Kolumne: Das Altpapier am 11. Dezember 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Klaus Raab 5 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 11. Dezember 2024 Es ist erst beschlossen, wenn es beschlossen ist

11. Dezember 2024, 11:16 Uhr

Die Ministerpräsidenten wollen über Rundfunkbeitragsfragen beraten. Ob sie zu einem Ergebnis kommen: offen. Rupert Murdoch kann seine liberaleren Kinder nicht einfach aus-x-en. Und Gerd Heidemann ist gestorben, der beim "Stern" die gefälschten Hitler-Tagebücher anschleppte. Heute kommentiert Klaus Raab die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Klaus Raab
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Noch einmal schlafen bis Ministerpräsidentenkonferenz

Das Jahr neigt sich. Dinge geschehen zum letzten Mal, bevor sie 2025 weitergehen, als wäre nichts gewesen. Und so treffen sich in Berlin morgen die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer zur allerletzten Ministerpräsidentenkonferenz des Jahres. Sie wollen dann auch über neue Regeln zur Festlegung des Rundfunkbeitrags beraten, also ein neues Verfahren für künftige Beitragsanpassungen.

Das Verfahren ist bereits erarbeitet, die Rundfunkkommission der Länder hat es sich zusammengekompromisst (Altpapier), und die Katholische Nachrichten-Agentur (lesbar mit Login) hat es nun noch einmal bündig zusammengefasst:

"Dabei sollen Beitragserhöhungen nur noch von allen 16 Landtagen bestätigt werden müssen, wenn diese fünf Prozent oder mehr betragen. Bei geringer ausfallenden Anpassungen ist ein Widerspruchsrecht vorgesehen. So müssten bei Erhöhungen bis 2 Prozent drei und bei Erhöhungen zwischen 2 und 3,5 Prozent zwei Länder widersprechen. Zwischen 3,5 und 5 Prozent reicht die Gegenstimme eines Landes."

Üblich wäre es wohl, wenn die Länderchefs morgen nochmal ein wenig von ihrem Senf darüber strichen – und dann ab dafür. Aber es wird gerne mit Reförmchen aufeinander geworfen im medienpolitischen Sandkasten. Und man sollte die Rechnung in der Politik vielleicht nicht ohne den Faktor "So nicht, Freunde" machen.

Als nach wie vor "wenig hilfreich" (KNA) wird im Ministerpräsidentenkreis von einigen jedenfalls bewertet, dass ARD und ZDF bereits in Sachen aktuelle Rundfunkbeitragserhöhung vors Bundesverfassungsgericht gezogen waren, bevor die Rundfunkkommission das neue Verfahren (für künftige Beitragsfestsetzungen) beschließen konnte. Warum wenig hilfreich? Weil "nun die Bereitschaft der dem Rundfunkbeitrag kritisch gegenüberstehenden Länder sinke, eine gemeinsame Lösung zu finden". Tja. Ob der genaue Zeitpunkt der Verfassungsgerichtsanrufung durch ARD und ZDF der bestmögliche war, ist schon die Frage. Wie hilfreich es fürs Finden einer gemeinsamen Lösung ist, wenn die Lösungsbereitschaft sinkt, steht aber auf einem anderen Blatt.

Ob am Donnerstag nun überhaupt ein entsprechender Beschluss gefasst wird, sei jedenfalls "fraglich", weiß Helmut Hartung in der Printausgabe der "FAZ". Was das für die ÖRR-Reform bedeutet, das immerhin sei allerdings nicht fraglich. Sie steht morgen und übermorgen nicht zur Debatte. Es geht nur um die Beitragsfestsetzung.

Gerd Heidemann ist gestorben

Wenigen Journalisten wurde die Ehre zuteil, dass ein Abschnitt ihrer Karriere verfilmt wird, und das auch noch erfolgreich. "Schtonk!" heißt der Film, in dem es unter anderem um Gerd Heidemann geht, beziehungsweise eine von ihm inspirierte Figur, die Götz George spielte. Lars Eidinger spielte ihn auch. Und die Ehre war dann doch zweifelhaft. Heidemann war der umtriebige und Nazi-Devotionalien sammelnde "Stern"-Reporter, der die vermeintlichen Hitler-Tagebücher aufgetan hatte, die sich bald als plump gefälscht herausstellten. Was die Marke "Stern" nachhaltig beschädigte. 93-jährig sei Heidemann nun gestorben, meldeten am Dienstag zunächst t-online.de und wenig später stern.de.

Der Nachruf in der "Süddeutschen Zeitung" (Abo) ist ein Fall für Willi Winkler, der über Medienthemen der alten Bundesrepublik so spitz und detailkenntnisreich wie wohl kein anderer Journalist schreibt und oft auch eine Gesellschaftsmentalitätsgeschichte miterzählt. So auch hier, wenn Winkler den Reporter Erich Kuby zitiert:

"Geht man die Jahrgänge des Stern durch, aufgeschreckt durch den 'Tagebücher'-Skandal, dann erkennt man, dass die Verantwortlichen immer dann moralisch und politisch zusammengebrochen sind, wenn es sich um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hätte handeln sollen. Der Stern war diesbezüglich von genau der gleichen Impotenz wie die Bundesrepublik im Ganzen, und schließlich umarmte er Hitler."

Winkler selbst weiter:

"Der Reporter Gerd Heidemann war deshalb kein Einzeltäter, sondern mit seiner Nazi-Macke ein höchst willkommener Zuträger. (…) Die Veröffentlichung fiel mit dem Anfang der Achtziger beginnenden Bedürfnis zusammen, das 'Dritte Reich‘ zu historisieren. Da konnte es dann schon passieren, dass die vom Kunstfälscher Konrad Kujau dokumentierten Blähungen des Führers wichtiger waren als der Holocaust."

Was es allerdings auch gibt, bei t-online.de, ist ein Interview mit dem Historiker Thomas Weber, der Heidemann, wie es dort heißt, "seit Jahren" gekannt habe. Er nennt ihn einen "Grenzgänger" und sagt:

"Bis in seine letzten Lebensstunden hat es ihn [also Heidemann] verfolgt, dass er sich von den Menschen falsch wahrgenommen fühlte. Das hat Heidemann niemals verstanden. Er war vom Nationalsozialismus fasziniert, ja, er wollte Neues darüber herausfinden. Das hat er als Journalist nicht allein durch die Suche nach Archivalien getan, sondern indem er mit alten Nationalsozialisten eine Vertrauensbasis geschaffen hat, die bisweilen in Freundschaften überging. Da durfte er sich letzten Endes nicht wundern, dass ihm NS-Nähe unterstellt wurde."

Erwähnenswert ist Webers Hinweis, dass Materialien aus Heidemanns Sammlung auch nach 1983, also nach dem Tagebücher-Skandal, "immer wieder zum Beispiel für deutsche TV-Dokumentationen stillschweigend benutzt worden" seien, "ohne Heidemanns Namen zu nennen". Es sei, sagt Weber, "fast ein Skandal, wie viele Leute aus den deutschen Medien und deutschen Institutionen ihm eigentlich seit 1983 sehr vertraut haben".

Das erzählt übrigens auch Malte Herwig, der für einen Podcast die Geschichte der falschen Tagebücher recherchiert hat, in einem LinkedIn-Beitrag. In seinem kurzem Nachruf auf Heidemann heißt es:

"Eine Lehre aus dieser Geschichte, die wir auch heute beherzigen sollten: Das Wunschdenken ist immer noch der größte Feind von gutem Journalismus!"

Murdoch mal wieder

Rupert Murdoch ist mal wieder in den Medien. Eigentlich hatte der australische Medienmogul, zu dessen Beritt Medien mit Tiernamen wie Fox News gehören und gegen den Leo Kirch sich wie ein popliger Provinzunternehmer ausnahm, 2023 im Alter von 92 Jahren die Geschäfte mehr oder weniger an seinen stramm konservativen Sohn Lachlan übergeben (Altpapier). Nun zitiert die "New York Times" aus einem Gutachten, in dem, so fasst es der "Tagesspiegel" zusammen,

"eine Strukturreform der Familienstiftung zugunsten Lachlan Murdochs als unzulässig eingestuft wird – ein Erfolg für dessen Geschwister James, Elisabeth und Prudence, die sich gegen das Vorhaben des alternden Familienpatriarchen Rupert Murdoch stemmen, ihnen faktisch das Stimmrecht zu entziehen – und damit die konservative Ausrichtung des Medienimperiums auch nach seinem Tod abzusichern".

James und Elisabeth, zum Beispiel, gelten, anders als Murdochs Bruder im Geiste, Sohn Lachlan, als liberal. Sohn James soll, steht im "Guardian", sogar seinerzeit für die Wahlkampfkampagne von Joe Biden gespendet haben. So hat jede Familie wohl ihre schwarzen Schafe.

Die 10 besten Artikel, die die bis zu 97 besten Geschenke empfehlen

Apropos Familie: Wer noch ein Weihnachtsgeschenk für eine frisch gebackene Mutter sucht, dem kann geholfen werden. US-amerikanische Seiten sind besonders hilfreich. (Was man nicht alles findet, während man einen Text über Rupert Murdoch sucht.)

Die "New York Times" schlägt die "28 Best Gifts for New Moms of 2024" vor. Das "New York Magazine" die "48 Best Gifts for New Moms 2024". "Cosmopolitan" die "50 Best Gifts for New Moms in 2024". CNN "53 of the best gifts for new moms". Die Seite "Oprah Daily" die "54 Best Gifts for New Moms and Mothers-to-Be in 2024". "Glamour" die "61 Best Gifts for New Moms". "Forbes" hat natürlich wieder die längste Liste und kennt die "97 Best Gifts for Moms".

Wobei man genau sein muss: Geschenke für frisch gebackene Mütter und Geschenke für Mütter sind nicht dasselbe.

Es gibt auf den Seiten der "New York Times" auch die 27 besten Muttertagsgeschenke, nicht zu verwechseln mit den kurz danach erschienenen 33 besten Last-Minute-Muttertagsgeschenken, die 32 besten Schwiegermuttergeschenke, und wer nun wirklich noch auf die Idee kommt, ein Nachthemd von Tchibo oder C&A zu verschenken, der hat wohl nicht wirklich gesucht.

Altpapierkorb (BBC-Beitrag, "Vice"-Doku, "Operation Overload", Social-Media und Kinder, Raab-Show)

+++ In Großbritannien steigt der Beitrag für die BBC im April um fünf Pfund pro Jahr, auf dann umgerechnet 209,40 Euro, und epd Medien schreibt: "Die Gebührenerhöhung liegt beträchtlich niedriger als die ursprünglich geplante Erhöhung um 10,50 Pfund (12,60 Euro). 2022 war vereinbart worden, dass die Gebühr bis 2027 jährlich entsprechend der Inflationsrate steigt. Die Regierung erklärte nun, sie werde – anders als die konservative Vorgänger-Regierung von Premierminister Richi Sunak im Jahr 2023 – von einer jährlichen Inflationsrate ausgehen, nicht von einer monatlichen."

+++ Eine dreiteilige ARD-Dokumentation über das Onlinemagazin "Vice" wird von "SZ" (Abo) und dwdl.de besprochen. Warum es sie gibt? dwdl.de hat eine Vermutung: "Nach den Dokus über Echt und Viva hat die 'Vice-Story' jetzt ebenfalls das Zeug dazu, bei Millennials, der Zielgruppe von ARD Kultur, voll einzuschlagen." Und die "SZ" schreibt: "Ob eine männlich geprägte 'Hier darf man alles‘-Mentalität grundsätzlich eine schlechte Idee für ein Büro ist, wäre doch eine gute Frage für eine ARD-Dokumentation. Aber die möchte lieber nicht zu lange darüber nachdenken und zeigt noch ein paar Skater."

+++ Die "Süddeutsche" (Abo) schreibt über eine gegen hunderte Faktencheck-Redaktionen gerichtete "Operation Overload" getaufte Kampagne: "In der Regel sind Faktencheck-Redaktionen wie die von Correctiv darauf angewiesen, dass sich Menschen an sie wenden, um ihnen kursierende Behauptungen zur Überprüfung zu geben. Das nutzt diese neuartige Desinformationskampagne aus – indem sie die Faktenchecker mit Anfragen regelrecht fluten."

+++ Das Jahr neigt sich, Dinge gehen zu Ende. Zum Beispiel nach einem Vierteljahrhundert die Kolumne von Nobelpreisträger Paul Krugman in der heute hier ausnahmsweise überpräsenten "New York Times". Der Anfang der Abschlusskolumne im Original: "This is my final column for The New York Times, where I began publishing my opinions in January 2000. I'm retiring from The Times, not the world, so I'll still be expressing my views in other places."

Krugman hört also auf, schreibt aber anderswo weiter. Kann man machen nach 24 Jahren, die auch an der "New York Times" und ihrer Aura nicht spurlos vorbeigegangen sind. Thema der letzten Krugman-Kolumne sind der schleichend eingetretene Verlust jeglichen Optimismus und die Kakistokratie: die Herrschaft der am wenigsten zum Regieren geeigneten Leute.

+++ "Es ist noch gar nicht so lange her, dass Technologie-Milliardäre im ganzen politischen Spektrum bewundert wurden und einige von ihnen den Status von Volkshelden erreichten. Doch jetzt ist man angesichts einiger ihrer Produkte desillusioniert, und es kommt noch schlimmer: Australien hat sogar die Nutzung sozialer Medien durch Kinder unter 16 Jahren verboten". Schreibt Paul Krugman in seiner oben verlinkten Kolumne. (Siehe auch Altpapier.)

Gegen das australische Social-Media-Verbot für Kinder unter 16 argumentiert Christoph Kappes im "Freitag" (Abo), in dem es auch eine Pro-Position gibt, von Jeanette Deckers (Abo).

+++ Ich weiß doch auch nicht, woran es liegt: "Raab-Show fällt unter 200.000 Zuschauer pro Woche", meldet Horizont.net.

Am Donnerstag schreibt das Altpapier Ben Kutz.

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