Das Altpapier am 28. September 2023 Recherchen an der Grenze
Hauptinhalt
28. September 2023, 10:21 Uhr
Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines sind die Informationen darüber immer noch sehr begrenzt. Vieles von dem, was man weiß, stammt aus den Medien, denen die Recherche extra schwer gemacht wird. Und: Der Redaktionsausschuss des rbb startet eine Debatte über die Sendeplätze der Kirchen. Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
Nord-Stream-Anschlag – Nichts darf an die Öffentlichkeit?
Vor ziemlich genau einem Jahr kam es am 26. September zu Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines. Verantwortlich dafür gemacht wurden erst Russland, dann die USA und schließlich führten Spuren in die Ukraine.
Ans Licht gebracht wurde vieles von (deutschen) Journalisten. Das Medienmagazin "Zapp" hat mit Investigativ-Reportern von "Zeit" und "Spiegel" über die besondere Schwierigkeit der Recherche in diesem Fall gesprochen und einen sehenswerten Film darüber gemacht.
"Ich kann mich an wenige bis gar keine anderen Fälle erinnern, wo ein solcher Mantel des Schweigens über den Dingen liegt",
sagt Holger Stark, der für die "Zeit" den Fall recherchiert. "Zapp" schreibt dazu auf Instagram:
"Aufgrund der schwierigen Informationslage tun sich Medien zusammen: Der Spiegel recherchiert unter anderem mit dem ZDF, Die Zeit mit der ARD, der SZ und internationalen Partnern. Und alle stoßen an ihre Grenzen."
Sie stellen Anfragen an deutsche Ermittlungsbehörden, bekommen aber keine Antworten. Nach der ersten Veröffentlichung der Ukraine-Spur allerdings sei innerhalb der Bundesregierung die Suche nach möglichen Informanten losgegangen, berichtet Holger Stark im "Zapp"-Film.
Dass nichts nach außen dringen darf, komme von ganz oben, direkt aus dem Kanzleramt, so Jörg Diehl, der für den "Spiegel" dazu recherchiert.
Wie und ob der Fall noch detaillierter recherchiert wird und ob Verantwortliche für die Explosionen gefunden werden können, bleibt im "Zapp"-Film unklar. Vielleicht kann der fünfteilige Recherche-Podcast "Tatort Ostsee" von "Zeit", "Süddeutsche" und ARD etwas mehr Aufklärung geben, dessen erste Episoden parallel zum Film veröffentlicht wurden (ARD-Audiothek).
Kein Sonderrecht mehr für Kirchen?
Im Rahmen zahlreicher Umstrukturierungen beim rbb, die auch den Medienstaatsvertrag betreffen, hat der Redaktionsausschuss eine Debatte angestoßen, die auf viel Medienecho trifft: Soll Kirchen auch im neuen Staatsvertrag das Recht auf einen festen Programmplatz erhalten bleiben?
Mit dem sogenannten Drittsenderecht der katholischen und evangelischen Kirche soll die Meinungsvielfalt im Rundfunk gewährleistet werden, wie das Medienportal der evangelischen Kirche schreibt:
"Daher legen Rundfunkstaatsvertrag, Landesmediengesetze und Sendersatzungen fest, dass die Kirchen als bedeutsame gesellschaftliche Gruppe im Programm der öffentlich-rechtlichen wie der privaten Sender 'angemessen' zu Wort kommen müssen."
Dass Kirchenthemen journalistisch "angemessen zu Wort kommen" liegt jedoch bereits in der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weshalb es nicht zusätzlich noch insgesamt 14 Stunden Verkündigungsprogramm pro Woche in allen ARD-Anstalten braucht, in denen die Kirchen ihre eigenen Inhalte verbreiten können.
Die oben beschriebene Meinungsvielfalt in den Öffentlich-Rechtlichen ist für Martina Schrey, Sprecherin des rbb-Redaktionsausschusses, mit ein Grund dafür, warum die Sendeplätze der Kirchen überdacht werden müssen. Sie sagt im Interview mit Deutschlandfunk:
"Wir sind der Staatsferne, der Unabhängigkeit verpflichtet, Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und haben trotzdem täglich Verkündungssendungen einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe […] und letztendlich müssen wir die Produktionen dieser Sendungen auch bezahlen."
Etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist trotz hoher Austrittszahlen noch Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. Im Sendegebiet des rbb sieht es dagegen etwas anders aus; dort sind nicht mal ein Fünftel der Bürger in der Kirche.
Altpapierkorb (neue rbb-Pläne, Stellungnahme zur Flugblattaffäre, Fernsehpreis, Springer verlässt Schweiz, Daubners Lachflash)
+++ Planänderung beim rbb: Wollte Interimschefin Katrin Vernau noch die vier Direktorenpositionen auf zwei reduzieren, hat die neue Intendantin Ulrike Demmer jetzt wieder andere Pläne, wie die SZ schreibt. Der Grund: "Es gebe […] aktuell andere drängende Aufgaben. Es gehe darum, etwa 'eine abgestimmte Personalstrategie' zu entwickeln sowie die Einsparmaßnahmen und ein rbb-weites Risikomanagement umzusetzen. Dafür werde zunächst ein Verwaltungsdirektor gebraucht [der ursprünglich eingespart werden sollte]."
+++ "In eigener Sache" zur Flugblattaffäre: Die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlicht einen Bericht zu ihrer Berichterstattung über die Flugblattaffäre um Hubert Aiwanger. Dieser hatte der Zeitung eine gezielte Kampagne vorgeworfen und diverse Behauptungen aufgestellt, die die "SZ" in ihrem Bericht richtigstellen möchte.
+++ Deutscher Fernsehpreis 2023: Zum zweiten Mal in diesem Rahmen wurden in der Nacht zum Donnerstag Fernsehmacher für ihre Arbeit gewürdigt. Hier geht es zu den Preisträgern.
+++ Kein Axel Springer mehr in der Schweiz: Die Axel Springer SE verkauft ihre Anteile aus dem Gemeinschaftsunternehmen "Ringier Axel Springer Schweiz", mit dem Springer seit 2016 mit dem Verlag der größten schweizerischen Boulevardzeitung "Blick" gemeinsame Sache gemacht hatte. Der Grund für den Rückzug ist laut Springer "ein weiterer Schritt in der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens", wie die SZ schreibt.
+++ Und noch was Unterhaltsames zum Abschluss: Zuschauer des Morgenmagazins am Mittwoch durften nicht nur die Nachrichten, sondern auch einen Lachanfall der Moderatorin Susanne Daubner miterleben. Auf Social Media wurde der Clip gefeiert. +++
Das Altpapier am Freitag schreibt Ralf Heimann.