Kolumne: Das Altpapier am 14. November 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Renè Martens
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 14. November 2024 Es war einmal Amerika

14. November 2024, 12:24 Uhr

In den USA schaffen Donald Trump und Elon Musk eine Oligarchie, deren Dimensionen sich Max Horkheimer wahrscheinlich nicht hätte ausmalen können. Der hiesige Trumpismus kam gerade in den öffentlichen Angriffen auf die Bundeswahlleiterin zu voller Blüte. Heute kommentiert René Martens die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren René Martens
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Die Verschmelzung von staatlicher und wirtschaftlicher Macht

Wir müssen heute zumindest ganz kurz mal über Alfred Hugenberg reden.

"Hugenberg würde heute einen Kurznachrichtendienst kaufen",

postete Jürgen Zimmerer, Historiker an der Uni Hamburg, am Mittwoch, inspiriert von den Ereignissen in den USA.

Wenn, wie es sich anbahnt, der Kurznachrichtdienstunternehmer Elon Musk zwar nicht offiziell (die Sprachregelung lautet, dass er als Co-Chef des "Department of Government Efficiency" eine beratende Tätigkeit ausüben wird), aber de facto Teil einer faschistischen Regierung wird - dann liegt es natürlich nicht fern, an den Medienunternehmer Hugenberg zu denken, der im Januar 1933 als Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung in Hitlers Kabinett eintrat. Hugenberg, und hier enden die Parallelen dann vielleicht, sah dies aber schon am allerersten Tag als großen Fehler an, und nach einem halben Jahr war seine Zeit im Kabinett dann vorbei.

Doch nun in die Gegenwart. Der Medienjournalist Oliver Darcy schreibt:

"Mit der Ernennung von Pete Hegseth zum Verteidigungsminister und der Ernennung von Elon Musk und Vivek Ramaswamy zur Kürzung der Staatsausgaben verschränkt Donald Trump die MAGA-Medien mit der Regierung."

Hegseth war als Moderator bei Fox News Teil der "MAGA-Medien", und zu Ramaswamy findet man bei Wikipedia folgende eindrucksvolle Passage, die einen in einen schwer zu definierenden Zustand zwischen LOL und OMG versetzt:

"2022 gründete er – unter anderem mit Kapital von Peter Thiel und J. D. Vance – die Investmentgesellschaft Strive Assets, er ist Ko-Vorsitzender des Board of Directors. Die Firma soll als Gegenentwurf zu anderen Investmentfirmen wie zum Beispiel BlackRock oder The Vanguard Group dienen, denen Ramaswamy vorwirft, zu sehr auf Umwelt-, Sozial- und Governancestandards (ESG) zu setzen und deshalb die Maximierung des Shareholder Values zu vernachlässigen."

Johanna Roth schreibt bei Zeit Online:

"Nun also wird Elon Musk, der Inbegriff des neuen amerikanischen Oligarchentums, eine zentrale Figur in Trumps Regierung – und bleibt, ebenso wie Ramaswamy, zugleich Unternehmer."

Geht das denn? Roland Lindner, FAZ-Wirtschaftskorrespondent in New York, schreibt dazu:

"Für eine als beratend beschriebene Aufgabe müsste Musk wohl (…) kein Genehmigungsverfahren im Senat durchlaufen. Die möglichen Interessenkonflikte werden freilich nicht allein durch eine formelle Auslagerung des Gremiums beseitigt. Die Verbraucherschutzgruppe Public Citizen, die sich nach eigener Darstellung für die Verteidigung der Demokratie einsetzt, beschrieb es als 'ultimative Korruption', Musk Autorität über staatliche Regulierung zu geben."

Der amerikanische Jurist und Journalist Seth Abramson sagt:

"The So-Called 'Department of Government Efficiency' Is An Immediate, Acute Constitutional Crisis".

Und die bereits zitierte Johanna Roth spricht von

"einer Demonstration der Macht, den Staat behandeln zu können wie ein marodes Unternehmen. Indem man ganze Teile einfach wegholzt, die man vorab für nicht profitabel genug oder sogar schädlich erklärt hat".

"These bros know", schreibt Carole Cadwalladr in einem "Guardian"-Text, der bereits erschien, bevor Trump verkündete, was Musk für ihn tun soll. Das Wort "Bros" bezog sich dabei auf Musk und andere Dunkelmänner (Zuckerberg, Thiel):

"Sie haben keine Angst mehr vor Journalisten. Die Journalisten werden jetzt lernen, sie zu fürchten. Denn das ist jetzt Oligarchie. Das ist die Verschmelzung von staatlicher und wirtschaftlicher Macht in einer herrschenden Elite. Es ist kein Zufall, dass Musk die Argumente des Kremls wiedergibt und mit Putin telefoniert. Das Chaos in Russland in den 90er Jahren ist die Vorlage; es werden Milliarden verdient, Menschen sterben, Verbrechen werden begangen."

Die von Cadwalladr beschriebene "Verschmelzung" findet nun in einem Ausmaß statt, die sich Max Horkheimer vermutlich nicht vorstellen konnte, als er über den 1939 niedergeschriebenen Satz "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen" nachdachte.

Vielleicht ein bisschen off topic, aber nur ein bisschen: Die dem "explanatory journalism" sich verpflichtet fühlende Plattform vox.com schlagzeilte bereits nach der ersten Wahl Trumps zum Präsidenten:

"Wenn man das Zeitalter von Trump verstehen will, muss man die Frankfurter Schule lesen."

Apropos "Trump verstehen": Marina Münkler, Professorin für Literaturwissenschaft an der TU Dresden, schreibt in einem Gastbeitrag fürs SZ-Feuilleton:

"Erst wenn man versteht, dass Donald Trump nicht zuallererst ein charismatischer Politiker ist, sondern ein perfektes Produkt der Plattformen, kann man die Konsequenzen seiner Wiederwahl erfassen: Das, worauf wir zugehen, ist die Plattformdemokratie, in der Wahlen nicht wie in Autokratien direkt manipuliert werden müssen, sondern in denen freie Wahlentscheidungen durch die Nutzerprofile der Internetplattformen erheblich beeinflusst werden können."

Dass wir darauf "zugehen", ist nach meinem Empfinden etwas zu zurückhaltend formuliert.

Die Autorin schreibt weiter:

"Mit der Entwicklung des Internets sind (…) unterschiedliche Dynamiken zusammengekommen, in deren Folge sich Möglichkeiten eröffnet haben, die am Anfang vermutlich nicht einmal von den Inhabern der Plattformen in Gänze vorhersehbar waren. Mittlerweile aber wissen sie sicherlich, welch machtvolles Instrument sie in Händen halten. Und sie wissen auch, dass es wohl niemanden mehr gibt, der es ihnen entwinden kann."

Verdammte Axt!

Wir müssen aber auch noch kurz auf den anderen für Trumps Team vorgesehenen Was-mit-Medien-Menschen eingehen. Der Ex-Soldat Pete Hegseth hat in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht, aus dem der Journalist Jeff Sharlet dankenswerterweise ausführlich zitiert, und in dem es unter anderem heißt:

"Die Antifa, Black Lives Matter, jetzt Hamas-Anhänger und andere progressive Sturmtruppen haben ihr Bestes getan, um kleine Samarras (die irakische Stadt, in der ich eingesetzt war) im Zentrum von Städten wie Portland, Chicago, Minneapolis, Seattle und San Francisco zu schaffen."

Wäre Hegseth in der AfD, würde er bei zumindest einigen wenigen Mitgliedern vielleicht als durchgeknallt gelten.

Nachdem Trump bekannt gegeben hatte, dass er Hegseth als Verteidigungsminister vorsieht, kursierte dieses Video eines Axtwurfs. Hegseth ist hier zu sehen, wie ihm in seiner Eigenschaft als Fox-Mann ein Wurf derart misslingt, dass die Axt einen in der Nähe stehenden Musiker trifft. Natürlich kann man argumentieren: Was sagt denn so ein Video aus über die Eignung des Werfers für ein Ministeramt? So einiges, würde ich sagen.

Dümmliche Umfragen im TV, unseriöse bei "Bild"

Aus Reden im Bundestag zu zitieren, gehört zwar nicht zum Altpapier-Kerngeschäft, aber angesichts dessen, wie gut dort die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek am Mittwoch die Entwicklung der vergangenen Tage auf den Punkt gebracht hat, bietet es sich an, es heute zu tun:

"Eine Woche haben wir über nichts anderes geredet. Sieben Tage verschwendet für das Ego eines Möchtegernkanzlers!"

Für diese Zeitverschwendung sind wir "Mediendeppen" - um mal eine Wortschöpfung aus einem Fehlfarben-Text ("Hygieneporzellan") zu zitieren - ja nun mindestens mitverantwortlich. So ergingen sich "viele Sender" in "dümmlichen Umfragen, ob früher oder später gewählt werden soll", wie es Johanna Henkel-Waidhofer in einem Rückblick auf die "Debatte" bei "Kontext" beschreibt.

Reichinnek geht in ihrer Rede auch kurz auf den christdemokratischen Trumpismus ein, der in den Angriffen auf die Bundeswahlleiterin zu voller Blüte kam. Interessant: Die Linken-Politikerin sieht diese Entwicklung ähnlich wie einer, der laut eigener Beschreibung die CDU "fast immer wählte, manchmal beriet" und ihr, "die JU mitgerechnet, 29 Jahre angehörte". Die Rede ist von dem Politikwissenschaftler und Publizisten Andreas Püttmann. "Kontext" zitiert ihn in dem bereits erwähnten Beitrag jedenfalls mit folgenden Worten:

"Dass vor Mitte Februar eh nix geht, war doch klar. Und jede unfundierte Empörungswelle dieser Art beschädigt, synchronisiert mit rechtsradikalen Hetzmedien, weiter die Legitimitätsressourcen unserer Demokratie."

Diese Beschädigung ist aber kein Bug, sie ist ein Feature. Das wiederum sieht Püttmann wahrscheinlich anders.

Wie es um die "Legitimitätsressourcen unserer Demokratie" bestellt ist, darüber geben auch die aktuellen Ergebnisse der seit 2002 erstellten und im Altpapier schon mal vorgekommenen Leipziger Autoritarismus-Studie Aufschluss. Unter anderem der "Spiegel" (mit dpa) und die taz gehen darauf ein. Letztere schreibt:

"Zwar befürworten laut Studie rund 90 Prozent die 'Idee der Demokratie', doch nur rund 42 Prozent sind mit der Alltagsdemokratie zufrieden. In Ostdeutschland sind es sogar nur rund 30 Prozent. Das sei ein massiver Rückgang, so Studienleiter Oliver Decker. 'Diese Unzufriedenheit macht sich dann in einer Personalisierung von gesellschaftlichen Konflikten bemerkbar, in dem sie Politiker:innen angelastet werden.'"

Da von "dümmlichen Umfragen" heute schon die Rede war, gehen wir auch gern noch auf "Deutschlands unseriösestes Politikerranking" ein, das das Institut Insa "jede Woche für die 'Bild'-Zeitung erstellt und 'die beliebtesten Politiker' zeigen soll". So formuliert es Stefan Niggemeier in einem Artikel für "Übermedien". Er schreibt weiter:

"Es ist von den vielen zweifelhaften Umfragen, mit denen sich Medien ununterbrochen beschäftigen, eine der zweifelhaftesten – sowohl was die Methodik angeht als auch die Darstellung der Ergebnisse. Wie die Werte für die einzelnen Politiker zustande kommen, erklärt 'Bild' grundsätzlich nicht. 'Bild’ veröffentlicht einfach eine Grafik, in der Boris Pistorius aktuell zum Beispiel 53,1 hat, Markus Söder 47,5 und Olaf Scholz 32,7. 'Bild' sagt nicht, wie viele Menschen gefragt wurden, um diese Zahlen zu ermitteln, vor allem aber sagt 'Bild' nicht, was diese Menschen überhaupt gefragt wurden."

Vor allem ist das Ganze so designt, dass man den falschen Eindruck bekommt, es handle sich bei den 53,1 für Pistorius um eine Prozentzahl. Spoiler: Ein Hauptstadtjournalist - Ist das mittlerweile eigentlich eine justiziable Bezeichnung? - bekommt in dem Artikel auch einen mit.

Bauers Revolution

Die Bauer Media Publishing Germany ist nicht mehr allzu oft Thema in dieser Kolumne, und das könnte dazu beigetragen haben, dass ich beim Schreiben der Altpapier-Kolumne am Mittwoch zwei Meldungen zu künftigen Entwicklungen des Unternehmens übersehen habe. Man werde "das Magazinmachen in unserem Haus revolutionieren", verkündet der CEO Ingo Klinge, und weiter verbreiten tut’s kress.de. Entstehen soll eine "Super-Redaktion" - die Formulierung verwenden sowohl kress.de als auch meedia.de - bzw. laut dem revolutionsbegeisterten CEO eine "segment- und markenübergreifende Redaktion".

Es ist zwar seit Jahren üblich, dass in großen Verlagen eine Redaktion sämtliche Inhalte sämtlicher Titel eines Segments produziert (also zum Beispiel für alle TV- oder Frauen-Zeitschriften eines Hauses). Bei Bauer soll nun aber eine Redaktion tatsächlich alles befüllen, also unter anderem "TV Movie", "Cosmopolitan" und "Lecker".

Bauer hat seinen Stammsitz in Hamburg, und um die Tragweite der nun verkündeten Planungen zu umreißen, könnte man sich fragen, wie wahrscheinlich es wäre, dass der dort ebenfalls ansässige Mischkonzern Unilever seine Abteilungen für die Herstellung von Waschmitteln und Marmelade zusammenlegt.


Altpapierkorb (der "Guardian" verlässt X; die sozial-mediale Kompetenz der AfD ist vielleicht doch nicht so groß; TikToks Jugendschutz bleibt tendenziell miserabel; eine russlandfreundliche österreichische Plattform ist jetzt zur Hälfte in deutscher Hand; bei Springers Betriebsversammlung blieb die Katze noch im Sack)

+++ "Die Nutzer fliehen in Scharen vor Elon Musks toxischem X", berichtet u.v.a. der weiter oben bereits erwähnte Oliver Darcy in seinem "Status"-Newsletter. Zu den Fliehenden gehört der "Guardian", der seine 80 Accounts bei X nicht mehr nutzen, sie aber "zumindest noch nicht" ("Nieman Lab") löschen will. Vom generellen "Xodus" profitiert vor allem Bluesky. Dort meldeten sich im Verlauf der vergangenen Woche 1,5 Millionen Nutzer neu an (siehe erneut "Status").

+++ Während zwei Sozialwissenschaftler der Berliner Humboldt-Uni in der November-Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik" mit den allerdringlichsten Worten an "die demokratischen Parteien" appellieren, ihre Online-Strategie fundamental zu verändern, um der Vormachtstellung der AfD in den sozialen Medien etwas entgegen zu setzen (siehe die ausführliche Texterwähnung in diesem Altpapier), ist der Tonfall eines am kommenden Montag erscheinenden Arbeitspapiers der Otto-Brenner-Stiftung offenbar ein etwas anderer. In der vorab veröffentlichten Pressemitteilung heißt es, "dass die AfD weit weniger Social-Media-Partei ist, als häufig kolportiert. Es gelte die Gefahren des neu- und extrem-rechten Medienkosmos ernst zu nehmen, ohne die strategisch-kommunikativen Fähigkeiten der AfD zu überhöhen".

+++ Die TikTok-Aktivitäten der AfD hat sich Uwe Ebbinghaus fürs FAZ-Feuilleton angeschaut: Die "propagandistische Überwältigung (…), die gepaart ist mit Happening-Elementen der rechtsextremen Identitären Bewegung" habe "selbst die für ihren miserablen Jugendschutz berüchtigte Plattform dazu veranlasst, zahlreiche AfD-Konten wegen Verstößen gegen die Community-Richtlinien, die Hass- und Hetzreden verbieten, in der Reichweite zurückzustufen, einiges soll auch gesperrt worden sein. Gebracht hat es nichts, die bekannten Köpfe sind immer noch omnipräsent".

+++ Einen Blick auf die Medienseite der "Süddeutschen" sollte heute werfen, wer wissen möchte, inwiefern "Exxpress", ein "Russland-freundlichen Online-Medium" aus Österreich jetzt "zur Hälfte in deutscher Hand" bzw. "Julian Reichelt der starke Mann bei der Putin- und FPÖ-freundlichen Krawallplattform" ist.

+++ Als Augur in Sachen Springer tritt Steffen Grimberg in seiner taz-Kolumne auf. Die Devise des Konzerns laute: "Aus 'Welt', 'Politico' und 'Business Insider' mach eins" - und zwar unter Führung von "Politico". Grimberg erläutert: "Die anderen machen als Hülle weiter, übernehmen ein paar Inhalte und der Rest darf gehen. Vor allem vom Personal". Jedoch: "Bei der Betriebsversammlung am Dienstag, bei der viele schon mit dem Schlimmsten gerechnet hatten, blieb die Katze noch im Sack."

Das Altpapier am Freitag schreibt Ralf Heimann.

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