Kolumne: Das Altpapier am 7. Januar 2025: Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels 6 min
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Kolumne: Das Altpapier am 7. Januar von Christian Bartels Karikaturen wirken

Kolumne: Das Altpapier am 7. Januar – Karikaturen wirken

Amazon-Gründer Jeff Bezos und Apple-Chef Cook, der Uber-Chef und der Disney-Konzern legen Präsident Trump Geldsäcke zu Füßen.

Di 07.01.2025 13:57Uhr 05:50 min

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Kolumne: Das Altpapier am 7. Januar 2025 Karikaturen wirken

07. Januar 2025, 11:00 Uhr

Amazon-Gründer Jeff Bezos und Apple-Chef Cook, der Uber-Chef und der Disney-Konzern legen Präsident Trump Geldsäcke zu Füßen. Zum zehnten Jahrestag des islamistischen Massakers an "Charlie Hebdo" legt sich die am visuellsten orientierte deutsche Zeitung ins Zeug. Heute kommentiert Christian Bartels die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Niedergang einer Traditionszeitung

Geldsäcke kommen in Zeichnungen viel öfter vor als im wahren Leben, aber nicht, weil die Zahl der Superreichen sinkt. Das hat viel eher mit dem Trend zum bargeldlosen Bezahlen zu tun – auf dem manche prominente Superreiche wie Elon Musk und Peter Thiel ihren Reichtum ja begründeten.

Auf Dagobert Duck, den die meisten Menschen mit Geldsäcken assoziieren (Symbolbild), spielt die gestern schon im Altpapierkorb erwähnte Zeichnung, die zeigt, wie Amazon-Chef "Jeff Bezos ... und andere Tech-Milliardäre Donald Trump Geldsäcke zu Füßen legen", und die Bezos' ex-renommierte Zeitung nicht drucken mochte, eher nicht an. Aber auf Disney in Form der Micky Maus. In ihrem Substack-Blog erläutert die Karikaturistin Ann Telnaes "Why I'm quitting the Washington Post":

"Die Karikatur, die gekillt wurde, kritisiert die milliardenschweren Tech- und Medienmanager, die ihr Bestes tun, um sich beim designierten Präsidenten Trump beliebt zu machen. Es gab in letzter Zeit mehrere Artikel über diese Männer mit lukrativen Regierungsverträgen und einem Interesse an der Abschaffung von Vorschriften, die ihren Weg nach Mar-a-Lago gefunden haben. Zu der Gruppe in der Karikatur gehörten Mark Zuckerberg/Facebook & Meta Gründer und CEO, Sam Altman/ [Open] AI CEO, Patrick Soon-Shiong/ 'LA Times'-Herausgeber, die Walt Disney Company/ ABC News und Jeff Bezos/ 'Washington Post'-Eigentümer" (v.a. deepl.com-übersetzt)

(Man könnte sich fragen, warum die Micky Maus als beinahe einziger Farbtupfer schwarz-rot-gold gekleidet ist ... Aber man muss ja nicht alles durch die deutsche Brille sehen.) "Jeff Bezos ruiniert die 'Washington Post'", schreibt Nina Rehfeld heute auf der "FAZ"-Medienseite/ Abo:

"2013 kaufte Amazon-Gründer Jeff Bezos das Blatt, das zum Amtsantritt Donald Trumps 2017 den melodramatischen Slogan 'Democracy Dies in Darkness' über den Titel setzte. Die 'Washington Post' war während Trumps erster Amtszeit eine der kritischsten Stimmen in der Presselandschaft und konnte zahlreiche Abonnenten hinzugewinnen.  Aber der sogenannte 'Trump-Bump' hielt nicht an; 2023 machte der Verlag 77 Millionen Dollar Verlust, die Zeitung verlor gegenüber 2020 fünfzig Prozent der Leserschaft."

Rehfeld erinnert daran, dass der vor etwas über einem Jahr geholte "Post"-Vorstandschef Will Lewis in die Skandale der britischen Murdoch-Presse verwickelt ist, um die nächste Woche ein neuer Prozess beginnen wird. Und daran, dass Bezos außer Amazon auch eine Raumfahrtfirma gründete, "Blue Origin", weshalb er natürlich aufpassen muss, dass diese Firma nicht von Elon Musks Raumfahrtfirma im Rennen um abermilliardenschwere Staatsaufträge abgehängt wird. Deshalb hatte die "Post" ja schon auf ihre traditionelle Wahlempfehlung verzichtet und viele Leser verprellt (Altpapier). Die "Süddeutsche" (Abo) hängt die Sache ein bisschen tiefer:

"Telnaes, 1960 in Stockholm geboren, gehört zu den bekanntesten politischen Karikaturistinnen und wurde für ihre Arbeit 2001 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. ... Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass eine ihrer Karikaturen für Aufsehen sorgt. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 hatte sie den republikanischen Abgeordneten Ted Cruz im Weihnachtsmann-Kostüm gezeichnet, wie er seine Kinder für den Wahlkampf einspannt ...",

was zu etwas Aufregung führte. Aber ist "für Aufsehen" zu sorgen, nicht die Aufgabe von Karikaturen? Na ja, die "Süddeutsche" hat mit ihren Karikaturen ja öfters Probleme (Altpapier). Und um eine "Karikaturen-Ausstellung, über die sich niemand aufregt" geht's weiter unten noch.

Einstweilen hat Telnaes "With gratitude" noch ein paar Karikaturen von Kollegen veröffentlicht, die auf ihre Bezos-Karikatur eingehen, zum Beispiel Bezos nicht kniend, sondern küssend hinter (mutmaßlich) Trump zeigen. Auch der Substack-Beitrag lohnt einen Klick. Nicht enthalten ist diese Karikatur der niederländischen Seite trouw.nl, die den erwähnten Schriftzug "Democracy Dies in Darkness" durch einen anderen ersetzt.

Prominente Trump-Spender

Wie Telnaes schon schrieb und zeichnete, ist Jeff Bezos mit dem Geldsäckchen, das er zur Trump-Inauguration spendet, nicht allein. So meldet, in der "Ticker"-Randspalte bei netzpolitik.org erwähnt, das US-amerikanische Portal axios.com:

"Apple-CEO Tim Cook wird persönlich eine Million Dollar an das Komitee zur Amtseinführung von Präsident Trump spenden, wie Quellen mit Kenntnis der Spende gegenüber Axios berichten. Die Spende spiegelt eine lange, kooperative Beziehung zwischen Trump und Cook wider, die zahlreiche Treffen während Trumps erster Amtszeit und ein Abendessen in Mar-a-Lago im vergangenen Monat umfasste." (deepl.com-übersetzt)

Auch der Facebook-/Instagram-Konzern Meta spendete eine Million Dollar. "Vor wenigen Monaten drohte Donald Trump Facebook-Gründer Mark Zuckerberg noch mit Gefängnis. Jetzt bekommt der Onlineriese mit Joel Kaplan einen konservativen Politikchef", schreibt außerdem der "Standard" zur gestern hier schon erwähnten Personalie, durch die der EU-Lobbyismus wichtig gewesene britische Ex-Spitzenpolitiker Clegg ersetzt wird. Weitere Spender, zu denen etwa noch Uber-Chef Dara Khosrowshahi gehört, listet übersichtlich und auf deutsch watson.ch auf.

Was die stets smart auftretenden US-amerikanischen Was-mit-Medien-Unternehmer oder auch ihre Konzerne spenden, sind natürlich nur Bruchteile ihrer Milliardengewinne, die laufend und nicht zuletzt auch aus EU-Europa und aus Deutschland fließen. Bisschen zugespitzt: Wer hierzulande bei Amazon bestellt (oder streamt), trägt außer zum Niedergang des lokalen Einzelhandels auch ein Scherflein zu Bezos' Superreichtum bei – und also auch zu Donald Trumps künftiger Politik.

Zehn Jahre nach den "Charlie"-Morden

Die Kunstform der Karikatur hat es nicht leicht, erst recht, wenn sie in der Presse erscheint, für die ja dasselbe gilt. Eine so entscheidende wie traurige Zäsur jährt sich am heutigen 7. Januar zum zehnten Mal. "Tomorrow is the 10th anniversary of the Charlie Hebdo murders. I’ll post my visual essay on the state of editorial cartooning today so please check back", schreibt Telnaes im jüngsten Beitrag. Der Satz "Wenn Karikatur ein Gradmesser der Aufklärung ist, dann herrscht seit dem 7. Januar 2015 Eiszeit" aus Andreas Platthaus' "FAZ"-Leitartikel war gestern hier bereits zitiert.

Heute befasst sich ganz besonders die (neben "Bild") am visuellsten orientierte deutsche Zeitung, die "taz", mit dem Jahrestag des islamistischen Massenmords. "Wie komisch sind Idioten? Doofe Frage? Mitnichten", kommentiert die "Wahrheit"-, also Satire-Redakteurin Harriet Wolff (um dann auch gleich wieder auf Trump und Musk zu kommen). Die Situation von "Charlie Hebdo" anno 2015 und heute schildern sie und Frankreich-Korrespondent Rudolf Balmer:

"Der neue Redaktionssitz der Satirezeitung ist seit dem Anschlag geheim und steht unter ständigem Polizeischutz. Der gilt auch für alle Mitarbeiter:innen, die damals überlebt haben"

Außerdem schreibt Romy Straßenburg, die die nicht lange erschienene deutsche "Charlie Hebdo"-Ausgabe leitete. Und Gereon Asmuth erinnert daran, wie bei der stets polizei-kritischen "taz" sich viele über Polizei vorm Redaktionssitz freuten, nachdem sie, "als eine Woche später die erste Ausgabe der 'Charlie Hebdo' nach dem Anschlag herauskam, ... die Titelseite komplett" übernommen hatte, also Mohammed-Karikatur inklusive. All diese Artikel (und die gedruckte Titelseite) illustrieren sieben aktuelle deutsche Karikaturen zum gleichen Themenfeld. Zu denen gehört auch die oben angekündigte mit der "Karikaturen-Ausstellung, über die sich niemand aufregt".

"Der Massenmord in der Redaktion dauerte weniger als zwei Minuten und beschäftigt Frankreich bis heute. Die Frage, wie Satire in der Zeit nach Charlie funktionieren kann, was sie darf oder vermeiden soll, dominiert die Debatte mehr denn je. Für die Überlebenden war die Sache klar: In der allerersten Ausgabe nach dem Attentat kam wieder eine Karikatur des Propheten auf das Titelbild. Er trug ein Schild mit dem berühmten Spruch 'Je suis Charlie' vor der Brust und darüber stand der Satz, dass nun alles vergeben sei: 'Tout est pardonné'. Leider blieb niemand sehr lange Charlie"

schreibt dann noch Nils Minkmar auf der "SZ"-Medienseite (Abo). Einen positiven Dreh, um den sich bei der "taz" manche bemühen, findet er nicht:

"Von der Einigkeit, mit der unmittelbar nach dem Anschlag in den Straßen von Paris demonstriert wurde, ist zehn Jahre danach kaum noch etwas übrig. Damit versiegt eine urfranzösische Ressource, nämlich der Glaube an die unwiderstehliche Kraft des Humors."

Was in eine Hypertextkolumne mit vielen Links natürlich unbedingt noch rein muss, auch wenn am Morgen des heutigen 7. Januar der Server überlastet ist (und auch wenn Romy Straßenburg damit "hadert"): "Charlie Hebdo" selbst. Hier geht's zum traurig-fröhlichen Titelbild der aktuellen Ausgabe, hier zu einem Beitrag über l'"Attentat de Magdebourg" im deutschen Dezember. Und falls Sie auch nicht (mehr) so fit im Französischen sind: Das erwähnte deepl.com hülfe auch da.

Neues aus Indien

Gestern ging es hier in der stets multithematischen Kolumne auch um die Journalisten Nazim Dastan und Cihan Bilgin, die im kurdisch-syrischen Rojava wohl "durch eine türkische Killerdrohne ... getötet" wurden. Heute erinnert die "taz" unter der entsetzlichen Überschrift "Investigativer Journalist tot in Klärgrube aufgefunden" an einen weiteren ermordeten Journalisten:

"Am Neujahrstag verschwand Mukesh Chandrakar spurlos. Wenige Tage darauf wurde nur noch die Leiche des indischen Journalisten gefunden: in einer neu aufgeschütteten Klärgrube auf dem Gelände einer Straßenbaufirma in der ostindischen Stadt Bijapur. Beamte hatten sein Mobiltelefon geortet und stießen so auf ihn. Nach Angaben der Polizei wies die Leiche schwere Verletzungen auf"

Indien, das perspektivisch bevölkerungsreichste Land der Welt, das deutschen Unternehmen gerne zum Abkoppeln von China empfohlen wird, rangiert auf der aktuellen Pressefreiheits-Rangliste auf Platz 159 von 180. "Mindestens 28 Journalistinnen und Journalisten wurden seit dem Amtsantritt von Premier Narendra Modi 2014 in Indien ermordet", zählten die Reporter ohne Grenzen. Also vor diesem Mord.

Ein Konnex zum leider durchgehenden Thema des heutigen Altpapiers ist schnell gefunden. "Eine Karikatur zu seinem Gedenken zeigt eine blutige Straßenwalze", schreibt "taz"-Reporterin Natalie Mayroth. Hier (wobei: Achtung, Link führt zu Elon Musks X) wäre sie zu sehen. Zu finden sind Karikaturen, wie die meisten Medieninhalte, leicht.


Altpapierkorb (Faustschläge, Scherbenhaufen, Reichelt-Anwalt, Medienwächter, Musk/ Weidel)

+++ "Angriff am helllichten Tag: Journalistin in Berlin-Kreuzberg mit Faustschlag attackiert", meldet der "Tagesspiegel". Die fürs Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aktive Journalistin sei "von einer Frau zunächst als 'Zionazi' beschimpft" und dann geschlagen worden. +++

+++ Die "Süddeutsche" war beim Medienmedien-Dramolett um "Titel, Thesen, Temperamente" und Thilo Mischke (AP gestern) ganz vorn dabei, erscheint aber am Dreikönigstag nicht. Daher berichtet sie heute auf der Medienseite und kommentiert auch noch (Abo): "Vor einem riesigen Scherbenhaufen" stehe die ARD. +++

+++ Sehr ausführlich berichtet die "FAZ" (Abo) über ein von der Berliner Generalstaatsanwaltschaft eingestelltes berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwälte Christian-Oliver Irle und Ben Irle, "der Julian Reichelt vertritt" – offenbar, weil es auf von der "Süddeutschen" erhobenen Vorwürfen basierte. +++

+++ Wie in vielen deutschen Städten muss auch in Berlin kräftig gespart werden. Aber an der Berlin-Brandenburger Medienanstalt MABB nicht, die aber auch nicht aus Steuern, sondern aus dem Rundfunkbeitrag finanziert wird. "Mit einer erneuten Novellierung des Medienstaatsvertrages beider Länder" wollen Berlins und Brandenburgs Landesregierungen "den Anteil, den die MABB aus dem Rundfunkbeitrag erhält, erhöhen", und zwar wohl ab 2026, meldet "epd medien". +++

+++ Und dass ein Sprecher der EU-Kommission dann noch übers Digitale-Dienste-Gesetz und zum für Donnerstag angekündigten Ex-Twitter-/X-Livegespräch zwischen Elon Musk und AfD-Parteichefin Alice Weidel sagte: "Nichts im DSA verbietet einen solchen Livestream", hält die "FAZ" dann auch noch für meldenswert. +++

Das nächste Altpapier schreibt am Mittwoch Ben Kutz.

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