falschdarstellung in der Berichterstattung zum CDU-Parteitag" vor, schreibt "epd medien".
+++ Das ZDF weist die Kritik "scharf zurück", schreibt "DWDL". Man leite den Merz-O-Ton mit den Worten "stehende Ovationen" und "demonstrative Unterstützung" ein "und macht die große Zustimmung für Friedrich Merz somit sehr deutlich".
+++ Die "FAZ" berichtet über einen Tweet von Grünen-Politiker Volker Beck, in dem er sich über den Publikums-Schnitzer des ZDF bei der Wahlarena aufregt. Michael Hanfeld nimmt das zum Anlass, ein ÖRR-Gesamtkritik-Paket zu schnüren. "An Fehlern mangelt es in der Berichterstattung von ARD und ZDF zuletzt nicht", schreibt er. Und: "Der Grünenpolitiker Volker Beck erkennt ein Muster." Hanfeld nimmt auch Bezug auf die Bildschnitt-Kritik im "heute"-Beitrag. Außerdem bekommt Louis Klamroth für eine missverständliche Äußerung auf die Finger. Und die rbb-Peinlichkeiten in der Causa Gelbhaar finden auch Erwähnung. Das sind alles Fehler, über die man unbedingt berichten muss. Aber vier Einzelkritiken direkt zu einer systemischen Kritik zusammenzufassen… das ist mir zu billig. Zumal sich Beck in seinem Tweet nur über die Wahlarena echauffiert, das restliche "Muster" hat sich die "FAZ" selbst zusammengepuzzelt.
+++ Elon Musk hat kein Angebot für TikTok eingereicht. So steht es unter anderem beim "Standard". Damit sind die Gerüchte vom Tisch, dass Musk ein weiteres Soziales Netzwerk übernimmt.
+++ "Clickbait statt Recherche: Kein Aus für Prime Video in Sicht", titelt "DWDL". Zahlreiche Medien, von der "Bild", über die "FAZ", n-tv.de und den Deutschlandfunk, hatten behauptet, dass dem Streamingdienst nach einem Gerichtsurteil die Abschaltung in Deutschland drohe. Doch: "Die Realität ist weniger spektakulär", schreibt Thomas Lückerath. Nokia hat den Dienst wegen eines Features verklagt, das es ermöglicht, Inhalte aus der Prime Video-App auf andere Endgeräte zu übertragen. Das Patent für dieses Feature liegt bei Nokia. Die Firma hat geklagt und Recht bekommen. Es könnte also passieren, dass der Dienst dieses Feature aus dem Programm nehmen muss. "Hinterfragt, wie ein einzelnes Patent zum Aus des gesamten Streamingdienstes führen soll, hat offenbar niemand. Stattdessen gab es schnelle Schlussfolgerungen und schmissige Schlagzeilen", schreibt "DWDL".
+++ Neue Erkenntnisse im Fall Gelbhaar (Altpapier). "In der Affäre um die gefälschten Belästigungsvorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar (Grüne) [...] rückt nun auch die Chefetage des Senders in den Fokus", schreibt der "Businessinsider". Dem Bericht nach habe die rbb-Chefjuristin frühzeitig Hinweise erhalten, dass die Vorwürfe gegen Gelbhaar nicht stimmen sollen. In einem Schreiben habe Gelbhaars Anwalt die Vorwürfe "ungewöhnlich vehement und detailliert begründet" abgestritten. Auch das Alibi, das Gelbhaar für eine der angeblichen Taten hat, soll in dem Schreiben schon erwähnt worden sein.
+++ Der "Spiegel" hat einen Leserbrief mit einer Falschaussage über Friedrich Merz veröffentlicht und anschließend gelöscht, meldet unter anderem die "FAZ". Im Brief wird behauptet, Merz sei einmal Honorarprofessor an der Universität St. Gallen gewesen, dort aber wegen mangelnder Qualität rausgeflogen. Das ist Unsinn. Auf ihrer heutigen Medienseite liefert die "SZ" die Hintergrundgeschichte: Der Leserbriefautor habe die Geschichte im Hinterkopf gehabt und anschließend zwei Künstliche Intelligenzen um Bestätigung gebeten. Die gab's. „Ich hab mir dann gesagt: Okay, jetzt habe ich zweimal 'ne Bestätigung, jetzt setzt du dich hin und schreibst ein Leserbriefchen", zitiert die "SZ" den Leserbrief-Autoren. Darüber hinaus habe er sich auf den Faktencheck beim "Spiegel" verlassen. Naja, mit mäßigem Erfolg.
+++ Wie die FPÖ in Österreich versucht, die Medien in ihrem Sinne umzubauen, hat die "taz" aufgeschrieben. Der ORF soll künftig aus dem Bundesbudget finanziert werden. "Damit hätte die Regierung größeren Einfluss auf die Finanzierung", schreibt die "taz". Außerdem soll es nach dem Willen der FPÖ deutlich weniger Geld für den ORF geben. Auch Print-Zeitungen müssen bangen. "Unliebsame" Zeitungen, wie der "Standard", könnten in Zukunft deutlich weniger direkte und indirekte Presseförderung erhalten.
Das Altpapier am Dienstag schreibt Klaus Raab.