Kolumne: Das Altpapier am 22. Januar 2025: Porträt des Altpapier-Autoren René Martens 5 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
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Beim Springen über Elon Musks neues Stöckchen – seinen ausgestreckten rechten Arm – sollten wir zumindest versuchen, die Mechanismen des Spiels aufzuzeigen.

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Kolumne: Das Altpapier am 22. Januar 2025 We saw what we fucking saw

22. Januar 2025, 13:29 Uhr

Beim Springen über Elon Musks neues Stöckchen – seinen ausgestreckten rechten Arm – sollten wir zumindest versuchen, die Mechanismen des Spiels aufzuzeigen. In einer Hinsicht markiert die Berichterstattung über Musks Hitlergruß ein neues Level. Die Botschaft allzu vieler Journalisten lautet: Traut euren Augen nicht! Heute kommentiert René Martens die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren René Martens
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Der Einfluss kommerzieller Plattformlogiken auf den ÖRR

Die Zeit der Jahresrückblicke ist ja nun langsam vorbei, aber ein Interview, das Catalina Schröder noch 2024 mit Luisa Neubauer über die Klimaberichterstattung des vergangenen Jahres geführt hat, verdient Beachtung. Erschienen ist es in der ersten 2025er-Ausgabe des Medienmagazins "journalist". Neubauer sagt dort:

"Im letzten Jahr habe ich nach Interviews oft gedacht: Was mache ich hier eigentlich? (…) Mir werden Fragen gestellt wie: (…) Warum werden Sie von einigen Menschen gehasst? Wie geht es Ihnen eigentlich als Frau? Oder: Wie finden Sie eigentlich die Grünen? In keiner Frage geht es im Kern um die Klimakrise oder um das, was sie für uns Menschen bedeutet. Am Ende der Interviews wird dann unschuldig gefragt: Warum interessieren sich die Menschen heute weniger für das Klima? Tja. Das kann man so in zehn fast identischen Interviews nachlesen. Ich gebe mir jedes Mal Mühe und probiere, originelle Zugänge zu finden, aber es frustriert mich."
 
Das sei in der etwas weiter zurück liegenden jüngeren Vergangenheit noch anders gewesen:

"Wenn ich den großen Rahmen betrachte, stelle ich fest, dass es eine Phase gab, in der schon einmal substanzieller über das Klima gesprochen wurde (…) Es scheint, als wäre ein Teil der deutschen Medienlandschaft reflexhaft zurückgesprungen, was eine angemessene Klimaberichterstattung betrifft."

Wobei man dieses "Zurückspringen" wohl als Kotau bewerten muss gegenüber jenen immer stärker werdenden politischen Kräften, die an einer angemessenen Klimaberichterstattung ganz und gar nicht interessiert sind.

Generell findet Neubauer, dass "wir nicht genug darüber sprechen, wie Journalist:innen und Medien das Thema Klima behandeln, und wie das die Wahrnehmung der Menschen prägt und verändert".

Einen kleinen Blick in die Redaktionen, die nicht mehr in der Form berichten wie es sich Neubauer wünscht, liefert ein Interview, das bei wissenschaftskommunikation.de erschienen ist. Gesprächspartner ist der HR-Hörfunkjournalist Henning Eichler. Anlass des Interviews ist, dass Eichler bei der Jahrestagung des Bundesverbands Hochschulkommunikation davon sprach, "dass es für Hochschulen in Zukunft schwieriger werden könnte, Wissenschaftsthemen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu platzieren".

Nun tangieren uns als Medienkolumnisten die Sorgen von Hochschulen eher peripher, da ich aber weiß, dass Filmemacher schon heute Schwierigkeiten haben, "Wissenschaftsthemen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu platzieren", finde ich das Interview aufgreifenswert. Eichler sagt:

"Die Wissenschaftskommunikation kann sich (…) nicht mehr darauf verlassen, dass ihre relevanten Themen von den Redaktionen von selbst aufgegriffen werden. Es gibt dort nicht mehr so viele Redakteur*innen, die mitbekommen, wenn wichtige Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, die auch mal auf Tagungen gehen oder sich einfach informiert halten. Dieser Typus von Wissenschaftsjournalist*innen in den öffentlich-rechtlichen Sendern wird eher seltener werden und deswegen muss die Wissenschaftskommunikation offensiver sein und sich mehr verkaufen."

Eichler formuliert auch Kritik, die man von Mitarbeitenden des ÖRR eher selten hört:

"Wissenschaftliche Themen, die komplex und nicht so einfach darzustellen und vielleicht auch nicht so unterhaltsam umzusetzen sind, stehen bei redaktionellen Entscheidungen eher nicht an erster Stelle. Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung, zumal die öffentlich-rechtlichen Sender einen klaren gesetzlichen Auftrag haben, umfassend, vielfältig und hintergründig zu berichten. Hier ist für mich die Grenze überschritten, so weit darf der Einfluss kommerzieller Plattformlogiken auf den Journalismus nicht gehen."

Die freiwillige Selbstverzwergung des deutschen Journalismus

Dass ich heute mit zwei Interviews eingestiegen bin, in denen es nicht um Elon Musks Hitlergruß geht, ist natürlich ein Versuch, die Aufmerksamkeit erst einmal auf wichtigere Themen zu lenken. Nun geht es aber doch um Musks aktuelles "Stöckchen" (Lenz Jacobsen, Zeit Online). Was man wohl betonen muss: "Ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß" (so lautet der Vorspann eines taz-Kommentars). Beziehungsweise: "Ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß" (so lautet die Überschrift von Jacobsens erwähntem Zeit-Online-Kommentar). Man muss es betonen, weil es auch Berichterstattung gibt, die einen anderen Eindruck zu erwecken versucht.

Ergänzen könnte man u.v.a. noch "umstrittene Geste" (FAZ mit Agenturen) und "eine Geste, die manch einen an einen Hitlergruß erinnert" (Kerstin Klein, ARD-US-Korrespondentin in der 20-Uhr-"Tagesschau"). Noch drolliger ist die "New York Times"-Überschrift "Elon Musk entfacht Online-Spekulationen über die Bedeutung einer Handbewegung".

Laschyk meint, "dass Rechtsradikale die offensichtliche Geste leugnen", sei nicht verwunderlich. Aber:

"Dass (…) auch so viele seriöse deutsche Medien unfähig sind, Fakten auszusprechen, ist ein großes Problem."

Wobei ja noch interessant ist: Es sind deutsche Rechtsradikale, die sagen, dass der Hitlergruß keiner war. Anderswo konnten sich Neonazis gar nicht mehr einkriegen vor Freude (siehe "Wired" und US-"Rolling Stone")

Eine weitere Differenzierung: Die Formulierung "der Hitlergruß" ist nicht präzise. Es gab bei dem Auftritt zwei Armbewegungen nach oben rechts: einen zackigen, hundertzehnprozentigen Hitlergruß und eine vierfünftelherzige, weniger zackige Geste zur anderen Seite des Publikums. Man sieht hier anhand eines Vergleichs, wie ein NBC-Kanal die entscheidende Szene herausgeschnitten hat.

Daher betont die freie US-Journalistin Marisa Kabas, die darüber schrieb, "how we saw what we fucking saw", in ihrem Substack, dass nicht alle alles gesehen haben:

"Some local TV news affiliates like NBC Chicago, Fox 5 Washington, and WJLA (the ABC affiliate) (…) posted versions of the video that strategically cuts away before the first and most obvious salute."

Nach diesen Exkursen nun aber zurück zu den Reaktionen in Deutschland: Lenz Jacobsen schreibt im bereits verlinkten Zeit-Online-Kommentar:

"Die Geste spricht für sich, sie ist im Video dokumentiert. Wer sie dann uminterpretieren will, wer den Hitlergruß nicht sehen will, tut das auf eigene Rechnung. Wer beispielsweise gerade jetzt meint, den älteren 'Römergruß' als vermeintliche Musk-Referenz entdecken zu müssen, beweist damit vor allem seinen Willen zur gefälligen Umdeutung."

Und Gareth Joswig im ebenfalls bereits erwähnten taz-Kommentar:

"Die kognitive Dissonanz hierzulande, die Geste von Musk nicht als das zu benennen, was sie ist, bleibt (…) wirklich erstaunlich. Aber sieht natürlich auch blöd aus, wenn eines der größten Verlagshäuser Deutschlands, namentlich der Springer-Konzern, vor einem Typen kriecht, der Trumps Amtseinführung per Hitlergruß feiert – und ihm weiter dabei hilft, disruptiv in den Wahlkampf einzugreifen."

Bei Springers sind sie sicherlich schon gespannt wie ein Flitzebogen, was Musk tut, wenn er zugeschaltet wird zu diesem vom Mischkonzern veranstalteten "Wirtschaftsgipfel", auf den sich Joswig bezieht.

Thomas Laschyk zitiert beim "Volksverpetzer" zustimmend Lea Schönborn (Krautreporter):

"Mit dem Drumherumreden wird die Wahrnehmung vieler Menschen in Frage gestellt. Was diese Medienschlagzeilen bewirken, ist perfide. Sie senden die Botschaft: 'Traue deinen eigenen Augen nicht!' Ist das nicht das genaue Gegenteil des Auftrags von Reporter:innen?"

Diese hier skizzierte Perfidie kommt mir tatsächlich neu vor. Dass Journalisten als Wegbereiter des Rechtsextremismus agieren (aus Opportunismus oder weil sie vernarrt sind in False Balance), ist keine Überraschung. Ungewohnt scheint es mir zu sein, dass es jetzt Journalisten gibt, die ihrem Publikum sagen: Glaubt ja nicht, was ihr gesehen habt! Wie diese Kollegin von der "Washington Post". Und ach, bei der "Welt" schreiben sie Hitlergruß jetzt schon in Anführungszeichen.

Die letztjährige Bert-Donnepp-Preisträgerin Nadia Zaboura kommt in einem Thread zum Thema "Hitlergruß und Realitätsabwehr" zu einem Fazit, das sie so ähnlich auch schon aus anderen Anlässen formuliert hat:

"Die m.E. aus freien Stücken vollzogene Selbstverzwergung des deutschen Journalismus als Chronisten des Faschismus, als Bezweifelnde des Faktischen (…) führt zwangsläufig in die Selbstzerstörung des Journalismus - als Beruf sowie als Demokratie-sichernde Struktur."

Normalerweise habe ich weder Mitleid mit solide bezahlten Festangestellten, die in den Galeeren der Nachrichtenproduktion ackern, noch mit den mehr als solide bezahlten Entscheidern. Jetzt frage ich mich aber doch: Kann es denn psychisch gesund sein, die Realität derart zu verschleiern, wie es die "Mutmaßlicher Hitlergruß"-Fraktion und die "Hitlergruß-ähnlich"-Fraktion tut. Man sollte vielleicht nicht nur fragen: Was tut ihr dem Journalismus, was tut ihr der Demokratie an? Sondern auch: Was tut ihr eigentlich euch an?

Musk distanziert sich (natürlich) nicht

Die "Standard"-Kolumnistin und Rechtsextremismus-Expertin Ingrid Brodnig stellt in ihrem Newsletter noch einen anderen Aspekt heraus:

"Wie hat Elon Musk selbst reagiert, als das Video mit ihm weltweit zur Debatte wurde? Er verbreitete den Post eines Users, der es als 'Hoax’ darstellt, also als falsche Behauptung, Elon Musk habe einen Hitlergruß gemacht. Und er schrieb dazu: 'Ehrlich gesagt, sie brauchen bessere schmutzige Tricks. Die 'Alle sind Hitler'-Attacken sind so abgelutscht.’ Elon Musk inszeniert sich als Opfer. Aber was er nicht tut, ist, sich vom Hitlergruß zu distanzieren. Und er sagt auch nicht, er will nicht von Rechtsextremen bejubelt werden, die ihn nun feiern und sich bestärkt sehen. Ich sehe das so: Die Geste des Hitlergruß ist weltweit bekannt als das Hass-Symbol, das sie ist. Nehmen wir an, jemand macht tatsächlich unabsichtlich eine Geste, die von vielen Menschen bis ins rechtsextremen Spektrum als Hitlergruß gesehen wird, dann wäre meines Erachtens der nächste logische Schritt, sich von dieser Geste und ihren Fans zu distanzieren. Das lese ich aus diesen Worten Elon Musks nicht heraus."

Die üblichen Verdächtigen reagieren in solchen Fällen ja mit "Ich war halt besoffen", "War nicht so gemeint. Einige meiner besten Freunde sind Juden" oder ähnlich. Das hat Musk also nicht getan. Andererseits wäre es auch widersinnig, wenn sich jemand, der, um nur ein Beispiel zu nennen, gerade erst die Freilassung eines britischen Neonazis gefordert hat, sich von einem Hitlergruß distanziert.

Zur sich immer wieder neu stellenden Frage, wie wir richtig umgehen mit hingehaltenen Stöckchen, die uns von der Berichterstattung über relevantere Themen abhalten sollen, noch einmal Lenz Jacobsen:

"Elon Musk hat also den rechten Arm ausgestreckt und lässt alle drüber springen – das ultimative Stöckchen. So beginnt am Tag der Inauguration nicht nur formal die zweite Präsidentschaft Donald Trumps. Auch das damit verbundene Aufmerksamkeitsregime wird so gut sichtbar wie selten zuvor."

Im Folgenden führt uns der Autor langsam zu einer kleinen Lösung:

"Auch und gerade der Journalismus steht vor dieser Wahl zwischen Beachtung und Nichtbeachtung solcher Ereignisse. Er spielt das Aufmerksamkeitsspiel mit, ja Medien sind die angestammte Arena dieses Spiels. Man kann auch diesen Text als Beleg einer gewissen Hilflosigkeit lesen. Bisher ist keine bessere Lösung sichtbar als: die kleinen Stöckchen von den hitlergrußgroßen Balken unterscheiden, und beim Springen zumindest versuchen, die Mechanismen des Spiels aufzuzeigen."

Geht’s noch, Claudia Bates, Gudrun Engel und Co.?

Zumindest schlaglichtartig seien noch einige bemerkenswerte Lows der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung über die allerersten Stunden der zweiten Trump-Amtszeit sowie Musks Hitlergruß erwähnt.

Für den, nun ja, ungewöhnlichsten Umgang mit dem Hitlergruß entschied sich Claudia Bates im "Heute Journal Update" von Montag. Sie zeigte ihn, ohne direkt etwas dazu zu sagen. Bates beschreibt die Geste lediglich mit den Worten "Elon Musk dankt ihnen [den Anhängern] für diesen Erfolg" (ab ca. 3:00, mit Dank an @mdbdesgrauens.bsky.social für den Hinweis).

Nicht nur den Vogel, sondern eine Vogelschar schoss dann am Dienstagnachmittag eine Person ab, die den Threads-Account von WDR aktuell füllt.

"Donald Trump ist seit einem Tag im Amt – und macht direkt eine innen- und außenpolitische Kehrtwende. Welche Entscheidungen findet ihr gut, welche nicht?",

fragt der Kollege oder die Kollegin treuherzig. Die von Trump begnadigten rechtsextremen Terrormilizionäre heißen hier "Anhänger, die beim Sturm auf das Kapitol dabei waren". Anderer Ausschnitt:

"Wir zeigen euch diese Momente im Video: Melania Trumps Hut als Hindernis für Kuss - Freude bei Trump-Berater Musk: Herzliche Geste oder Hitlergruß?"

Siehe dazu auch einen Mastodon-Post von mir.

Quasi außer Konkurrenz wäre dann noch ARD-Korrespondentin Gudrun Engel zu nennen (da sich ihre Äußerung nicht aufs Aktuelle bezieht). In der am Montag ausgestrahlten, offensiv unterkomplexen Dokumentation "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" performt sie folgende steile These:

"(Trump) hätte genauso gut bei den Demokraten landen können. Ich glaube tatsächlich, dass es ihm darum geht, politische Macht auszuüben."

Der Titel - auf den Altpapier-Kollege Klaus Raab und ich bei Bluesky schon eingegangen sind (hier und hier) - macht ja schon ein bisschen Angst: Wenn "Donald Trump - Schicksalsjahre eines Präsidenten" möglich ist, ist auch "Wladimir Putin - Schicksalsjahre eines Kriegsherrn" nicht undenkbar.

Bidens letzter Sieg

Eine Niederlage musste Donald Trump bereits hinnehmen am allerersten Tag, und zwar in einem Bereich, der ihm vermutlich besonders wichtig ist. Die Einschaltquoten der Amtseinführung waren nämlich mau. "The Hollywood Reporter" hat die Details:

"For the full day of coverage, from about 10:30 a.m.-7 p.m. ET, those 15 outlets — ABC, CBS, NBC, Merit Street Media, Telemundo, Univision, CNBC, CNN, CNNe, Fox News, Fox Business, MSNBC, Newsmax, NewsNation and PBS — averaged 24.59 million viewers. That too is well below the past two inaugurations: Biden’s inauguration in 2021 averaged 33.76 million on 17 networks, and Trump’s first inaugural in 2017 drew 30.64 million on 12 outlets. Monday’s news coverage fell by 27 percent from four years ago and about 20 percent from eight years ago."

Die Hoffnung, dass Menschen, die nicht in der Medienbranche arbeiten, in ihrer Gesamtheit dann doch klüger sind, als Menschen, die in dieser Branche arbeiten, darf man also haben.


Altpapierkorb (vermeintlich verrohte Debattenkultur, Sihem Bensedrine im Hungerstreik, Telegram-Gruppen-Trolle als BSW-Wahlwerber)

+++ Inwiefern die Forderung nach einer "zivilisierten Debatte bloß Diskurskitsch" ist und inwiefern uns solche Forderungen von relevanten Auseinandersetzungen abhalten (sollen), führt Johannes Franzen in seiner Kolumne für "Übermedien" aus: "Hinter dem beruhigenden Ton der Mahnung nach mehr Debattenkultur verbirgt sich oft genug die Vorstellung, dass sich grundlegende gesellschaftliche Probleme vor allem, und eigentlich ausschließlich, durch den höflichen Austausch von Argumenten lösen lassen. So wird dann aber auch die Tatsache, dass es bedeutsame politische Konflikte gibt, die unversöhnlich geführt werden, weil sie eben nicht auflösbar sind, durch den strengen Verweis auf die verrohte Debattenkultur weggewischt (…) In dieser Vorstellungswelt gibt es keine Verteilungskämpfe um Ressourcen und Macht, keine widersprüchlichen Interessen, kein hasserfülltes gruppenbezogenes Verdrängungsbedürfnis". Was Franzen in dem Kontext auch betont: "Eine goldene Zeit der Debattenkultur hat es nie gegeben. Öffentlicher Austausch war schon immer eine Hölle der Aggression. Im Jahr 1985 etwa nannte Willy Brandt den CDU-Politiker Heiner Geißler im Fernsehen den schlimmsten Hetzer seit Goebbels und wurde dafür von Helmut Kohl gerügt."

+++ Die FAZ porträtiert die tunesische Journalistin Sihem Bensedrine, die seit Jahren kritisiert, dass die EU nordafrikanische Despoten unterstützt. Anlass des Artikels: Die 74-Jährige ist in den Hungerstreik getreten.

+++ Wie rechtsradikale Trolle in Telegram-Gruppen Wahlwerbung für das BSW machten, beschreibt der "Spiegel". Marc Röhlig schreibt: "Die Videos und Bilder erinnern in ihrer Machart an Memes aus russischen Trollfabriken, wie sie seit Jahren auf Telegram oder X zu finden sind."

Das Altpapier am Donnerstag schreibt Antonia Groß.

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