Das Altpapier am 18. März 2024: Porträt der Altpapier-Autorin Jenni Zylka 3 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
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"KateGate" - die Aufregung über ein angebliches Fake-Foto der "Princess of Wales" - ist eine Posse. Und gleichzeitig ein Diskurs über die Wahrheit von Bildern an sich.

Mo 18.03.2024 13:38Uhr 03:21 min

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Kolumne: Das Altpapier am 18. März 2024 Keinen geblurrten Blumentopf gewinnen

18. März 2024, 10:27 Uhr

"KateGate" - die Aufregung über ein angebliches Fake-Foto der "Princess of Wales" - ist eine Posse. Und gleichzeitig ein Diskurs über die Wahrheit von Bildern an sich. Die Altpapier-Kolumne: heute von Jenni Zylka.

Porträt der Altpapier-Autorin Jenni Zylka
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Selbst ist die Prinzessin

Das Bild über dieser Kolumne ist gephotoshoppt. Denn eigentlich sehe ich haargenau so aus wie Monica Vitti in "Modesty Blaise" (hier ist ein Trailer zu dem ziemlich albernen, aber sehr geschmackvoll ausgestatteten Film von 1966, spätestens bei Minute 1.23 verknallt man sich in die Hauptdarstellerin, die sämtlichen erzählerischen Trash würdevoll und exorbitant gut gekleidet übersteht).

Vielleicht wollte Her Royal Highness Prinzessin Catherine of Wales auch ein bisschen normaler aussehen, und nicht mehr so toll wie ein Filmstar. Und weil sie am Abend des achten März-Muttertags nicht mehr viel zu tun hatte - ihre Kinder lagen in den royalen Himmelbetten, ihr Mann William schlummerte über der letzten Staffel von "The Crown", von einer Wochen zurückliegenden, geplanten Operation war sie genesen, und am nächsten Tag sollte es auch erst nach 10 Uhr losgehen mit dem Repräsentieren - setzte sie sich an den Rechner und bearbeitete dieses Foto von sich und ihrer Familie per Photoshop.

Der Rest ist Legende: Wenn man die Worte "Kate Photo" googelt, bekommt man über 1,5 Milliarden (!!) Ergebnisse.  Die Tagesschau alliteriert "Kates königliches Kommunikationsdesaster", bei Gala und Bunte heißt es "Foto-Eklat" beziehungsweise "Kate-Debakel" und "Foto-Lüge", das Boulevardblatt "Daily Mail", das sich als Repräsentant der "Yellow Press" von jeher Medienschlachten mit der Königsfamilie liefert, diagnostiziert ein "Photoshop fiasco", und zitiert den (mittlerweile 81-Jährigen) "ehemaligen Journalisten Michael Cole" mit einem entzürnten Statement, das Kates eilig folgende Entschuldigung nicht gelten lässt:

"The apology by the Princess of Wales for manipulating the Mother’s Day image of herself and her children is well meant. It will be accepted by those people who are kind and understanding. Kate is and will remain a popular person with the general public. But it cannot be denied that this episode does reveal a terrible naivety, bordering on foolishness. What was she thinking, imagining she could fool experts whose profession is scrutinising hundreds of photographs every day, to judge whether they are authentic, and worthy of publication, or fraudulent images for immediate deletion?”

Weg mit dem Blumentopf

Ja, was DACHTE sich die hinterlistige, bekanntlich nur eingeheiratete Möchtegern-Blaublüterin wohl, als sie am Computer ein paar ihrer eigenen Haarsträhnen manipulierte, eventuell Pulloverfalten glättete, einen Rocksaum "blurrte" und anscheinend mutwillig topwichtige Dinge (einen Blumentopf!!!?? Das vermuteten hier zwei Blumentopf-Ex-Expert:innen aus der Bild-Redaktion, den Erfindern des sauberen Investigativjournalismus) aus dem Muttertags-Foto herausschnitt!?

Das "Fake-Foto" (Bild) wurde mittlerweile zurückgezogen, und Kate outete sich (wie gesagt) öffentlich etwas zerknirscht als Bildbearbeitungsprogrammlaiin. Aber natürlich geht es nicht um den völlig unerheblichen, minimalen, von mir aus schlecht gemachten, privaten, visuellen Selbstoptimierungsversuch eines Mitglieds der Königsfamilie. Sondern einzig um die mediale Rezeption.

Der Stern versucht bei seiner Berichterstattung schon im Titel, die Relevanz des ultrabeknackten Pseudo-Eklats zu boosten:

"Obama-Fotograf erklärt, warum das Problem beim Kate-Foto nicht nur Photoshop ist"

heißt es, als ob das Reportieren und Begleiten von Obamas politischen Tätigkeiten auch nur im Geringsten mit dem auf persönlich getrimmten Muttertagsgruß der Prinzessin zu vergleichen wäre. Das Magazin lässt dann den ehemaligen White House-Fotografen Pete Souza zu Wort kommen, der im Artikel, Achtung,

"Stellung bezieht zu dem Manipulationsskandal".

Gefälschte Haarsträhnen

Diese "Stellungnahme" geht so:

"Photoshop sei ein Programm, das 'jeder professionelle Fotograf‘ benutze, so Souza. 'Jede Publikation wie die 'New York Times' und jede Nachrichtenorganisation wie die Associated Press haben strenge Richtlinien für die Verwendung von Photoshop zur Verarbeitung von Bildern. Grundsätzlich erlauben die akzeptierten Verfahren, dass ein Nachrichtenfoto durch Anpassung des Farbgleichgewichts, der Dichte (die Rohdatei leichter oder dunkler machen) und Schatten und Highlights angepasst werden kann‘, erklärt er. 'Was nicht akzeptabel ist: Elemente auf dem Foto zu entfernen, hinzuzufügen oder zu ändern. Das würde den Inhalt ändern‘, fährt er fort. Damit es leichter verständlich ist, nennt der Obama-Fotograf auch Beispiele. So sei es nicht in Ordnung, mehrere Familienbilder zu einem zusammen zu mischen. Ihm sei es wichtig, gefälschte Bilder als das zu bezeichnen, was sie sind: Fakes." 

Ha, was würden wohl die Friseure und Friseurinnen dieser Welt sagen, wenn man ihnen bei jedem Strähnchenfärben (Haar-)Fälschung vorwürfe?? Abgesehen davon ist eine königliche Familie in einer konstitutionellen Monarchie weder eine Zeitung wie die New York Times noch eine Nachrichtenagentur wie Associated Press. Und das inkriminierte Foto wurde von Kates Ehemann William selbst geschossen, und damit von einem Kronprinzen, keinem Fotojournalisten.

Bei der erhitzten Diskussion um das lahme Kate-Bild fielen mir gleich die entsprechenden Fake-Foto-Szenen aus "Green Card" von Peter Weir ein, einer klassischen 90er-Jahre-RomCom, in der ein mittelloser Franzose zum Schein und für die Green Card eine US-amerikanische Gärtnerin heiratet. Als die US-Einwanderungsbehörde Beweise für die angebliche Beziehung sehen möchte, legen die beiden niedliche, notdürftig mit Klebestift und Nagelschere gefälschte gemeinsame Urlaubsfotos vor. Die Behörde erweist sich als bildbearbeitungstechnisch ähnlich auf Draht, wie die Fake-Fotoexpert:innen aus Bild-, Bunte-, Daily Mail- und Stern-Redaktion (Zitat taz: "Höllenhunde der Fotoforensik"), klärt die garstige Lüge stante pede auf, und schickt den Franzosen zurück.

Das royale Recht, angeschaut zu werden

Aber man kann es auch etwas philosophischer sehen. In diesem Artikel analysiert der wackere New Yorker die "KateSpiracy", und setzt die Du-darfst-Dir-kein-Bildnis-faken-Problematik in einen größeren Zusammenhang:

"What Kensington Palace did not disclose at that time was how hopelessly naïve it appears to be about technology, social media, and its global public’s sophisticated understanding of them both. As David Yelland, a former editor of the U.K. tabloid the Sun, said on a podcast he co-hosts, "I think this is a twentieth-century organization, maybe even a sixteenth-century organization, trying to play twenty-first-century games.” Some of their failings, however, are timeless. "The royal body exists to be looked at,” the novelist Hilary Mantel wrote in a controversial and brilliant 2013 essay for the London Review of Books. If Kate is not seen, she ceases to exist; she seems to die, and throws her public into a confused quasi-mourning that demands deft and elegant intercession.”

Also Kate stirbt, wenn man sie nicht sieht, und muss darum Fotos fälschen? Interessant ist die These vor allem, weil viel der medialen, boulevardesken und öffentlichen Aufregung auf die angebliche "Angst um Kate" nach einer nicht weiter erklärten Operation im Januar geschoben wird – dazu passt auch der verwendete Begriff des "Quasi-Mournings". Dabei müsste doch klar sein: Sogar wenn sie tatsächlich "krank" wäre und auch so aussähe, hätte Kate wie jeder andere Mensch das Recht, bei selbstgemachten Fotos das auszuwählen, auf dem sie "gesund" wirkt.

Den zitierten Satz "Der königliche Körper existiert, um angeschaut zu werden", müsste man aber ohnehin diskutieren, angeblich besitzt ein Monarch in einer konstitutionellen Monarchie immerhin

"das Recht angehört zu werden, das Recht zu ermutigen und das Recht zu warnen",

so beschrieb es 1867 der einflussreiche britische Journalist Walter Bagehot in seinem Werk "The English Constitution". Queen Elizabeth dagegen, Gott hat sie garantiert selig, bezeichnete sich selbst in diesem Dokumentarfilm von 1992 bezüglich ihrer Befugnisse und Rolle bei den Treffen mit den Premierministern als "so etwas wie ein Schwamm" (hier zitiert in der Tagesschau).

Die Süddeutsche weist hier (€) darauf hin, dass sich in der albernen Geschichte vor allem das generelle, stärker werdende Misstrauen gegenüber den Royals UND den Medien manifestiert – und das sei für beide ein Problem. Man könnte andererseits argumentieren, dass sich mit dem naiv-digitalen Schminkversuch der Prinzessin gleichzeitig eine sympathisch-normale Unsicherheit zeigt: Wird Kate durch das, was alle Menschen machen, wenn sie Bilder von sich sehen, nicht vielleicht auch nahbarer – und ist es nicht genau das, was die Krone möchte?

Erstaunlich jedenfalls, dass sich nach dem legendären Makaken-Selfie von 2011 und dem darauffolgenden jahrelangen Rechtsstreit nun mit "KateGate" tatsächlich noch eine weitere Eskalationsstufe in Sachen Bildwahrheiten findet. Zum Glück hatte der olle Makake nicht sein Fell geblurrt.


Altpapierkorb (mit Roger Waters-Update, Squid Game und Dating Ü60)

+++ Wie hier bereits letzte Woche im Altpapier erwähnt, hat die Berliner Zeitung ein stark gekürztes Interview mit dem Pink Floyd-Gitarristen Roger Waters gedruckt, das hatte u.a. der Tagesspiegel berichtet. (Was alles an problematischen Aussagen unterschlagen wurde, kann man hier, in der von Waters selbst auf seiner Homepage veröffentlichten Langversion des Gesprächs nachlesen.) Der Tagesspiegel aktualisierte seinen Text nun mit folgendem Update:

"Eine Führungskraft der "Berliner Zeitung" hat mich angeschrieben und mir zu verstehen gegeben, dass ich diesen Artikel nicht hätte veröffentlichen sollen. Schließlich würde ich so auf "Berliner Kollegen spucken". Der Berliner Zeitungsmarkt werde ja immer kleiner, da sei so eine Geschichte kontraproduktiv... Was mich an der Nachricht des Mannes jedoch besonders verstört: dass er die Täuschung der Leser durch die Verheimlichung der entscheidenden Stellen gar nicht für problematisch hält. Wörtlich schreibt er mir: "Das ist doch ein wirklich kleines Thema im Grunde." Er deutet sogar an, so etwas sei normal im Journalismus."

+++ Ein Schauspieler aus der Erfolgsserie "Squid Game" ist wegen sexueller Belästigung verurteilt worden, schreibt der Spiegel. Interessant wird, ob und wie sich dieses Urteil auf die Rezeption auswirkt – in der nächsten Staffel ist er jedenfalls nicht dabei.

+++ To whom it may concern: RTL vermeldet, die Partnersuch-Sendung "Golden Bachelor” nach Deutschland zu holen, eine Datingshow für Singles Ü60. "Das Rosen-Universum bei RTL wächst weiter", schreibt der Sender. Man sucht noch Bewerberinnen, die "bereit für einen zweiten Frühling sind". Fremdschämen kennt eben kein Alter.

Das Altpapier am Dienstag schreibt René Martens.

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