Kolumne: Das Altpapier am 19. Juli 2024 Presse(freiheit) vor Gericht
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19. Juli 2024, 10:22 Uhr
Die "Junge Welt" ist vor Gericht gescheitert, die Zustellförderung vor dem Bundeshaushalt und Jan Böhmermann mit seinem selbst angezettelten "Honig-Streit". Wenigstens die "Deutsche Welle" kann sich freuen. Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
Ein kurzer Wochenrückblick
Diese Woche war einiges los in Mediendeutschland. Deswegen starten wir heute mit einem kurzen Recap: In der Berichterstattung über das Attentat auf Donald Trump wurden vor allem wieder die Öffentlich-Rechtlichen kritisiert (Altpapier) und nachdem der rbb Sebastian Hotz aka "El Hotzo" wegen geschmackloser Tweets aus der Show von Radio Fritz warf, wurde darüber noch viel intensiver debattiert (Altpapier und Altpapier).
Am Dienstagmorgen dann gleich das Thema, das die Woche noch länger einnehmen sollte: Innenministerin Nancy Faeser verkündete das Verbot des rechtsextremistischen Magazins "Compact" – manche fanden das gut, andere nicht (Altpapier), doch am Ende wird wohl ein Gericht befinden müssen, ob das Verbot überhaupt rechtens war.
In die Kritik an dem Verbot reihte sich nun auch der Medienverband der freien Presse (MVFP) ein ("FAZ") und bezeichnet das Verbot als Eingriff in die Pressefreiheit.
"Eine ‚Ermächtigungsgrundlage für das Verbot des Verlags nach dem Vereinsrecht‘ erscheine ‚rechtlich zweifelhaft‘, die müsste aus Sicht des Verbands ‚letztlich durch die Gerichte und nicht von der Exekutive entschieden werden‘.
Erstmal prüft allerdings das Innenministerium, ob das Verbot vor der tatsächlichen Verkündung schon an die Presse durchgestochen worden war (ebenfalls "FAZ"). Denn wie könnte man sich sonst erklären, dass bereits zu Beginn der Razzia Fotografen vor dem Haus von "Compact"-Herausgeber Jürgen Elsässer standen?
"Junge Welt" bleibt linksextremistisch eingestuft
Eine Gemeinsamkeit mit "Compact" hat die linke Zeitung "Junge Welt": Sie wurde zwar nicht verboten, steht jedoch Seite an Seite mit anderen rechts- und linksextremistischen Gruppierungen im Bericht des Verfassungsschutzes. Und das darf sie auch weiterhin.
Im Gegensatz zum "Compact"-Fall gab es hier nämlich ein Gerichtsurteil, nachdem die "Junge Welt" gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz geklagt hatte. Das Berliner Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung zur Empörung des "Junge Welt"-Geschäftsführers Dietmar Koschmieder mit dem "kruden und dummen Zeug des Verfassungsschutzes." So wird er im heutigen Aufmacher ("Anschlag auf die Pressefreiheit") der "Jungen Welt" zitiert.
Wenn man die Begründung des Gerichts etwas nüchterner beschreibt, wie Ronen Steinke in der "SZ" zum Beispiel, dann lautet sie so:
"Die Bezeichnung ‚marxistisch-leninistisch‘ für die Ausrichtung des Blattes sei zutreffend, erklärte das Gericht. Die Zeitung nehme zum Beispiel immer wieder positiv Bezug auf Lenin, damit werde auch dessen – mit einer liberalen Demokratie unvereinbares – politisches Handeln ‚positiv konnotiert‘, erklärte eine Sprecherin des Gerichts."
Noch ist das Urteil nichts rechtkräftig, die "Junge Welt" hat aber bereits bekannt gegeben, dass sie sich mit der Niederlage in der ersten Instanz nicht abfinden werde.
Dass sich die linksextremistische Zeitung "Junge Welt" und das verbotene rechtsextremistische Magazin "Compact" dann aber doch um mehr als nur ein fehlendes Gerichtsurteil unterscheiden, schreibt auch die "SZ":
"Ähnliche Beispiele von Gewaltverherrlichung, Desinformation oder Hetze gegen Minderheiten, wie sie aus Sicht des Ministeriums dem Magazin "Compact" schon nach kurzer Zeit nachweisbar waren, werden der "Jungen Welt" allerdings auch nach nunmehr 26 Jahren der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht vorgeworfen."
Aus mit der Presseförderung
Nachdem diese Woche der neue Bundeshaushalt vorgestellt wurde, gibt es nun auch endlich eine definitive Aussage zu einer staatlichen Zustellförderung für die Presse: wird leider nichts.
Ein Sprecher der Medienstaatsministerin Claudia Roth teilte der dpa auf Anfrage mit, dass es "angesichts der großen wirtschaftlichen Herausforderungen bisher nicht möglich gewesen sei, im Haushalt Mittel für eine solche Zustellförderung vorzusehen." (Deutschlandfunk) Auch "in absehbarer Zeit" werde es zu keiner Zustellförderung kommen.
Für die Verlage ist das bitter, hatten sie doch in der Vergangenheit häufig auf eine Zustellförderung gedrängt, um die journalistische Vielfalt gerade in entlegenen Regionen zu sichern. Trotzdem dürfte die Nachricht kaum überraschen: Bereits im letzten Jahr hieß es von der Bundesregierung, dass dafür kein Geld im Haushalt vorgesehen sei ("FAZ").
Noch 2022 hatte Olaf Scholz den Verlegern allerdings gut zugesprochen: "Wir wollen, dass die flächendeckende Versorgung mit regelmäßig erscheinender Presse gewährleistet bleibt, darauf hat sich die Bundesregierung verständigt." ("Tagesspiegel") Das Bundeswirtschaftsministerium sollte im Anschluss eine mögliche Zustellförderung prüfen.
Im April 2023 wies das BMWK dann die Zuständigkeit von sich und auch Medienstaatsministerin Claudia Roth sah die Auseinandersetzung mit einer Zustellförderung interessanterweise nicht in ihrem Aufgabenbereich. Nach diesem unprofessionellen Hin und Her haben die Verlage jetzt zumindest mal eine klare Entscheidung – wenn auch eine ernüchternde.
Als weitere Möglichkeit zur Förderung wird eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Presseprodukte diskutiert. Dazu will Roth bislang nicht endgültig Nein sagen – doch auch dafür fehlt laut dem "Deutschlandfunk" aktuell "der nötige Spielraum" im Haushalt.
Mehr Geld für die "Deutsche Welle"
Freuen kann sich dagegen die "Deutsche Welle", die im Haushaltsentwurf für kommendes Jahr 25 Millionen Euro mehr Geld bekommt als mittelfristig geplant. Der DW werden 2025 also 425 Millionen Euro zur Verfügung stehen, wie die "FAZ" heute auf ihrer Medienseite berichtet.
Kulturstaatsministerin Roth begründete den Zuschuss damit, dass Deutschland "im Kampf gegen Desinformation" auch international mit journalistischer Qualität vertreten sein solle.
Ist das jetzt unfair gegenüber den nationalen Verlagen? Auf jeden Fall ist es günstiger: Eine Zustellförderung für Presseerzeugnisse schätzte Roth im vergangenen Jahr auf knapp 600 Millionen Euro.
Altpapierkorb (Trump-Foto, Honig-Streit, Gniffke-Gehalt, Netflix)
+++ Eine Meinung, die ich in der vergangenen Woche überraschenderweise nicht so oft gelesen habe, ist die von Jörg Colberg in der "taz": Er fragt, warum Medien das von Trump inszenierte "Kampf"-Foto nach dem Attentat nicht hinterfragt und stattdessen so häufig übernommen haben. Es hätte wirklich ausreichend Fotos gegeben, um die Nachricht zu bebildern, die nicht die Inszenierung von Trump unterstützt hätten. Eine kleine Medienanalyse von Sonntag ergab bei mir folgendes Bild: "Süddeutsche Zeitung", "FAZ" (mittlerweile verändert) und "Zeit" (mittlerweile verändert) verwendeten das Foto als Aufmacherbild, der "Spiegel" wählte zumindest für die Homepage ein anderes – nicht aber auf Instagram.
+++ Und noch ein Gerichtsurteil: Im sogenannten "Honig-Streit" (Altpapierkorb) zwischen Jan Böhmermann und einem Imker aus Meißen hat Böhmermann erneut verloren, wie der MDR berichtet. Auch wenn dieses Hin und Her mittlerweile selbst einen satirischen Charakter hat, wie es das Oberlandesgericht in Dresden gestern beschrieb, würde ich mich freuen, wenn das hier das letzte Altpapier ist, in dem wir darüber schreiben müssen.
+++ Der SWR hat bekannt gegeben, wie sich die Vergütung seines Intendanten Kai Gniffke im vergangenen Jahr zusammengesetzt hat. Insgesamt bekam der Medienmanager 404.480 Euro (via Volker Nünning auf X).
+++ 8 Millionen neue Abos wurden bei Netflix im vergangenen Quartal abgeschlossen (dwdl.de). Damit profitiert der Streaming-Anbieter von seinem neuen Abo-Modell, das zwar günstiger, aber dafür mit Werbepausen gespickt ist und Account-Sharing außerhalb des eigenen Haushalts unmöglich macht. +++
Das Altpapier am Montag schreibt Klaus Raab.