Kolumne: Das Altpapier am 5. September 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Ralf Heimann 5 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
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Beim RBB geht’s wieder mal drunter und drüber. Der Verwaltungsrat ist mit sich selbst beschäftigt. Und das soll offenbar auch so bleiben.

Do 05.09.2024 12:01Uhr 04:44 min

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Kolumne: Das Altpapier am 5. September 2024 Drama beim verrücktesten Sender der Welt

05. September 2024, 10:58 Uhr

Beim RBB geht’s wieder mal drunter und drüber. Der Verwaltungsrat ist mit sich selbst beschäftigt. Und das soll offenbar auch so bleiben. Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier Autoren Ralf Heimann
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Selbstzerlegung oder Findung?

Der RBB-Verwaltungsrat hat einen neuen Vorsitzenden gewählt, nur einen Tag nach dem Rücktritt des alten (Altpapier). Der Neue heißt Wolfgang Krüger, ist 74 Jahre alt, war früher Journalist, später Staatssekretär, ist heute Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus. Und – nicht ganz unwesentlich in diesem Fall – er wurde einstimmig gewählt.

Das ist deshalb erwähnenswert, weil Krügers Vorgänger Benjamin Ehlers nach einem Zerwürfnis mit seiner Stellvertreterin Dagmar Tille zurückgetreten war, was zu dem Eindruck führte, dass die Einstimmigkeitsvorkommen im Verwaltungsrat weitgehend aufgebraucht sind. Claudia Tieschky erklärt für die "Süddeutsche Zeitung" süffisant die Hintergründe (Titel: "Wieder Drama beim RBB"):

"Je nach Blickwinkel lässt es sich entweder als neuer Selbstzerlegungsprozess im verrücktesten Sender der Welt deuten – oder als kathartischer Findungsprozess auf dem Weg zur funktionierenden Kontrolle eines öffentlich-rechtlichen Senders."

Fangen wir vielleicht zuerst damit an, worum es überhaupt ging. Das war gestern noch nicht ganz klar.

Im Selbstzerlegungsprozess beim verrücktesten Sender der Welt ging es um einen Termin für eine Telefonkonferenz, der kurzfristig in der Urlaubszeit angesetzt wurde; daher waren nicht alle dabei, und das brachte alles zum Explodieren. Im kathartischen Findungsprozess gab es Differenzen darüber, wie hoch der Verwaltungsrat die Latte hängen muss, wenn es um Compliance-Regeln geht.

Auslöser war ein je nach Sichtweise großer, kleiner oder nicht vorhandener Interessenkonflikt der Verwaltungsrätin Juliane Schütt. Ihr Ehemann, hauptberuflich Hauptstadtkorrespondent einer Zeitung, ist nebenbei freier Kolumnist für das RBB-Kulturradio "Radio 3" und bekommt dafür ein übliches Honorar. Das mögliche Problem ist: Juliane Schütt könnte als Verwaltungsrätin Entscheidungen treffen, die seinen Nebenjob betreffen.

Schütt sagt, die Beschäftigung ihres Mannes sei so geringfügig, dass er keinen Arbeitnehmerstatus habe.

Und dann – das wird auch angeführt – ist noch bekannt geworden, dass Schütt aus einem früheren Job freundschaftliche Verbindungen zur neuen Programmchefin Katharina Günther hat. Schütt sagt laut Tieschky, man sehe sich "gelegentlich zu runden Geburtstagen", das halte sie für "sozialadäquat" und nicht für eine Interessenskollision.

Der Berliner Streisand-Effekt

Im Verwaltungsrat sah man ebenfalls keinen Compliance-Fall und damit keinen Grund, Schütt von ihrer Arbeit auszuschließen. Laut seiner Stellvertreterin sah nur Benjamin Ehlers das etwas anders.

Aus seiner Perspektive stellte sich die Frage: Ist der Verwaltungsrat angesichts dieser Verbindung so unabhängig und integer, wie er sein sollte? Und spätestens, wenn sich aus egal welcher Perspektive diese Frage stellt, ist der Eindruck entstanden, dass er es nicht sein könnte.

Dann ist es wie in einem Streit um eine kleine Sache, die sich schnell aus der Welt räumen lässt, so glaubt man, wenn man alles erklärt. Doch mit jeder weiteren Erklärung wird alles noch größer.

Mehrere Menschen kämpften für verschiedene Dinge. Ehlers dafür, nach der Schlesinger-Sache alles anders zu machen. Schütt gegen den Eindruck, sie sei nicht integer. Der Rundfunkratsvorsitzende Oliver Bürgel kämpfte dafür, dass der Sender möglichst sauber bleibt. Er forderte Schütt auf, ihr Amt bis zur Klärung ruhen zu lassen.

Der Verwaltungsrat selbst kämpfte schließlich mit einer "rechtsgutachterlichen Stellungnahme" für Juliane Schütt. Doch das wirkte, so Tieschky, "im besten Fall nicht so klug", denn der Ausgangspunkt der ganzen Misere war schließlich

"ein gegen den Rundfunkrat abgeschotteter Verwaltungsrat, der das unanständige Bonussystem für die RBB-Chefs in Verträge packte".

Im Rückblick war es wie beim Streisand-Effekt, wo der ungeschickte Versuch, ein Problem wieder kleiner zu machen, es exponentiell wachsen lässt.

Zur Terminierung der Telefonkonferenz, die dann folgte und Auslöser von Ehlers’ Rücktritt war, gibt es laut Tieschky mindestens zwei Versionen.

Die eine ist die der stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden Dagmar Tille, die sagt, es sei klar gewesen, dass der Rundfunkrat eine Sondersitzung zum Fall Schütt plante. Der Rundfunkrat kann Mitglieder des Verwaltungsrats "aus wichtigem Grund" abberufen. Daher habe man kurzfristig, während Ehlers im Urlaub war, eine Sondersitzung einberufen, um den Fall Schütt zu besprechen.

Ehlers vermutet – das ist die zweite Version –, die Sitzung fand während seines Urlaubs statt, damit er nicht teilnehmen konnte. Und hier könnte man das Ganze noch weiterführen. Ehlers sagt, er habe betont, er wolle erreichbar sein. Tille sagt, er hätte ja per Telefon teilnehmen können.

Ehlers schrieb später in seinem Rücktrittsbrief laut Tieschky den nun nicht gerade deeskalierenden Satz: "Es erinnert an Zeiten des RBB, die eigentlich Vergangenheit sein sollten." Tille sagt, wie oben schon erwähnt, die Meinung von Ehlers sei eine "Einzelposition im Verwaltungsrat".

Ein zartes Zeichen von Einigkeit

Vermutlich sind die Details nicht so wichtig, wichtig ist nur: Persönliche Machtkämpfe waren am Ende wohl entscheidender als die Überzeugung, dass es für den Sender verheerend ist, wenn die Gremien nach außen den Eindruck vermitteln, sie seien tief gespalten und weiterhin vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Zu dieser Überzeugung hätte es im Verlauf irgendwann kommen müssen. Dazu hätte auch die Einsicht gehört, dass es ganz egal ist, ob Interessenkonflikte tatsächlich vorhanden sind.

Fatal ist die Uneinigkeit über die Frage, ob es zu ihnen kommen könnte. Wenn sich so etwas nicht schnell und lautlos beseitigen lässt, rückt die Frage nach den Interessenkonflikten selbst in den Hintergrund. Am Ende geht es nur noch um den Eindruck, den das Gremium über seinen Zustand und seine Arbeitsfähigkeit vermittelt.

Dann stellt sich die Frage: Geht es hier wirklich noch um die Integrität des Verwaltungsrats? Oder geht es vor allem um die Personen selbst?

Man kann den Wunsch verstehen, Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, wenn man sie für ungerechtfertigt hält und womöglich sogar eine Kampagne wittert. Das war hier anscheinend so. Juliane Schütt sagt laut Claudia Tieschky, ihr werde anderthalb Jahre nach ihrer Wahl unlauteres Verhalten vorgeworfen. Wörtlich:

"Mein Privatleben wird öffentlich diskutiert. Es drängt sich die Frage auf: Warum, wem nützt es?"

Spätestens das wäre der Punkt, an dem man verstehen müsste: Man ist, wie auch immer, in etwas hineingeraten, das den Eindruck von Intrigen und Machtkämpfen verbreitet und daher dem Sender schadet. Es wäre klug gewesen, wenn Juliane Schütt ihr Amt hätte ruhen lassen.

So hängen nun alle im verrückten RBB-Strudel. Schütt kämpft um ihre Integrität. Ehlers fühlt sich persönlich düpiert. Tille wehrt sich gegen den Vorwurf einer Intrige. Alle kämpfen für ihr eigenes Anliegen, alle auf Kosten des Senders.

Dass der neue Verwaltungsratschef einstimmig gewählt worden ist, ist immerhin ein zartes Zeichen von Einigkeit.

Ehlers ist nicht mehr Vorsitzender, aber weiter Mitglied. Und auch da kann man fragen: Ist das jetzt wirklich so gut? Wenn da jetzt einer sitzt, der ein anderes Mitglied für nicht tragbar hält, und zwei, die über eine Intrige streiten, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Verwaltungsrat sich wieder mit seinen eigenen Befindlichkeiten ins Gespräch bringt.

Daher gibt es im Grunde nur zwei Lösungen: Die beteiligten Personen machen auf irgendeine Weise deutlich, dass die Ränkespiele im Hintergrund beigelegt sind. Oder sie ziehen sich zurück.

Timo Niemeier erinnert in einem Beitrag für "DWDL" an der letzten Auseinandersetzung, an der Ehlers beteiligt war. Vor der Intendantenwahl im vergangenen Jahr hatte sein Verhalten während des Bewerbungsverfahrens für Kritik gesorgt. Man warf ihm vor, eigenmächtig und unerwartet eine Gehaltsobergrenze für die Position eingeführt zu haben, ohne dies mit den anderen Mitgliedern des Gremiums abzustimmen.

Bei den Personalvertretern und in der Findungskommission sah man darin ein unprofessionelles und unkoordiniertes Verhalten, das den Entscheidungsprozess untergräbt. Man kritisierte Ehlers’ Amtsführung und mangelnde Transparenz. Es wurde gefordert, die Wahl abzubrechen und das Verfahren noch einmal zu starten. Das passierte nicht. Am Ende saß man alles aus.

Vorsichtige Prognose für den aktuellen Fall: Damit, dass sich irgendwer zurückziehen könnte, ist erst mal wohl nicht zu rechnen.


Altpapierkorb (Krieg gegen die Demokratie, Desinformation, Initiative 18, NZZ vs. Fotograf)

+++ Marina Weisband beschäftigt sich in ihrer Kolumne für das Deutschlandfunk-Medienmagazin "@mediasres" mit dem Phänomen, dass in Deutschland gern so getan wird, als wäre Rechtspopulismus ein hausgemachtes Phänomen. Weisband: "Wir haben es seit so vielen Jahren mit einer internationalen Bewegung zu tun, dass ich immer wieder verwundert bin, wie langsam und still der öffentliche Diskurs das stückchenweise wahrnimmt. Als seien die Erzählungen der Rechten in den USA, in Russland, in der Türkei und in Deutschland nicht exakt dieselben. Als seien die Akteure nicht Jetsetter, die sich bei Konferenzen ständig gegenseitig inspirieren. (…) Und als seien Parteien nicht nachweislich aus Russland finanziert. Gegen Demokratie läuft weltweit ein Krieg. Die Demokraten wollen ihn einfach nur nicht wahrhaben."

+++ In Brasilien hat der oberste Gerichtshof die Plattform "X" landesweit gesperrt, weil sie, so der Vorwurf, nicht entschieden genug gegen Hassrede und Desinformation vorging. Klingt ein bisschen wie einem Waffenhersteller vorzuwerfen, er unternehme nicht genug gegen Waffen. Aber gut. Lorenz Meyer kommentiert die Sperrung in seiner "Radioeins"-Kolumne. Er sieht in ihr einen notwendigen Schritt, um die Demokratie zu schützen.

+++ Im Vorfeld der US-Wahlen nehmen Desinformationskampagnen im Netz zu, auch in Deutschland – zum Beispiel die "Doppelgänger"-Kampagne, die gezielt gefälschte Seiten großer Medien wie denen vom "Spiegel" oder der "Süddeutschen Zeitung" nutzt, um falsche Informationen zu verbreiten und politische Stimmungen zu manipulieren. Sebastian Wellendorf hat darüber für "@mediasres" mit Lea Frühwirth von der Datenanalyseplattform "Center für Monitoring, Analyse und Strategie" gesprochen, die unter anderem erklärt, wie man die gefälschten Seiten erkennt.

+++ Die "Initiative 18" setzt sich dafür ein, dass die Vereinten Nationen ein 18. Nachhaltigkeitsziel zur Förderung freier, sicherer und nachhaltiger Medien einführen, berichtet Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite. Die Initiative fordert Unternehmen auf, ihre Werbung gezielt in unabhängigen Medien zu platzieren und betont die Notwendigkeit politischer Unterstützung für hybride und werbefinanzierte Geschäftsmodelle im Medienbereich.

+++ Der Fotograf Nikita Teryoshin kritisiert die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) für ihre Berichterstattung über das "Geheimtreffen" im Landhaus Adlon, berichtet Lisa Kräher für "Übermedien". Teryoshin hatte den NZZ-Autor Alexander Kissler bei seinem Besuch begleitet, distanziert sich aber nun von dessen Geschichte und ließ seinen Namen aus dem Artikel entfernen. Teryoshin wirft der Zeitung vor, ein Foto mit dem Schriftzug "Remigrare" auf einem Flipchart, das er im Raum des Treffens entdeckte, nicht veröffentlicht zu haben, obwohl es seiner Meinung nach wichtigen Kontext liefert. Die NZZ sagt, der Schriftzug sei später entstanden und deshalb nicht thematisiert worden. Am Ende gab es einen überraschenden Plot-Twist: Ein "Nius"-Autor gab an, das Wort "aus Langeweile und ohne triftigen Grund" ans Flipchart gekritzelt zu haben. Teryoshin hält die Entscheidung der NZZ trotzdem für problematisch. Aus seiner Sicht beeinflusst sie die Berichterstattung.

Das Altpapier am Freitag schreibt Klaus Raab.

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