Kolumne: Das Altpapier am 18. November 2024 Neue Staffel "House of Cards"
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18. November 2024, 09:50 Uhr
Das Medien-Drehbuch um das Ampel-Aus und die FDP wurde um eine Staffel weitergeschrieben. Währenddessen gaslighted Christian Lindner den deutschen Journalismus und auch in Österreich gehen Beziehungen kaputt. Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
"Zeit"-Erzählung vs. "SZ"-Text
Das mediale Polittheater, das immer mehr an die Netflix-Serie "House of Cards" erinnert, hat eine neue Staffel: Wie "Zeit" und "Süddeutsche Zeitung" am Freitag bzw. Samstag unabhängig voneinander berichteten, soll die FDP bereits vor dem Ampel-Aus genau dieses geplant haben (Operation "D-Day").
Interessant bei der Berichterstattung ist nicht nur der Inhalt, sondern auch, wie sich "SZ" und "Zeit" in ihrer Darstellungsform unterscheiden. Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte in der "Zeit" wie eine gewöhnliche Reportage in klassischer "Zeit"-Länge inklusive szenischem Einstieg in einer Villa in Potsdam.
Der Text in der "SZ" dagegen könnte nüchterner kaum sein – und hat dadurch eine Stärke mehr als die Geschichte der "Zeit": Zu Beginn wird deutlich klarer, dass es zwei Versionen der Ereignisse gab; bei der "Zeit" wird die erste Erzählung sehr rasch abgehandelt und sich im Storytelling vor allem auf die zweite konzentriert.
Dass sich szenische Darstellungsformen wie Reportagen oder Portraits nur bedingt bei Verdachtsberichterstattung eignen, ist der "SZ" anscheinend noch in Erinnerung, nachdem es an ihrer Erzählweise zum Fall Aiwanger Kritik gab (Altpapier).
Journalismus vs. Lindner
Vor allem sind die Recherchen von "Zeit" und "SZ" aber deswegen spannend, weil sie das belegen sollen, was vor einer Woche schon zumindest vermutet wurde: Dass Lindners Wirtschaftswende-Papier für die Öffentlichkeit geschrieben, Informationen absichtlich an die Presse durchgestochen und der Ampel-Bruch medial orchestriert wurde (Altpapier).
Heute wissen wir, dass Christian Lindner schlicht und einfach der "toxic boyfriend" des deutschen Journalismus zu sein scheint und allerhand Gaslighting betreibt, wenn Medien ihn nicht so bedingungslos lieben wie die "Bild" es tut.
Erst vor zwei Wochen antwortete Christian Lindner im "Spiegel"-Spitzengespräch auf die Frage, ob er es darauf anlege, von Olaf Scholz herausgeschmissen zu werden:
"Ich stehe für solche spielerischen Sachen – bei wirklich allem Verständnis für jede Frage – ungerne zur Verfügung, weil ich auch selber keine Freude daran habe. Wir sind in einer ernsten Situation in unserem Land und ich finde, dass es auch eine Aufgabe für den politischen Journalismus ist, die Ernsthaftigkeit durch Debatten zu begleiten, die argumentativ sind und nicht mit oberflächlichen Gerüchten von paar Leuten in Berlin Mitte, die sich nicht für Inhalte interessieren wollen, sondern solche Meta-Debatten führen."
Autsch, Ernsthaftigkeit der Debatten also. Das liest sich heute dann doch etwas anders.
Dann, eine Woche später, wieder die liebevolle Annäherung: Vermutlich ist es Lindner selbst, der die Nachricht der vorgeschlagenen Neuwahlen aus dem Koalitionsausschuss direkt an die "Bild" durchsticht.
Und nun, nach der Konfrontation mit den Rechercheergebnissen von "SZ" und "Zeit", spielt Lindner das maximale Wort-im-Mund-umdrehen-Spielchen: "Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?" (Deutschlandfunk).
X vs. Bluesky
Auch andere Beziehungen gehen gerade zu Bruch. Am Wochenende haben einige österreichische Journalisten unter dem Hashtag #eXit gesammelt die Plattform X verlassen. Die Begründung von zib2-Anchorman Armin Wolf auf seinem Blog liest sich tatsächlich wie der schmerzliche Abschied aus einer 16-jährigen Beziehung.
Gemeinsam mit ihm gegangen sind unter anderen Florian Klenk ("Falter"), Barbara Toth ("Falter") und Ingrid Brodnig ("Standard"), wie der österreichische "Standard" berichtete.
Der Trennungsgrund: Elon Musk, der die Plattform seit zwei Jahren weg von einem konstruktiven Diskurs hinein in den Abgrund führt. Das ist freilich nichts Neues und deshalb schon ein wenig verwunderlich, warum dieser Schritt erst jetzt kommt. Vermutlich brachte die Wahl Donald Trumps das Fass zum Überlaufen.
Seitdem, insbesondere aber seit dem vergangenen Wochenende, erlebt Bluesky sein stärkstes Wachstum seit seiner Gründung: Knapp 20 Millionen Menschen nutzen Bluesky nach aktuellem Stand. Auch sämtliche österreichische #eXit-Follower wechselten zu der Plattform des einstigen Twitter-Gründers Jack Dorsey, die sich ein bisschen so anfühle wie Twitter 2010 (Armin Wolf).
Das "Altpapier" ist übrigens schon seit über einem Jahr auf Bluesky. Folgen Sie uns da doch gerne mal rein :).
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Das Altpapier am Dienstag schreibt Ben Kutz.