Das Altpapier am 12. Januar 2024: Porträt der Altpapier-Autorin Johanna Bernklau 3 min
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Kolumne: Das Altpapier am 12. Januar 2024 von Johanna Bernklau Glaubwürdigkeit verspielt

Kolumne: Das Altpapier am 12. Januar 2024 – Glaubwürdigkeit verspielt

Nach erneuter Kritik des YouTubers Rezo hat das "funk"-Format STRG_F massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Über eine Fehlerkultur, die keine ist.

Fr 12.01.2024 11:32Uhr 02:47 min

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Kolumne: Das Altpapier am 12. Januar 2024 Glaubwürdigkeit verspielt

12. Januar 2024, 09:56 Uhr

Nach erneuter Kritik des YouTubers Rezo hat das "funk"-Format STRG_F massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Über eine Fehlerkultur, die keine ist. Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.

Porträt der Altpapier-Autorin Johanna Bernklau
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Neues Jahr, neue Kritik

Schon im Dezember ging es hier beim Altpapier um die Vorwürfe, die der YouTuber Rezo dem "funk"-Format STRG_F unter anderem zu dieser Doku gemacht hatte. Rezo wies in seinem Kritikvideo auf mehrere Falschaussagen und Framing-Versuche des STRG_F-Teams hin und lieferte Belege dafür.

STRG_F reagierte geschlagene zwei Wochen später darauf (und nicht etwa "wenige Tage", wie es die "SZ" hier schreibt) und erklärte in ihrem Reaction-Video, es habe sich bei vielen der von Rezo angesprochenen Punkte lediglich um Missverständnisse gehandelt.

Während sich das Hin und Her zwischen Rezos Kritik und der Antwort von STRG_F bisher vor allem auf YouTube und anderen sozialen Plattformen abspielte, ist das Thema diese Woche nun auch mal in der "erwachsenen" Medienbubble angekommen: Am Mittwoch veröffentlichte die "FAZ" diesen Artikel, auf den Ralf Heimann schon gestern im Altpapierkorb hinwies. Auch die "Süddeutsche Zeitung" und "Deutschlandfunk Kultur" widmeten dem Thema je einen Beitrag.

Was ist also passiert, dass sich nun doch für die jungen Formate von "funk" interessiert wird?

Letzte Woche veröffentlichte Rezo erneut ein Video zu STRG_F und bohrte noch tiefer: Sogar im Reaction-Video von STRG_F, das mit den Vorwürfen eigentlich hätte aufräumen sollen, habe STRG_F Falschaussagen und rhetorische Kniffe wie "Strohmann-Argumente" verwendet, um Kritik umzudrehen und von sich zu weisen.

Für diejenigen, die nicht so tief im Thema sind und sich nicht aus Spaß durch rund drei Stunden Videomaterial geschaut haben, mag die Kritik vor allem nebensächlich klingen: Hier hätte ein Satz aus dem Video geschnitten gehört, dort wurde zu wenig Beantwortungszeit gegeben, hier wurden erst Antworten gefordert und dann doch nicht zitiert, dort wurden Dinge etwas zu einseitig dargestellt.

Verlust der Glaubwürdigkeit

Doch das alles, zusammen mit der nicht komplett ehrlichen Aufarbeitung im eigentlich dafür vorgesehenen Aufarbeitungsvideo von STRG_F, hat vor allem eine Folge: Der massive Verlust an Glaubwürdigkeit.

Kommentare wie "Löscht euch", "Schämt euch", "STRG_F ist für mich tot", "STRG_F canceln" sind nun unter dem Reaction-Video von STRG_F zu finden. Über 12.000 Kommentare stehen dort, unter Rezos zweitem Video (knapp 2 Millionen Aufrufe) haben rund 14.000 Zuschauer kommentiert. Der Impact ist riesig. Doch zwischen dem Hate auf STRG_F im Besonderen und Rundfunkgebühren im Allgemeinen sind viele Kommentierende ehrlich enttäuscht von dem "funk"-Kanal und sind nicht nur für inhaltsleeres ÖRR-Bashing in der Kommentarspalte unterwegs. Auch Rezo selbst ist übrigens pro "funk" und gegen verallgemeinernde Kritik an Öffentlich-Rechtlichen:

In seinem Video ruft er zur Differenzierung auf, betont, dass STRG_F in der Vergangenheit auch gute Dokus gemacht habe und er die Öffentlich-Rechtlichen als essenziell notwendig für eine funktionierende Demokratie halte. Hier geht es also um mehr als ein kindisches YouTube-Battle, bei dem wechselseitig um die Aufmerksamkeit der Zuschauer gebuhlt wird.

Dass sich STRG_F durch ihr Reaction-Video in eine noch schlechtere Stellung manövriert hat, ist bei so viel – nennen wir es mal: gutem Willen von Rezo – fast schon eine Kunst. Auf Instagram und YouTube veröffentlicht die Redaktion deshalb Folgendes:

"Liebe Community, wir wollen uns bei euch nach Rezos erneuter Kritik melden. Wir nehmen die Kritik sehr ernst. Gemeinsam mit funk werden wir die einzelnen Vorwürfe sorgfältig prüfen und diese Aufarbeitung vor dem nächsten Video veröffentlichen. Dafür nehmen wir uns in der aktuellen Winterpause Zeit. Fehler und Ungenauigkeiten werden wir analysieren und auch, wie wir solche in Zukunft verhindern können. […] Ihr erwartet zurecht von uns qualitativ hochwertigen Journalismus. Wir setzen alles daran, eure Erwartungen zu erfüllen. Wir verstehen, dass viele von euch Fragen haben. Wir hoffen, dass wir diese zeitnah beantworten können. Euer STRG_F-Team"

Fehlerkultur in den Medien

Im Grunde wäre es schon die Aufgabe des letzten Videos gewesen, die Kritik ernst zu nehmen und aufzuarbeiten. Warum ging das aber so gehörig schief?

Eigentlich schreibt sich "funk" und damit auch STRG_F eine transparente Fehlerkultur auf die Fahne. Unter www.funk.net/transparenz erklärt das Netzwerk:

"Wir sind selbstkritisch und gehen offen mit unseren Fehlern um. Wir nehmen Kritik ernst und prüfen sie. Zu unseren journalistischen Grund[s]ätzen gehört, dass wir Fehler korrigieren und transparent machen."

Warum STRG_F aber zum Beispiel behauptet, Rezo habe ein Gesprächsangebot der Redaktion nicht angenommen, obwohl Rezo das durchaus getan habe und das auch mit E-Mails belegen kann, ist nicht nur seltsam. Es ist ziemlich kurzsichtig. Ein Rezo-Video später und die Sache fällt STRG_F gehörig auf die Füße. Und das ist nur ein Beispiel von den Fehlern, die die Redaktion in ihrem Reaction-Video gemacht hat.

Dabei sind Fehler erstmal nichts Schlimmes, nichts, was unumkehrbar die Glaubwürdigkeit eines Mediums zerstören muss. Den "Spiegel" lesen heutzutage immer noch sehr viele Menschen – aber auch nur, weil der Relotius-Fall transparent aufgearbeitet wurde. Wer Fehler eingesteht und die Verantwortung dafür übernimmt, kann das Vertrauen seiner Leser sogar stärken, wie es in diesem "Übermedien"-Text von vor fünf Jahren steht. 

Im Fehler-begehen steckt also auch die Chance des Glaubwürdigkeit-stärken, obwohl das erstmal paradox klingt. Und auch Kommentare unter dem STRG_F-Video zeigen: Treue Zuschauer hätten dem "funk"-Kanal eine zweite Chance gegeben. "Hättet ihr euch einfach mal entschuldigt" heißt es da zum Beispiel, oder: "Ist es wirklich so schwer, Fehler ehrlich zuzugeben?"

Anscheinend schon. Noch schwerer wird es allerdings sein, die verlorene Glaubwürdigkeit wieder aufzubauen. Man will es hoffen: STRG_F stand jahrelang für wirklich guten Journalismus, der die junge Zielgruppe erreicht und bewegt hat. Auf den nächsten Take der STRG_F-Krisenkommunikation bin ich deshalb nicht nur sehr gespannt, sondern erhoffe mir als eine der (noch) 1,1 Millionen STRG_F-Abonnenten fast schon ein Krisenkommunikations-Wunder.


Altpapierkorb (Interview Heike Raab, Frauen im Fernsehen, Paragraf 353d Nr. 3)

+++ Um direkt beim jungen Publikum zu bleiben: Die hier oft zitierte Heike Raab wünscht sich in einem Interview auf medienpolitik.net einen größeren finanziellen Fokus auf die junge Zielgruppe in einem neuen Reformstaatsvertrag der Länder: "Die Zielgruppen von Ki.Ka und funk, den beiden jungen Angeboten von ARD und ZDF, umfassen heute fast 30 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Ihr Budget macht jedoch unter 1,4 Prozent des Jahresbudgets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Wer die jungen Menschen in Zukunft besser erreichen will, muss deshalb einen Fokus auf die jungen Angebote, […] legen und diese finanziell besser ausstatten."

+++ Das Portal "FragDenStaat" fordert gemeinsam mit anderen Medienverbänden (u.A. DJV, dju, Netzwerk Recherche, RSF) die Abschaffung des Paragrafen 353d Nr. 3. Wenn Journalisten wörtlich aus Gerichtsakten zitieren wollen, können sie sich dadurch strafbar machen. Das erlebte auch "FragDenStaat"-Chefredakteur Arne Semsrott, der im August Durchsuchungsbeschlüsse gegen die "Letzte Generation" veröffentlichte und gegen den die Berliner Staatsanwaltschaft nun ermittelt. Aus der Sicht der Medienverbände ist der Paragraf 353d Nr. 3 verfassungswidrig, da er mit der Pressefreiheit nicht vereinbar sei.

+++ Dem SZ-Magazin haben die drei Schauspielerinnen Michaela May, Jutta Speidel und Gisela Schneeberger ein Interview zum Frauenbild im Fernsehen gegeben. Speziell für alte Frauen gebe es kaum interessante Rollen, die nicht abhängig von der erfolgreichen Geschichte eines Mannes wären. "Es ist, als würden wir unsere eigenen Mütter spielen." +++

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Das Altpapier am Montag schreibt Klaus Raab.

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