Kolumne: Das Altpapier am 25. Oktober 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Ben Kutz 4 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 25. Oktober 2024 "Denksportaufgabe" Rundfunkreform

25. Oktober 2024, 10:11 Uhr

Noch bis heute Abend diskutieren die Ministerpräsidentinnen- und präsidenten über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Spruchreif ist noch gar nichts, dafür gibt es viele Munkeleien. Außerdem im Altpapier: Die "Süddeutsche" stampft zahlreiche Lokalredaktionen ein und Stefan Raab kopiert sich mal wieder selbst. Heute kommentiert Ben Kutz die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Ben Kutz
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Ministerpräsidentenkonferenz: Was man so munkelt

Noch bis heute Abend treffen sich in Leipzig die Ministerpräsidentinnen- und präsidenten der Länder. Neben der Asylpolitik steht vor allem ein Klopper auf der Tagesordnung: Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Selten hat Mediendeutschland wohl mit so viel Spannung auf die Tagung der 16 höchsten Landespolitiker geschaut. Die Frage könnte nicht größer sein: Wie ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft aufgestellt?

Ob wir auf diese Frage heute Abend eine Antwort bekommen, ist noch keineswegs sicher. "Einigung über Rundfunkfinanzierung offen", heißt es bei deutschlandfunk.de, "Schnelle Lösung zeichnet sich nicht ab", meldet der MDR. Es herrsche zwar "sehr großes Einvernehmen", dass man eine Reform brauche, zitieren die Kollegen den Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Das Thema Beitragserhöhung könne allerdings noch zum Knackpunkt werden. Oder um seine schönen Worte herzunehmen, die die "Zeit" zitiert:

"Wie wir da eine kluge gemeinsame Position finden können, das ist schon eine echte Denksportaufgabe."

Auch die Landeschefs Kretschmann (BaWü) und Bovenschulte (Bremen) bestätigen, dass die Meinungen bei dem Thema stark auseinander gehen. Anke Rehlinger (Saarland) bekräftigte nochmal ihre Forderung, dass man eine "auskömmliche Finanzierung des Rundfunks" brauche. Auch Winfried Kretschmann hatte sich gestern nochmal für eine Erhöhung ausgesprochen, wie die "F.A.Z." meldet. Es gehe nur um 58 Cent im Monat oder sieben Euro im Jahr, sagte er. Diese Erhöhung halte er "für maßvoll".

Das sehen nicht alle so (wieder MDR):

"CSU-Chef Söder und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lehnen die Erhöhung jedoch ab. MPK-Gastgeber Kretschmer sagte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk genieße sehr viel Vertrauen: 'Die einzige Frage ist: Was kostet er?' Der CDU-Politiker ergänzte: 'Deswegen müssen wir an dieser Front etwas begradigen.'

Vor der MPK hatte sich angedeutet, dass die Beitragserhöhung zum Knackpunkt werden und die Reform sogar gefährden könnte. Schon vor zwei Wochen hat der Hamburger Mediensenator Carsten Brosda ein viel beachtetes Interview gegeben (Altpapier). Der Tenor: Entweder kommen Beitragserhöhung und Reformen oder gar nichts.

Eben dieser Carsten Brosda hat heute pünktlich zum Beginn der MPK nochmal nachgelegt. Im Interview mit t-online.de sagte er, man müsse jemandem, "der einen klaren und wichtigen Auftrag hat, auch die Mittel dazu geben". Und weiter:

"Ich kann im Theater auch nicht Mitte November sagen: 'Ab 1.1. habt ihr weniger Geld', wenn der Spielplan schon steht und die Tickets gekauft sind. Nur Geld rauszuziehen, führt dazu, dass die Rechnung nicht mehr aufgeht. Die Gefahr droht auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Irgendwann sind die Rücklagen weg und dann müsste der Beitrag später ja sogar noch stärker steigen. Auch um das beherrschbar zu halten, brauchen wir ein neues Verfahren."

Brosdas Vorschlag: dem ÖRR zwei unterschiedliche Budgets zuzuteilen. Eines für die Produktion von Inhalten, ein zweites für deren Ver­breitung. Brosda würde es den Sendern über­lassen, ob sie das Geld im klassischen TV oder Online ein­setzen.

Zumindest erste Einigungen sollen die Landeschefs schon getroffen haben, schreibt "epd Medien":

"Der sächsische Medienminister Clemens sagte, es gebe bereits eine Einigung darüber, dass 20 Hörfunksender aus dem Angebot gestrichen werden sollen. Bei den Intendantengehältern solle es eine Orientierung am öffentlichen Dienst geben. "Damit wäre das Gehalt des Bundeskanzlers die oberste Messlatte", sagte der CDU-Politiker. Auch was die Sportrechte anbelangt, sei er sehr optimistisch, dass die Ausgaben gemessen am Gesamtaufwand für die Programme nicht weiter steigen."

Alles weitere: noch völlig offen. Ich bin wirklich gespannt, ob die Länderchefs heute tatsächlich mit einer Lösung vor die Kameras treten. Die Stimmen zahlreicher MPs, wie schwierig das alles wäre, wirken jedenfalls nicht wie das beste Omen.

Ministerpräsidentenkonferenz: Was man so kommentiert

Wie bedeutsam die aktuelle MPK ist, kann man auch an den zahlreichen Kommentierungen ablesen. Im Vorfeld und auch gestern nach Beginn der Konferenz sind nochmal zahlreiche Meinungsstücke bzw. Forderungen an die Länderchefs erschienen. (Neben dem, was schon alles im Äther ist, siehe dazu ungefähr jedes Altpapier des vergangenen Monats.)

Für "Meedia" kritisiert Medienberater Bertold Heil, dass den Politikerinnen und Politikern ein strategisches Ziel fehle. Die Zukunftskommission habe versäumt, dieses klar zu formulieren. Daher konzentriere sich die Diskussion "einseitig auf Einsparungen, Organisationsentwicklung und Synergien". Und weiter:

"Ausgerechnet bei den Inhalten anzusetzen, ist kaum geeignet, breite Akzeptanz für die ÖRR-Angebote zu erhalten. [...] Wie soll die ARD Kosten sparen, wenn nicht klar ist, welche Infrastrukturen auf Dauer notwendig sind? Die Medienpolitik muss die Freiräume schaffen und darf sich nicht von wahltaktischen Kalkülen leiten lassen."

Arg apokalyptisch titelt ein "Welt"-Kommentar. "Endspiel für ARD und ZDF", heißt es da. In dem Duktus geht es weiter: "Wer an allem festhalten will, könnte irgendwann alles verlieren", schreibt Medienredakteur Christian Meier.

Das Verdi-Medienmagazin kritisiert, dass man laut dem Reformentwurf den "Rotstift beim Kinderfernsehen" ansetzen will. "Kinder brauchen ein kuratiertes Programm", heißt es im Artikel unter anderem. Über eine Abschultung linearer Programme zu reden, sei erst dann sachgerecht, wenn "die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt".

Am Rande der Konferenz gab es auch eine Demo in Form einer Mahnwache, um vor ÖRR-Kürzungen zu warnen ("Leipziger Volkszeitung"). Initiatorin ist Fernsehproduzentin und Journalistin Katja Riha, die auch die Petition zur Rettung von "3sat" gestartet hat (Altpapier). Die Petition hat mittlerweile über 150.000 Unterschriften.

Auch die Europäische Rundfunkkommission (EBU) hat sich gestern noch zu Wort gemeldet, schreibt die "Zeit". Besonders den Plan, öffentlich-rechtliche Texte im Internet zu beschränken (Stichwort: Presseähnlichkeit, Altpapier), kritisiert die EBU.

Am Rande der Medientage München haben sich auch Privatsender-Vertreter zur Rundfunkreform geäußert. Das hört sich teilweise überraschend wohlwollend an. So outete sich ProSiebenSat.1-Vorstand Markus Breitenecker als bekennender ÖRR-Fan, wie "DWDL" schreibt:

"Wenn es die Öffentlich-Rechtlichen nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Zu denken, dass es gut für die Privaten ist, wenn ARD und ZDF beschnitten werden, ist ein altes Denken. Man muss echte Kooperationen schaffen, auf verschiedenen Feldern zusammenarbeiten und Inhalte austauschen. Das bringt uns insgesamt im Kampf um ein lebendiges, heimisches, vielfältiges Mediensystem weiter als alte Scharmützel aus der Vergangenheit."

Ich finde es wahnsinnig erfrischend, auch von Wettbewerbern des öffentlich-rechtlichen Systems mal solch versöhnlichen Töne zu hören. Nach meinem Gefühl sind die bis auf wenige Ausnahmen (wie das Interview von "Zeit"-Geschäftsführer Esser bei "DLF Kultur") in den letzten Wochen deutlich zu kurz gekommen.

"Süddeutsche ohne Süddeutschland?"

Auch wenn man in diesen Tagen einen anderen Eindruck bekommen kann: Es gibt tatsächlich auch noch andere Medienthemen als die ÖRR-Reform. Auch wenn sie nach meinem Geschmack ruhig erfreulicher sein könnten.

Gestern hat der "Medieninsider" gemeldet, dass die "Süddeutsche Zeitung" massiv Stellen kürzt und Lokalredaktionen dichtmacht. Und das, obwohl Verlagsgeschäftsführer Christian Wegner noch vor wenigen Monaten beteuerte, dass es kein Sparprogramm geben werde. Besonders spannend ist das Framing, das die Geschäftsführung dem Vorgang gibt. Die Kürzungspläne seien eine "Weiterentwicklung des lokalen Angebots". Klar, faktisch falsch ist das nicht. Aber selbst für typisches Business-Euphemismus-Blabla ist das schon besonders frech.

Lust auf noch mehr Frechheiten? Die liefert das Verdi-Medienmagazin:

"Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. [...] In der Einladung zur außerordentlichen Konferenz war noch die Rede davon, man wolle den 'publizistischen Kompass für die Landkreisredaktionen neu ausrichten', unter anderem, um 'die Zukunft des Journalismus in der Redaktion langfristig zu sichern'."

Bei diesen Sätzen muss ich spontan an die Altkanzlerin denken, die gern parteiinternen Gegnern ihr "volles Vertrauen" ausgesprochen hat. Nach diesem Satz musste man nie lange warten, bis die entsprechenden Politiker weg vom Fenster waren. Ich hoffe jedenfalls inständig, dass der Süddeutsche Verlag niemals versucht, meine Zukunft langfristig zu sichern.

Unter der treffenden Überschrift "Süddeutsche ohne Süddeutschland?" fasst der Verdi-Artikel auch zusammen, wie massiv die Kürzungen sind. Die Landkreisausgaben in Freising/Erding, Fürstenfeldbruck, Dachau, Wolfratshausen und Ebersberg werden allesamt eingestellt. Berichte aus diesen Regionen sollen künftig nur noch Platz im "SZ"-München- bzw. Bayernteil finden. Gesamtumfang: Zwei Seiten, nur die Lokalausgaben in Starnberg und im Landkreis München bleiben zunächst eigenständig erhalten.

Verdi sorgt sich um die Pressevielfalt in der Region. "Gerade vor dem Hintergrund von Angriffen auf unsere Demokratie und der gezielten Verbreitung von Falschinformationen wäre es der gesellschaftliche Auftrag der Süddeutschen Zeitung, ihre Präsenz im ländlichen Raum nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern sogar auszubauen", wird die bayerische Landesbezirksleiterin Luise Klemens zitiert.

Auch die publizistische Qualität der überregionalen Ausgabe könnte leiden. "Nicht ohne Grund kam der Nachwuchs in allen SZ-Redaktionen oft aus der Region." Immerhin will die "SZ" auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten, wie die dpa meldet.

Das macht mich schon sehr nachdenklich und traurig, dass selbst ein journalistisches Flaggschiff wie die "SZ" so massive Sparzwänge hat. Oder in den Worten von Stefan Niggemeier bei X: "Diese Abwärtsspirale ist so bitter."

Raab kopiert sich weiter selbst

 RTL hat eine weitere Show mit dem TV-Metzger angekündigt: Eine Spielshow gemeinsam mit Michael "Bully" Herbig. Titel: „Stefan und Bully gegen irgendson schnulli". Im neuen Raab-RTL-Universum scheint man ein Fabel für unnötig lange Showtitel zu haben.

RTL beschreibt das Konzept so:

"Bei „Stefan und Bully gegen irgendson schnulli" treten die beiden gegen den Kandidaten an, der es zu Beginn der Show schafft, drei Mitbewerber zu besiegen. Wer schafft es, im Wettstreit gegen die ehrgeizigen TV-Stars zu bestehen? Ihre Gegner sind Handwerker, Ärzte, Studenten, Lehrer oder Juristen - jeder hat die Chance, sich zu bewerben."

Den Raabinator in Quiz- und Spielrunden besiegen und am Ende Kohle gewinnen. Da war doch was… Das klingt so, als würde sich Raab weiter selbst kopieren, denn die Nähe zum Alltime-Klassiker "Schlag den Raab" liegt auf der Hand, wie auch kress.de schreibt. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass hinterm Kommentatorenmikro mit Frank Buschmann kein Unbekannter sitzt. Er kommentierte schon für "Schlag den Raab".

Besonders lustig an der Konzept-Aufwärmerei finde ich, dass ja auch schon die zweite Hälfte einer jeden "Du gewinnst hier nicht die Million"-Ausgabe im Grunde nichts anderes ist als "Schlag den Raab" in kürzer.

Ich weiß immer noch nicht, was ich von der Meldung halten soll. Grundsätzlich ist das Konzept von "Schlag den Raab" zeitlos und als riesiger Fan der einstigen Show werde ich auch in das neue Werk sicher mal reinschauen. Auf der anderen Seite bin ich von der scheinbaren Kreativlosigkeit Raabs ein bisschen enttäuscht. Als Comeback die Drittauflage eines alten Boxkampfs, als wöchentliche Show ein Mix aus "TV Total" und "Schlag den Raab" und jetzt noch ein "Schlag den Raab"-Abklatsch. Kommt da echt nichts neues mehr?

Aber bisher jedenfalls scheint das Kalkül aufzugehen. Wie eigentlich bei allen Raab-Ankündigungen der vergangenen Monate haben auch diesmal zahlreiche Medien darüber berichtet.


Altpapierkorb (Tagesschau-Eigenwerbung, Meistzitierte Medien, Netzkultur im Wahlkampf, Die Gehälter der ÖRR-Intendanten)

+++ Nochmal ÖRR-Reform, big sorry! Aber die Diskussion, wie weit die Tagesschau für sich selbst werben darf, ist zumindest noch eine Erwähnung wert. Die Social-Media-Aktion der Tagesschau war hier gestern schon Thema. Die "Tagesschau" hat auf ihren Social-Media-Kanälen demonstriert, was alles wegfallen würde, wenn die neuen Regeln kommen. Auch in der 20-Uhr-Ausgabe (ab 11:58) wies Susanne Daubner nochmal auf die Aktion hin. Für viele Beobachter war das wohl zu viel des Guten. "Ist das beitragsfinanzierte PR?", fragt die "SZ", "'Tagesschau' macht Stimmung in eigener Sache", schreibt die "Welt".

+++ Welche Medien werden von anderen Medien am häufigsten zitiert? Kress.de präsentiert ein spannendes Ranking. Auf Platz 1 liegt unangefochten die "Bild", danach kommen "Spiegel" und "Handelsblatt".

+++ Um "Netzkultur im Wahlkampf" ging es gestern auf der "taz"-Medienseite. Im Interview erzählt Kommunikationswissenschaftler Michael Johann, warum Memes in den USA deutlich besser funktionieren als hierzulande.

+++ Die ARD hat die Gehälter ihrer Spitzenmanager veröffentlicht, wie unter anderem kress.de meldet. Der bestbezahlte Senderchef war 2023 erneut WDR-Intendant Tom Buhrow (413.100 Euro). Wie er damit im Vergleich zu anderen "deutschsprachigen Öffi-Intendanten" steht, fasst "Der Standard" zusammen.

Das Altpapier am Montag schreibt René Martens.

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