Kolumne: Das Altpapier am 5. Oktober 2023 Weidels Wahrheits-Wirrwarr
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05. Oktober 2023, 12:21 Uhr
Die AfD spricht von Angriffen und Drohungen gegen ihre Parteichefs. Es ist nicht klar, was stimmt und was nicht. Und wahrscheinlich soll das so sein. Eine Einführung in den Populismus. Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
Partei und Polizeiangaben trennen
Wie sollen Medien mit der AfD denn jetzt umgehen? Ann-Katrin Müller, die für den "Spiegel" über die Partei berichtet, sagt:
"Bei Menschen, die professionell lügen – das muss man bei der AfD so sagen – hat man eben das Problem, dass man dem wenig entgegensetzen kann, weil dann Aussage gegen Aussage steht."
Das Zitat steht in einer langen und lesenswerten Analyse von Michael Kraske im DJV-Magazin "Journalist" zum Umgang mit der Partei ("Medien und AfD: Extrem normal"). Und es gibt schon wieder zwei aktuelle Fälle, in denen sich die Frage stellt: Ja, was stimmt denn nun?
Am Dienstag trat bei einer AfD-Veranstaltung im thüringisch-bayerischen Grenzort Mödlareuth, bei der Parteichefin Alice Weidel sprechen sollte, ein Parteivertreter auf die Bühne und sagte, es habe am Wochenende "einen sicherheitsrelevanten Vorfall bei Frau Weidel" gegeben. Sie und ihre Familie seien von der Polizei aus ihrer privaten Wohnung evakuiert und an einen sicheren Ort gebracht worden. Es hätten sich Hinweise verdichtet, nach denen auf sie und ihre Familie ein Anschlag geplant sei. So berichtete es unter anderem der "Spiegel". In einer eingespielten Videobotschaft sagte Weidel:
"Ich würde nichts lieber tun, als heute bei euch zu sein, aber ich kann es leider nicht."
Später stellte sich heraus, Alice Weidel war zu dieser Zeit auf Mallorca. Nach "Spiegel"-Informationen wurde sie dort zusammen mit ihrer Lebensgefährtin in einem Strandrestaurant gesehen.
Das bedeutet nicht, dass die übrigen Angaben falsch sein müssen, aber in jedem Fall fehlte eine Information. Das ließe sich damit erklären, dass es in so einem Fall natürlich besser ist, nicht zu verraten, wo der sicherere Ort ist, an dem man sich befindet. Aber es liegt der Verdacht nahe, dass ein falscher Eindruck vermittelt werden sollte, wenn sich der Anschein ergab, der sichere Orte wäre ein Raum in einem Haus, aber tatsächlich war es eine Strandbar.
Laut Weidels Sprecher wurde die AfD-Chefin schon am 23. September an diesen sicheren Ort gebracht, das berichtet die Nachrichtenagentur dpa, hier zu lesen beim ZDF. Der "Vorfall" muss sich also davor ereignet haben.
Dass Weidel sich zum Zeitpunkt der Videobotschaft in einem "Safehouse" befand, das sie nicht verlassen durfte, wie der AfD-Vertreter es bei der Veranstaltung sagte, stimmt laut dem Sprecher jedenfalls nicht. Nach dem 23. September war sie, wie dpa schreibt, im Bundestag. Auch dafür kann es eine Erklärung geben. Der Mann bei der Veranstaltung kann sich die Geschichte selbst zurechtgelegt haben. Aber da sind eben die Zweifel.
Das alte Problem ist: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn man der Partei und ihren Zielen nicht auf irgendeine Weise verbunden ist. Und aus der AfD-Perspektive sieht diese Möglichkeit, Menschen zu manipulieren, möglicherweise wie ein Vorteil aus. Ob das alles richtig ist, was man sagt, ist dann nämlich nicht von Bedeutung. Wichtig ist, dass die emotionale Botschaft ankommt. Und die lautet hier: Die AfD wird bedroht und verfolgt.
Aber gehen wir noch einmal davon aus, dass es diesen Vorfall wie behauptet tatsächlich gegeben hat: Warum sagt die Partei dann nicht einfach, was passiert ist?
Dafür kann es Gründe geben, die mit der Sicherheitslage zu tun haben. Aber dann wäre weiter die Frage, warum sagt die Partei nicht einfach: Alice Weidel ist bedroht worden, sie ist jetzt erst mal in den Urlaub gefahren? Dafür hätten viele Menschen unter diesen Umständen ja durchaus Verständnis. Und warum verbreitet man die ja offenbar lange bekannte Information, dass sie nicht kommen wird, nicht schon vor der Veranstaltung?
Das Bundeskriminalamt, das für den Schutz von Politikerinnen und Politikern zuständig ist, hat auf AFP-Anfrage mitgeteilt (hier beim ZDF), dass Weidels Absage bei der Veranstaltung "nicht auf Veranlassung oder Empfehlung des BKA" erfolgt sei.
Zurück bleibt der Eindruck, dass die Partei möglicherweise versucht hat, aus Weidels Absage politisches Kapital zu schlagen, indem sie noch eine Räuberpistole hinzugedichtet hat – auf die Gefahr hin, dass sich am Ende herausstellt, so ganz richtig war das alles nicht. Aber der Eindruck ist eben auch: Die faktische Wahrheit spielt eh keine so große Rolle.
Wenn man also eigentlich sagt, das größte Kapital in der Politik ist die Glaubwürdigkeit, muss man das hier wohl ein bisschen einschränken. Wir kennen das noch von Donald Trump: Wenn man die Menschen emotional an der Angel hat, kann man lügen, bis sich die Umfragebalken biegen.
Nur was können Medien machen? Wie immer, differenzieren.
Seit Dienstag kursiert eine weitere Meldung, die nahelegt, es könnte ein Angriff auf einen führenden AfD-Politiker stattgefunden haben. Parteichef Tino Chrupalla wurde laut AfD nach einer Veranstaltung in Ingolstadt ins Krankenhaus eingeliefert. Die Partei sprach von einem "tätlichen Vorfall", so berichteten es die Agenturen dpa und AFP, zu lesen hier beim ZDF.
Am späten Mittwochabend sagte ein Sprecher, Chrupalla sei "den Umständen entsprechend stabil" und werde die kommende Nacht "intensivmedizinisch überwacht". Zweifel gibt es, weil die Polizei von einem "tätlichen Vorfall" anfangs nichts mitbekam.
Laut dem Donaukurier war Chrupalla bei der Veranstaltung zusammengebrochen, nachdem er einige Selfies gemacht hatte. Die Information stammt von Gerald Grosz, einem ehemaligen FPÖ-Politiker, der sagt, er habe die Information von einem Polizisten bekommen. Es ist also quasi via stille Post an die Öffentlichkeit gelangt.
Nach einem "Spiegel"-Bericht ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft. Es gebe einen Anfangsverdacht wegen Körperverletzung, heißt es. In dem Artikel steht, Chrupalla habe auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt einen Schmerz verspürt. Kurz darauf sei "eine geringfügige Hautverletzung" festgestellt worden. Chrupalla soll über Übelkeit, Krämpfe und Schwindel geklagt haben. Die Information stamme aus Ermittlerkreisen. Chrupallas Personenschützer hätten von einem möglichen Angriff nichts mitbekommen.
Es klingt, als könnte Chrupalla mit einer Spritze gestochen worden sein. Sichergestellt hat man allerdings erst mal eine Pinnwandnadel. Falls sie eine Rolle spielt, könnte es alles auch anders gewesen sein.
Die Frage ist: Wenn alles klar ist, warum sagen Polizei oder Staatsanwaltschaft dann nicht: Ja, es war ein Angriff? Und wenn alles doch nicht so klar ist: Warum legt die Partei sich dann so früh fest?
Wichtig ist, die Quellen auseinanderzuhalten, so schreibt es der Politikberater Johannes Hillje bei X aka Twitter, also: "Parteiangaben und Polizeiangaben sorgfältig trennen."
Und was man dazusagen muss, die Wirklichkeit ist ja oft sehr komplex: Es hat auch tatsächlich Angriffe gegen AfD-Politiker gegeben. In einem Fall in Augsburg meldet die Polizei jetzt, sie habe zwei Tatvedächtige ermittelt. Ob der Grund für den Angriff tatsächlich die Parteizugehörigkeit war, wie der Angegriffene behauptet, ist allerdings nicht klar.
Populismus in sieben Schritten
Die hier im Altpapier am Freitag zitierte Medienwissenschaftlerin Friederike Herrmann hat für "Übermedien" einen Gastbeitrag geschrieben, in dem sie ausführlich erklärt, wie Medien sich verhalten können, wenn Politikerinnen und Politiker mit Erzählungen hantieren, die klebrige emotionale Botschaften verströmen. Sie schreibt:
"Um dieses Geschehen zu erfassen, muss man – eben anders als beim Faktencheck – einen Schritt zurücktreten und das Ganze betrachten: In welchen gesellschaftlichen Kontext fällt eine Aussage? Welche Affekte sind beim Urheber erkennbar, welche beim Publikum? Welche Interaktionen entstehen, welche Performance, welche Szene?"
Um dazu in der Lage zu sein, muss man zuallererst verstehen, was überhaupt passiert. Daniel Bröckerhoff erklärt in einem halbstündigen Beitrag für das NDR-Medienmagazin "Zapp", wie rechter Populismus funktioniert, und wo der Unterschied liegt zwischen einem populistischen Weltbild und populistischen Stilmitteln. Kurz erklärt: Um populistische Stilmittel zu verwenden, wie Friedrich Merz es zuletzt mehrfach getan hat, muss man kein populistisches Weltbild haben. Das geht auch einfach so.
Das populistische Weltbild erklärt Bröckerhoff anhand von sieben Punkten:
1) Es gibt eine Erzählung von einem "Volk", beziehungsweise "eine geschlossene Gruppe von Menschen von einer gleichen oder ähnlichen Herkunft und Sozialisation, die alle dasselbe meinen, denken, fühlen und wollen".
2) Populisten tun so, als würden auch sie zu dieser Gruppe gehören, als wären sie also "aus dem einfachen Volk".
3) Auf der anderen Seite steht eine Art "Elite", im Falle der AfD sind es die "Altparteien", sonst aber gern auch die Grünen.
4) Alles soll wieder ganz "normal" werden, oder besser: wie früher. Kleiner Haken: In der Regel geht es um ein "Früher", das es so nie gegeben hat. Bröckerhoff spricht von einer "Normalitätsfiktion".
5) Bestimmte Gruppen gehören nicht dazu. Aber sie haben auch eine Funktion. Sie sind die Sündenböcke. Immerhin.
6) Populisten verdrehen Fakten, leugnen, erfinden. Medien nehmen diese Grenzübertritte gern zum Anlass, darüber zu berichten. So wiederholt sich das, was falsch ist – und setzt sich fest. Bröckerhoff: "Ist ein bisschen wie Vokabeln lernen, nur sind's die falschen Vokabeln."
7) Und ganz wichtig: der Opfer-Mythos. Alles geht den Bach runter, überall Bedrohungen. Wenn Menschen erst Angst bekommen, sind sie wunderbar offen für Leute, die zufälligerweise auch gleich eine einfache Lösung parat haben.
Bröckerhoffs Vorschlag zum Umgang damit ist dem von Friederike Herrmann recht ähnlich. Er rät, die Mechanismen und Strategien transparent zu machen.
Was tun mit den Trotzigen?
In seiner anfangs erwähnten Analyse im "Journalist" zitiert Michael Kraske unter anderem Jan Holllitzer, den Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen", mit dem Satz: "Wir urteilen und richten nicht." Es gelte, jeden Eindruck von Bevormundung zu vermeiden, sagt Hollitzer. Er nehme in der Leserschaft wahr, "dass durch eine übermäßige Benennung der AfD als rechtsextreme Partei Jetzt-Erst-Recht-Reaktionen eintreten", sagt Hollitzer.
Man könnte nun fragen: Ist das eine Bevormundung, die Dinge so zu benennen, wie sie sind? Sollte man so tun, als wäre die AfD eine Partei wie jede andere – einfach nur, damit die Menschen nicht trotzig werden? Kann das nicht unter Umständen dazu führen, dass andere Menschen, die nicht trotzig sind, die AfD unter anderem aus diesem Grund für immer normaler halten?
Eine andere Passage in Michael Kraskes Text deutet zudem darauf hin, dass die Annahme, dass Menschen aus Trotz oder Protest AfD wählen, so wahrscheinlich nicht stimmt. Kraske schreibt:
"Viele Redaktionen halten unbeirrt am Label 'Protestwähler' fest, obwohl empirische Befunde dagegensprechen. Studien belegen, dass die Wählerschaft der AfD deutlich rechtsextremer und antisemitischer eingestellt ist als die anderer Parteien. Laut Bertelsmann-Stiftung ist die AfD die 'erste mehrheitlich rechtsextrem eingestellte Wählerpartei im Bundestag’."
Das würde bedeuten: Es ist keine Bevormundung, die AfD als rechtsextrem zu benennen. Es wäre ein journalistisches Versäumnis, es nicht zu tun.
Kraskes Fazit:
"Es gibt Lösungsansätze für die Berichterstattung über den Rechtsruck. Alles steht und fällt damit, wie reflektiert der Journalismus agiert."
Auch das bedeutet: Medien müssen einen Schritt zurücktreten und nicht nur das wiedergeben, was gesagt wird. Sie müssen auch Erklärungsansätze dafür liefern, warum Dinge in einer bestimmten Weise gesagt werden und was das bewirkt.
Auch darin kann man eine Bevormundung sehen, denn die AfD selbst würde ihr Handeln wahrscheinlich anders beschreiben.
Und hier müssen Medien schon wieder einen Schritt zurücktreten und sich fragen: Auf welcher Grundlage erfolgt denn hier die Bewertung? Die journalistische Grundlage ist klar: Wenn irgendwer mithilfe von emotionalen Geschichten, die womöglich auch noch falsch sind, versucht, die Wirklichkeit zu beschreiben, um Menschen zu mobilisieren, ist es die Aufgabe von Journalisms, das auf die Ebene der Fakten zurückzuholen.
Der Deal zwischen Medien und Populisten
Ein aktuelles Beispiel liefern am Morgen die "Bild"-Medien. Auf der Startseite titelt die "Bild.de":
"70 Prozent unzufrieden mit der Ampel: Merkt die Regierung nicht, was wir wollen?"
Eine völlig undifferenzierte Feststellung, die einfach nur ein Gefühl treffen soll. Da ist das "Wir", also die vermeintlich monolithische Gruppe, in der alle das Gleiche denken. Da sind die "Bild"-Medien, die sich selbst in das "Wir" mit einbeziehen. Es gibt die Elite, das ist hier die Bundesregierung, vor allem sind aber wohl die Grünen gemeint. Im Text steht der Satz:
"Die 'da oben' machen nicht das, was die 'da unten' wollen, brauchen oder noch ertragen können. Das Ergebnis: Volks-Frust!"
Weiter unten im Text geht es weiter mit Migranten, dem Gendern, der Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es ist Populismus wie aus dem Lehrbuch. Es wird alles vermischt, weil das Ziel ja eh nur ist, ein Gefühl zu treffen und zu verstärken.
Der Mechanismus ist wunderbar einfach: Erst arbeitet man heraus, wovor die Menschen Angst haben könnten. Überfremdung, die sprachliche Bevormundung einer Elite, die Verschwendungssucht der abgehobenen Bürokraten imöffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Angst davor, dass Menschen in den Ruin getrieben werden, weil sie sich für viele tausend Euro eine neue Heizung kaufen müssen. Man muss sich im Grunde nur in den Reden von Populisten bedienen.
Man spitzt diese Themen also so zu, dass Menschen Angst bekommen müssen. Dann fragt man, wovor sie Angst haben. Und oh Wunder, die Antwort fällt erwartbar aus. Die "Bild"-Medien arbeiten hier Hand in Hand mit Rechtspopulisten und im Zweifel auch mit Rechtsradikalen.
Im "Zapp"-Beitrag sagt Daniel Bröckerhoff:
"Populisten bedienen eine mediale Nachfrage nach Konflikt, nach Emotionen, nach Provokationen. Und im Grunde gibt es so etwas wie einen unabgesprochenen Deal zwischen Medien und Populisten, der so lauten könnte, Provokation gegen Publizität. Also die Populisten liefern den Medien, was sie gut an ihr Publikum verkaufen können."
Und dazu muss man tatsächlich wohl sagen: Im Moment läuft das Geschäft wirklich sehr gut.
Altpapierkorb (Böhmermann, Bluesky, Tierschutzpartei, Audiomarkt, Zeitungsfrühling, Langzeitdokus, EU-Medienfreiheitsgesetz)
+++ Jan Freitag hat mit Jan Böhmermann im Interview für das Magazin "Journalist" über dessen Selbstbild, Berufsethos und die Grenzen des Humors gesprochen. Unter anderem geht es um eine Kritik von Markus Lanz, der gesagt hatte, Böhmermann zündle und drücke sich dann durch den Notausgang Satire vor der Verantwortung. Böhmermann sagt dazu: "Wenn wir im ZDF Magazin Royale mit Humor versuchen, den wahren Kern einer Sache zu ergründen, dann darf der Humor den wahren Kern nicht verfälschen oder verstellen." Zur Kritik an der Qualität und daran, dass er sich etwa mit der Recherche zum damaligen Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik vor den Karren spannen lassen habe (was hier so nicht ausgesprochen wird), sagt Böhmermann: "Dass ich im ZDF Magazin Royale irgendetwas ungeprüft rausblubbere oder wir eine satirische Sendung um einen falschen Tatsachenkern bauen – da muss ich mit aller Überlegenheitsarroganz widersprechen."
+++ In der Debatte darüber, ob der Twitter-Klon "Bluesky" es schafft, Elon Musks Krawallbude X das Wasser abzugraben (Altpapier), schreibt Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite: "Doch selbst wenn Bluesky sich nicht als das nächste 'Blaue vom Himmel' erweisen sollte, in einem ist es Musks Universum ähnlich: Es verfestigt die Spaltung der Gesellschaft. Denn bei Bluesky sind die vermeintlich Guten exklusiv unter sich." Markus Reuter hat für Netzpolitik.org in Erfahrung gebracht, warum das neue Netzwerk, so steht es in der Überschrift, so durch die die Decke geht. Eine einfache, aber doch ganz einleuchtende Erklärung liefert Ingrid Brodning. Sie sagt: "Was einige Leute suchen, ist einfach ein Twitter, das nicht Elon Musk gehört."
+++ Die Tierschutzpartei, offiziell "Mensch Umwelt Tierschutz", möchte bei den Ergebnissen der Landtagswahlen in Hessen und Bayern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen namentlich erwähnt werden und hat deshalb gegen ARD und ZDF geklagt, schreibt Jochen Zenthöfer auf der FAZ-Medienseite. Verschiedene Verwaltungsgerichte prüfen derzeit diesen Anspruch. In der Vergangenheit wurde die Partei bei Wahlergebnissen oft unter "Andere" geführt, obwohl sie in einigen Wahlen über ein Prozent der Stimmen erhielt. Gegen den RBB war die Partei vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit ihrem Anliegen erfolgreich. Der Sender hatte die Partei am Wahlabend nicht genannt, obwohl sie 2,6 Prozent der Stimmen bekommen hatte, berichtete Zenthöfer für die FAZ im Mai. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
+++ Der Audiomarkt hat sich in den letzten Jahren gewandelt, das hat viele Audioangebote wiederbelebt. Das Deutschlandradio will laut Intendant Stefan Raue innerhalb von fünf Jahren zum führenden Anbieter von qualitativ hochwertigen journalistischen und künstlerischen Audioformaten im deutschsprachigen Raum werden, schreibt Helmut Hartung auf der FAZ-Medienseite. Bei der Gelegenheit hat er auch noch mal gefragt, was Raue von einer Fusion mit dem ZDF hält. Ergebnis: weiterhin nichts.
+++ Anfang 1990 erlebte die DDR einen "Zeitungsfrühling" mit fast 120 neu gegründeten Zeitungen. Doch schon bald dominierten westdeutsche Großverlage den Markt, und die meisten Titel verschwanden wieder. Die Kommunikationswissenschaftlerin Mandy Tröger hat die Ursachen analysiert, Günter Herkel berichtet für das Verdi-Medienmagazin "Menschen Machen Medien". Herkel: "Dass aktuell wieder verstärkt über 'den Osten in den Medien' debattiert werde, wundert Mandy Tröger kaum. Das Fehlen ostdeutscher Stimmen, die heutige Klage über mangelnde Repräsentanz hat für sie auch mit der Erfahrung struktureller Ausgrenzung zu tun, die viele DDR-Bürger in der Wendezeit erlebten. Die damaligen Bürgerzeitungen, die zahlreichen Initiativen für demokratische Pressereformen unter Einschluss von innerer Pressefreiheit – all das sei zugunsten von Konzerninteressen abgewürgt worden. 'Damit wurde eine große Chance verpasst.'"
+++ Langzeitdokumentationen bieten die Möglichkeit, einzuordnen und tiefer zu gehen, doch das gelingt nicht immer, kritisiert Matthias Dell in seiner Kolumne im Deutschlandfunk-Medienmagazin "@mediasres" und nennt als Beispiel die Doku "Ernstfall" von Stephan Lamby. Dell: "Ernstfall erzählt all das, was man aus den Tagesschau-Meldungen schon weiß, noch einmal, aber ohne, dass dabei viel mehr herumkäme als bei den Tagesschau-Meldungen."
+++ Das EU-Parlament hat seine Position zum geplanten EU-Gesetz für Medienfreiheit, dem European Media Freedom Act (EMFA), festgelegt, berichtet "epd Medien". Das Gesetz soll Medienfreiheit, Pluralismus und Unabhängigkeit in der EU sicherstellen und beispielsweise Behörden daran hindern, in redaktionelle Entscheidungen einzugreifen. Eine unabhängige Medienaufsichtsbehörde soll die Einhaltung überwachen. Das Gesetz wurde als Reaktion auf Pressefreiheitseinschränkungen in Ländern wie Ungarn und Polen vorgeschlagen. Einige Länder, darunter Deutschland, haben Bedenken gegen den Entwurf. Kritiker befürchten, dass die zentrale EU-Medienaufsichtsbehörde die Pressefreiheit gefährden könnte.
Das Altpapier am Freitag schriebt Klaus Raab.