Kolumne: Das Altpapier am 5. Februar 2025: Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels 4 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 5. Februar 2025 Klingt irre, aber ...

05. Februar 2025, 09:53 Uhr

Donald Trump und Elon Musk zerschlagen in den USA nicht nur schnell staatliche Strukturen. Sondern nutzen sie auch, um zu klagen, was das Zeug hält. Zum Beispiel gegen Werbekunden, die nicht mehr bei Musks Ex-Twitter X werben. Außerdem: RTL dreht im deutschen Fernseh-Wahlkampf auf. Heute kommentiert Christian Bartels die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels
Bildrechte: MEDIEN360G

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

RTL-"Quadrell" u.a. deutsche Wahlkampf-News

In Deutschland läuft der vergleichsweise kurze, dafür heftigere Wahlkampf zusehends heißer. Am Sonntag werden ARD und ZDF gemeinsam das erste TV-Duell "Scholz gegen Merz" ausstrahlen, bevor sie es bei "Caren Miosga" und "Markus Lanz" separat nachbesprechen lassen. Ob ein Duell und, falls ja, dann das dieser beiden Kandidaten, das richtige Format ist, ist nur eine der Streitfragen. Heute morgen kündigte RTL offiziell das längst angeteaserte "Quadrell" für den Sonntag drauf an, mit Warmup-Vorprogramm ("ab 19 Uhr Sahra Wagenknecht/ BSW, Christian Lindner/ FDP sowie Gregor Gysi/ Die Linke") und Nachbetrachtung ("Wer war am besten? Der Talk zum Quadrell").

In zahlreichen Konstellationen wird sich Talk-duelliert werden. Da können allerhand gerade erschienene Stücke über seltsam unkontroverse Begegnungen von Spitzenpolitikern mit prominenten "Creators" (wie der schwammige Sammelbegriff für Youtuber, Twitcher und sonstige Onlineformate-Macher, die eher keine Journalisten sind, lautet), etwa "So nett kommen wir nicht mehr zusammen" ("SZ"/ Abo), "Habeck und Scholz quälen sich durch spätpubertäre Witze, um junge Wähler zu erreichen" ("Berliner Zeitung") und "Große Reichweite, wenig Reibung" (netzpolitik.org) fast schon überholt erscheinen.

Mitnehmen lässt sich: Deutsche Wahlkämpfer haben inzwischen alle mitbekommen und beherzigen, dass ein wesentlicher Faktor des deutlichen, bloß von klassischen (deutschen wie US-amerikanischen) Medien kaum erwarteten Wahlerfolgs Trumps darin bestand, dass er anders als Kamala Harris bei Creators wie dem Podcaster Joe Rogan (Altpapier, vgl. auch den eben verlinkten netzpolitik.org-Beitrag) auftrat.

Zerschlagene USAID (USA I)

Was als Muster für künftige Entwicklungen hierzulande immer vor Augen steht, sind sämtliche Entwicklungen in den USA. Es gibt in Deutschland ja kaum aktuelle Entwicklungen, die nicht weitgehend US-amerikanischen Beispielen folgen.

Bei den Aktivitäten, die Präsident Trump, sein Berater-Kompagnon Musk und ihr superreicher Freundeskreis zur "Übernahme zentraler Regierungsorganisationen, Ressourcen und Institutionen" (Altpapier vom Montag) entfalten, kommt herkömmliche Berichterstattung schon jetzt nicht mehr hinterher. Oder allenfalls exemplarisch. Mit der Zerschlagung der  United States Agency for International Development (USAID), sozusagen dem Entwcklungsministerium, befassen sich unter anderem die "taz" mit Blick auf Afrika ("besonders bitter"), die "FAZ" indes auf ihrer Medienseite (Abo):

"Der neue US-Präsident Donald Trump zerschlägt die Entwicklungsbehörde USAID. Sie werde von 'einem Haufen radikaler Irrer' geführt, sagte Trump. Sein Chefberater Elon Musk nannte die Behörde eine 'kriminelle Organisation' und meinte: 'Es ist an der Zeit, dass sie stirbt.' ..."

Warum im Medienressort? Weil ein ziemlicher Batzen bisheriger US-amerikanischer Entwicklungshilfe an die Ukraine floss, im Jahr 2023 16 von insgesamt 72 Milliarden Dollar, schreibt Yelizaveta Landenberger. Das Geld fehle nun "zahlreichen ukrainischen NGOs, die etwa Kriegsopfern und Veteranen helfen", aber auch dadurch finanzierten ukrainischen Medien. "Das hilft Putin ungemein", lautet die Überschrift.

Tiktok-Fragen (USA II)

Das Umleiten von Subventionen ist ein Faktor der Trump-Politik. Frische Geschäfte, die sich ergeben, sind ein anderer. Zum Beispiel im weiterhin ebenfalls singulären Fall, dass eine erfolgreiche ausländische Plattform ihr US-amerikanisches Inlands-Geschäft binnen genau gesetzter Frist in eben dieses Inland verkaufen muss. Der Verkauf des US-amerikanischen Tiktok gehört zu den zahlreichen Punkten auf Trumps To-do-Listen (und dass es sich beim PAFACA, dem Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act, nicht um ein Trump-Gesetz handelt, sondern um eines seines unglücklichen Vorgängers Biden, sei nur kurz erwähnt).

Im Wirtschaftsressort (Abo) nimmt die "FAZ" mehrere immer mal wieder genannte Käufer-Kandidaten unter die Lupe, vor allem die KI-Firma Perplexity, deren Angebot, "das man auch auf Deutsch nutzen kann und das (wenn man davon absieht, dass Geld von Jeff Bezos, dem Gründer und Chef eines der allerübelsten Datenkraken drin steckt) vergleichsweise sympathischen Ansätze verfolgt. Z.B., immer 'eine ausführlich formulierte Antwort mit Links zu den durchwegs seriösen Quellen" zu geben'" (Altpapier). Allerdings wäre Perplexity, so nun die "FAZ"

"auf externe Geldgeber angewiesen, um die Übernahme zu stemmen. Der Wert von Tiktoks Geschäft in den Vereinigten Staaten wird von einigen Marktbeobachtern auf mehr als 150 Milliarden Dollar geschätzt. Perplexity begründet sein Interesse unter anderem mit Synergien im Suchgeschäft."

Zu den genannten Konkurrenten gehören außer dem Softwarefirmen-, nämlich Oracle-Gründer Larry Ellison auch der bereits wiederholt erwähnte Elon Musk selbst. Wobei beim recht manischen "Deals"-Machen Trumps, von dem deutsche Reporter ähnlich manisch berichten, natürlich auch ein solcher Handel mit der chinesischen Regierung rauskommen könnte. Deren Einfluss auf Tiktok und seinen aktuell globalen Eigentümer Bytedance darf ja auch nicht unterschätzt werden.

Musk vs. Nestlé, Trump vs. CBS (USA III)

Elon Musk hat neben seinen disruptiven Behörden-Zerschlagungen und seinen privaten Geschäften überdies Zeit, zu klagen bzw. klagen zu lassen. Und das besonders disruptiv, denn bei Musks Klage gegen einen schweizerischen Konzern vor einem Bundesgericht in Texas, von der die "SZ" im Wirtschaftsressort (Abo) berichtet, geht es nicht um nicht eingehaltene Zusagen oder so etwas. Sondern um Werbeeinnahmen, die weder flossen, noch vereinbart waren:

"Nicht erst seit ... X und Facebook ... nicht mehr entschieden gegen Hass und Hetze vorgehen, prüfen Unternehmen genau, ob sie in dem Umfeld Anzeigen schalten wollen. Viele schränken inzwischen ihre Werbung ein oder verzichten gleich ganz, weil sie befürchten, dass sie dem Image und damit dem eigenen Geschäft schaden. Der X-Chef sieht in der Zurückhaltung der Werbekunden keinen Fehler im eigenen System, sondern wittert einen systematischen Boykott gegen die Plattform. Die Unternehmen hielten in verschwörerischer Weise Werbegelder in Milliardenhöhe zurück, so der Vorwurf",

der sich gegen die (auch nicht überall viele Sympathien genießende) Firma Nestlé sowie Unternehmen wie Colgate-Palmolive und Lego richtet. Falls etwas böserer Humor noch hülfe, könnte man darin ein Geschäftsmodell für früher wichtige Papiermedien sehen. Die haben ja sehr viele ihrer einst enormen Werbeeinnahmen dauerhaft an sog. soziale Medien verloren.

Jedenfalls: So, wie sie einerseits den Rechtsstaat mehr oder weniger rabiat plattmachen, benutzen Präsident Trump und seine Kumpane ihn andererseits, um für sich selber weitere Vorteile rauszuholen. Trump selbst hatte sich von Mark Zuckerbergs Facebook-Instagram-Whatsapp-Konzern Meta ja nicht nur bespenden lassen, sondern außerdem Straf-Millionen eingeklagt. Und auch er findet, bei allen "Deals" und Dekreten, dennoch Zeit, selber weiter klagen zu lassen. Aktuell auf 10 Milliarden Dollar Schadenersatz gegen einen Fernsehsender, der zu Paramount gehört. Das berichtet die "taz":

"Nun ist CBS News ins Visier geraten. Trump hat den Sender verklagt, wegen eines Interviews im Wahlkampf mit seiner demokratischen Konkurrentin Kamala Harris. Obwohl Trump die Wahl gewann und schon ins Weiße Haus eingezogen ist, beschwert er sich, dass CBS Harris in der Flaggschiffsendung '60 Minutes' zu einem unfairen Vorteil verholfen hätte."

Genau genommen geht es darum, dass CBS ein Interview mit Trumps Gegenkandidatin, die ja rhetorisch nicht so brillant war, wie viele klassische Medien sie darstellten, "so zusammengeschnitten" habe, "dass ihre Antworten kohärenter" klangen als sie es waren.

Wie umgehen mit Trump & seinen Kumpanen?

Man muss längst nicht alles teilen, was die österreichische Politikwissenschaftlerin und Aktivistin Natascha Strobl sagt. Aber recht hat sie, wenn sie im langen netzpolitik.org-Interview sagt:

"Wie können Medien nicht darauf reagieren, was der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sagt. Das gleiche gilt für Musk, der jetzt so etwas wie ein Schattenpräsident ist. Gleichzeitig laugt diese Strategie aus. Man hechelt nur noch hinterher und bleibt zugleich immer an der Oberfläche. Und den Medien fehlt offenbar die Möglichkeit, das alles noch einzuordnen. Sind Trumps sieben dumme Tweets heute genauso wichtig wie die Ankündigung, dass er Grönland besetzen will? Eigentlich ist es die Aufgabe von politischer Berichterstattung, das einzuordnen und der Aufreibungsstrategie etwas entgegensetzen."

Was wäre der geeignete Weg dafür?

Am Rande, aber auch kein Fun-fact: Lässige Betrachtungsweisen wie die, dass Trumps frühe Anordnung, den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika umzubenennen, schon ein Wunsch bleiben würde, helfen auch nicht. Denn auch das stimmt nicht. Ob man es normal findet oder schlimm: Wenn überhaupt, googeln die meisten Menschen längst ihre Informationen. Und der hyperdominante Multi-Quasi-Monopolist Google/Alphabet (der just fürs Jahr 2024 erstmals "über 100 Milliarden US-Dollar Reingewinn" annocierte, genau genommen: 112,4 Milliarden Dollar, von denen mehr als die Hälfte aus nicht-amerikanischen Geschäften stammen) biedert sich Trump genau so willfährig an wie Zuckerbergs Meta-Konzern. Und ist selbstverständlich in der Lage, Informationen rasch so zu manipulieren, dass bald kaum jemand mehr weiß, wie sie ursprünglich und richtiger lauteten.

(Nur am Rande: nicht mehr zu googlen, sondern andere, idealerweise europäische Suchmaschinen zu nutzen, und, zumal als Journalist, auch das Verb "googeln" nicht mehr zu verwenden, wäre eine klar: eher hilflose, aber angemessene Reaktion).


Altpapierkorb (Gelbhaar/ KI-Synchronisierung/ Faktenchecks/ Verhaftung/ Insolvenz)

+++ Der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar gab der "Berliner Zeitung" ein langes Interview (Abo) zum jüngsten RBB-Skandal. U.a. sagt er: "Ich hatte das Gefühl, der RBB hat sein Stück im Kopf fertig und wollte quasi nur der guten Ordnung halber noch die Stellungnahme von mir haben. Ich verstehe auch nicht, warum das unbedingt am 31. Dezember veröffentlicht werden musste. Gab es da Druck? Warum hat man sich nach unserem Schreiben nicht noch ein paar Tage Zeit genommen? Dann hätten sie auch die Zeugen nochmal treffen können. Der RBB muss nicht zwingend der Erste mit einem Bericht sein, um Geld mit Klicks zu verdienen." +++ Dass der RBB am 31. Dezember nur auf Sendung ging, weil Gelbhaar online "seinerseits auf seiner Webseite" etwas aus den Fragen veröffentlichte, sagt RBB-Chefredakteur Biesinger im aktuellen RBB-Radio-"Medienmagazin" (wie sich etwa hier hören lässt). +++

+++ Eigentlich eine schöne Geschichte: wenn eine Fernsehserie aus einem Nachbarland über ein Netzwerk europäischer Anbieter auch in Deutschland läuft. Allerdings, die Deutsche Telekom nahm die unter dem englischen Titel "Murderesses" gezeigte polnische Serie zunächst schnell wieder aus ihrem "Magenta"-Netz, weil "die Synchronisation ... auffällig; leider auffällig schlecht und monoton" war. Damit ist ein frühes Experiment, Filme ohne menschliche Stimmen, sondern mit Künstlicher Intelligenz zu synchronisieren, gescheitert, berichtet dwdl.de: "Die schöne neue Serienwelt mit der enormen Vielfalt von Produktionen aus aller Welt, die inzwischen ihren Weg auch nach Deutschland finden, trifft auf die harte Realität der Wirtschaftlichkeit." +++

+++ Erreichen Faktenchecks überhaupt noch etwas anderes als die jeweils Überzeugten etwas weiter zu überzeugen? Um Kriminalität und Sicherheit in Deutschland geht es oft im Wahlkampf, am Montag ging es auch hier im Altpapier darum. Spiegel.de hat da auch noch einen Check ... ("Wo Merz, Spahn und von Storch recht haben und wo nicht"). +++

+++ Die türkische Schauspielerin Melisa Sözen wurde in der Türkei verhaftet, weil sie 2017 "in einer französischen Fernsehserie eine kurdische Kämpferin" in Syrien verkörpert hatte, meldet der "Standard". +++

+++ .... der dann auch noch die Insolvenz des Wiener Verlags vermeldet, in dem der "Wiener", also die traditionsreiche Zeitschrift, erscheint. "Die Ausgabe 462 soll wie geplant im April erscheinen. Drei weitere Ausgaben sind für Juli, September und November geplant."

Das nächste Altpapier schreibt am Donnerstag Ralf Heimann.

Mehr vom Altpapier

Kontakt