Das Altpapier am 25. Januar 2018 Debatten, die die Welt bedeuten
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In der Diskussion um das NetzDG wurde eine Frage noch nicht gestellt: Ist das Ganze vielleicht einfach eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Bei den neuen Vorwürfen gegen Regisseur Dieter Wedel geht es um Scham, Schweigen und Glaubwürdigkeit. Welche Macht haben eigentlich Hashtags und Sprache? Bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es verschiedene Baustellen im Programm. Und: Sind Billboards vielleicht das neue Twitter? Ein Altpapier von Nora Frerichmann.
Über den Sinn des NetzDG in seiner jetzigen Form wurde ja schon viel diskutiert (hier, hier und hier eine kleine Altpapier-Auswahl zu wichtigen Punkten). Nach verschiedenen, fragwürdigen Löschungen und Sperrungen und angesichts einiger Nachrichten von Facebook und aus dem Bundesamt für Justiz könnte man nun fast auf den Trichter kommen, das Gesetz sei gar nicht unbedingt als vernünftiges Mittel gegen Hass und Hetze im Netz verabschiedet worden, sondern eher als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
Laut Deutschlandfunks @mediasres sind nämlich beim Bundesamt für Justiz in Bonn 40 neue Beschäftigte wegen des NetzDGs eingestellt worden. Facebook backt wie immer etwas größere Brötchen als die kleinen, deutschen Behörden und stellt gleich 10.000 neue Menschen ein, um gegen Hass in dem Netzwerk vorzugehen (mehr bei Zeit Online). Klar, das liegt nicht nur am deutschen NetzDG. Facebook scheint aber sehr darauf bedacht, Europa bei Laune zu halten (dazu lohnt sich auch ein Klick ins Altpapier von Dienstag):
"Man orientiere sich dabei an europäischen Vorgaben. Dazu zählten auch Leitlinien für den Umgang mit Hass-Inhalten. Die EU setzt dabei vor allem auf Selbstverpflichtung und hat mit Facebook, Twitter, Microsoft und YouTube einen 'Verhaltenskodex' vereinbart, nach welchem die Konzerne Hasskommentare überprüfen und entfernen sollen."
Und Facebook ist natürlich ein glühender Streiter für das Gute und Richtige in der Welt. Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg sagte laut Zeit, Facebook gehe auf Bedenken ein. "Wichtiger als alles andere ist: Wir wollen das Richtige tun".
Arbeitslos wegen Overblocking?
Zurück zu den neuen Arbeitsplätzen in Bonn: Die scheinen bisher (noch) nicht unbedingt gebraucht zu werden. Denn erst wenn ein Netzwerk nicht für Ordnung auf seinem Territorium sorgt, also kritische Inhalte nicht löscht, dann ein Bußgeldverfahren am Hals hat und dagegen Widerspruch einlegt, würde die ganze Schose Sache eines deutschen Richters. Henning Hübert schreibt dazu beim @mediasres, die Bonner Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann habe sich darauf eingestellt, solche Fälle zu prüfen und dann zur Entscheidung einem von vier Bonner Schöffenrichtern vorzulegen. Allerdings gebe es noch kein einziges Bußgeldverfahren.
"Es ist sehr schwer, den Aufwand zu beurteilen. Wir haben mit großem Aufwand gerechnet und sind jetzt im Moment ein kleines bisschen überrascht. Aber das ist vielleicht dem Zeitablauf geschuldet. Darüber hinaus muss das Bundesamt für Justiz in seinem Bußgeldbescheid feststellen, dass Facebook, Google etc. keine ordnungsgemäße Organisation zum Umgang mit rechtswidrigen Eintragungen bereithalten. Und das kann man nicht schon dann feststellen, wenn ein, zwei Mal ein rechtswidriger Inhalt nicht gelöscht wurde", sagt Birgit Niepmann.
Und dann gibt’s noch die Befürchtung, dass Facebook & Co. in puncto Löschen aus finanziellen Gründen etwas übereifrig sein könnten:
"Sollte dauerhaft das sogenannte Overblocking eintreten, hätte die Bonner Behörde mit dem NetzDG kaum etwas bis nichts zu tun. Overblocking ist das übermäßige Löschen beanstandeter Inhalte bereits durch die Anbieter sozialer Netzwerke, die sich auf ihre selbst gegebenen Compliance-Regeln berufen und womöglich die hohen Bußgelder aus Bonn fürchten."
Womit wir wieder bei den ganz dicken Brettern wären: Meinungsbildung in einer Demokratie und so. Da wir darüber ja schon Anfang des Jahres viel diskutiert haben (z.B. in Altpapier x und y) gibt’s hier nur noch kurz eine Einschätzung von Oliver Soos zum Thema Transparenz auf rbb24:
"Facebook hält sich indes sehr bedeckt, was seine Löschkriterien angeht. Interviews mit den Mitarbeitern werden derzeit abgelehnt. Weltweit arbeiten laut Facebook 7.500 Personen in den so genannten 'Community Operation Teams'. Löschanfragen nach dem NetzDG würden oft von deutschsprachigen Mitarbeitern in den USA oder in Dublin bearbeitet oder von den 1.200 Mitarbeitern in den Löschzentren in Berlin und Essen. Laut Facebook haben alle Mitarbeiter eine spezielle NetzDG-Schulung erhalten."
USA und Dublin? Klar, da ist die Expertise, was das schöne deutsche Gesetz mit den 23 Buchstaben, hier im Altpapier liebevoll auch etz-erk-etz-etz genannt, betrifft, bestimmt besonders groß. Harte Zahlen und Fakten zu den Löschungen, aka offizielle Statistiken, solle es übrigens erst im Sommer geben. Dann will die Bundesregierung Bilanz ziehen. Aber auch vorher wird es sicherlich noch weitere Anlässe zur Diskussion geben.
Scham und Schweigen
Bei kaum einem Thema wird derzeit so hitzig diskutiert, wie in der Debatte um den Sexismus, sexuelle Gewalt und das Hashtag #metoo. In der Zeit (hier im €-Dossier und hier einmal knapper zusammengefasst) erheben nun weitere Schauspielerinnen schwere Vorwürfe gegen den deutschen Regisseur Dieter Wedel. Es geht dabei um Mobbing, Gewalt, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, vor allem im Zusammenhang mit der Produktion der Serie "Bretter, die die Welt bedeuten" zu Beginn der 80er-Jahre.
Dabei wird immer wieder die Frage gestellt: Wie berichten über solche Anschuldigungen? Bereits nach den ersten Anschuldigungen von Schauspielerinnen gegen den Filmemacher Anfang Januar im Zeitmagazin (Erinnerungsstütze in diesem und diesem Altpapier) gab es scharfe Kritik an der Zeit, Stichwort Hexenjagd, Unschuldsvermutung und mediale Hinrichtung (allerdings hauptsächlich in Boulevard-Medien und in der Welt). In einem Beitrag des NDR-Medienmagazins Zapp sagt Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo dazu:
"Es ist mit die schlimmste Anschuldigung, die man erheben kann gegenüber einem Menschen, dessen Ruf dann mit großer Wahrscheinlichkeit ruiniert ist. Deshalb haben wir viele, viele Wochen recherchiert und am Ende dieser Recherche fanden wir, dass diese Zeuginnen glaubwürdig sind."
Die Zeit haben nach eigenen Angaben bisher Informationen über 18 Fälle erreicht, in denen Wedel Belästigung, Nötigung und/oder Vergewaltigung vorgeworfen werden. Bisher wurden in den Medien auch Zweifel an den Vorwürfen transportiert, weil sie nicht direkt nach den Vorfällen geäußert wurden. n-tv berichtet dazu:
"'Warum kommen die erst jetzt damit - sprechen 20 Jahre später über ihre angeblichen Erfahrungen, fragen andere Skeptiker mit Blick auf die Filmindustrie. 'Wer das den Frauen vorwirft, versteht nicht, in welchen Nöten viele in der Filmbranche stecken', sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. 'Das klebt an ihnen, wenn sie sexuelle Belästigung zum Thema machen.' Auf Rollen seien sie weiterhin angewiesen - eine sehr schwierige Situation. Generell sei sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ein großes Problem - denn viele Betroffene hätten Angst, wüssten oft gar nicht, an wen sie sich wenden sollen."
Welchen Mut es kosten muss, in einem solchen Klima öffentlich über derartige Demütigungen und die damit verbundenen Traumata zu sprechen, zeigen die Äußerungen von Esther Gmesch (früher Christinat) in der Zeit. Über die Berichterstattung Anfang Januar sagt sie:
"Der Mut der Schauspielerinnen, ihre Geschichten zu erzählen, habe sie sehr bewegt, sagt Esther Gemsch. Auf einen derartigen Beitrag habe sie jahrzehntelang gewartet."
Und über ihre eigene Entscheidung, in den 80ern nicht von Wedel zu berichten:
"Sie dachte, der Übergriff sei ein einmaliger Ausrutscher, der sich am Set nicht wiederholen werde. 'Es war mir unangenehm, ich schämte mich und habe mit niemandem darüber gesprochen.'"
Kritik gibt es auch am Schweigen der Mitwisser, in diesem Fall am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn verantwortlich für die betreffende Produktion war der Saarländische Rundfunk. Die Vorwürfe Gmeschs kamen in den 80ern zwar nicht an die Öffentlichkeit, wurden aber scheinbar detailliert in den SR-Akten dokumentiert. Da sich die Dreharbeiten wegen des Ausfalls der Schauspielerin verzögerten, die Produktionskosten stiegen, wurde ein Revisionsbericht angefertigt. Auch die Anschuldigungen gegen Wedel sind der Zeit zufolge darin aufgelistet, der Regisseur werde namentlich genannt. In einem Tagesschau-Bericht zu dem Thema heißt es:
"Warum beim SR und innerhalb der ARD damals niemand energisch auf die Vergewaltigungsvorwürfe reagiert hat, ist unklar. Thomas Kleist, Intendant des SR, sagte dem NDR: 'Ich habe daraus für mich die Konsequenz gezogen und das Thema für die nächste Intendantensitzung angemeldet.' Es sei ihm wichtig, dass 'wir uns innerhalb der ARD über solche Vorfälle informieren'. Kleist kündigte an, er wolle ‚alles offenlegen, damit wir schonungslos die Dinge untersuchen können'."
Dieser öffentlich-rechtliche Ansatz ist sicherlich erstmal sinnvoll, kann aber nur ein Anfang sein. Allein Intendanten werden an dem Umgang mit dem Thema wohl nicht viel ändern können. Und auch die gesellschaftliche und mediale Kultur, in der vor allem Frauen nach dem öffentlichen Sprechen über Erlebnisse mit sexueller Gewalt oft noch als unglaubwürdig dargestellt werden oder so, als seien sie selbst schuld daran, wird nicht wegverwaltet werden können. Dafür braucht es wohl auch weiter die öffentliche Debatte, Sensibilisierung in den einzelnen Redaktionen und eine Kulturwende – auch unter den Lesern.
Die Macht von Sprache und Hashtags
Nicht nur der Umgang mit dem Wissen über sexuelle Gewalt, auch der grundlegende Umgang mit Sprache sei besonders wichtig, schrieb Nina Bovensiepen schon am Mittwoch in der Süddeutschen. Mündlich und auch schriftlich werde bei dem Thema sexuelle Gewalt immer wieder "gedankenlos, verharmlosend oder verletzend formuliert".
"Im Fall des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, dem Frauen vorwerfen, sie vergewaltigt zu haben, ist des Öfteren vom 'Sex-Skandal' oder von 'Sex-Attacken' die Rede. Dabei hat eine Vergewaltigung nichts mit Sex zu tun. Diese Wortwahl rückt ein mutmaßliches Verbrechen in den Bereich von gemeinsamer Lust und körperlicher Liebe. (…) Verbrechen müssen benannt werden, eine Vergewaltigung ist kein Sex. Das Deutsche hat viele eindeutige, klare Worte. Sie können Opfern helfen."
Die aktuellen Debatten können daran etwas ändern und dazu bewegen, Worte abzuwägen. Zu einem Schritt in die Richtung hat wohl auch der vor fünf Jahren gestartete #aufschrei geführt. Im Interview mit Broadly berichten dessen Initiatorinnen Anne Wizorek, Nicole von Horst und Jasna Strick über Dinge, die sich seitdem verändert haben, und Dinge, die gleichgeblieben sind:
"Seit #aufschrei kennt man in Deutschland Hashtags als Kampagnenmittel überhaupt erst richtig, das hat sich definitiv verändert. Außerdem müssen wir bei der aktuellen #metoo-Debatte viel weniger den Begriff 'Sexismus' erklären – aber was dann im Einzelnen darunter fällt, natürlich schon. Der Gegenwind, den die abbekommen, die ihre Erlebnisse geschildert haben, hat sich leider nicht verändert. Die Abwehrmechanismen in solchen Debatten sind immer wieder die gleichen alten Kamellen."
Und:
"Ich weiß jetzt, welcher Hass einem entgegenschlagen kann. Und wie sich das anfühlt."
Auch Julia Pfligl widmet sich im österreichische Kurier nochmal dem #aufschrei und fragt nach der Bedeutung für #metoo:
"Dank #Aufschrei erleben wir eine völlig neue feministische Bewegung", fasst Stevie Schmiedel von der Organisation Pinkstinks zusammen. (…) Ohne #Aufschrei, glaubt Schmiedel, wäre die internationale #MeToo-Kampagne im deutschsprachigen Raum nicht auf so fruchtbaren Boden gefallen. '#Aufschrei war sehr persönlich, #MeToo hat es auf eine systematische Ebene gebracht – Gehaltsschere, Probleme von Frauen in Führungsebenen. Jetzt müssen wir die Debatte in die Politik bringen.'"
Und weiter:
"Nüchterner beurteilt Soziologin Laura Wiesböck, die sich an der Uni Wien auch mit Genderthemen befasst, die Wirkung. 'Es findet immer noch eine Bagatellisierung des Themas statt. So werden Frauen, die Täter aus der Unsichtbarkeit hervorholen wollen, als 'Männerhasser' charakterisiert.'"
Allerlei Programmdiskussionen
Bei den Öffentlich-Rechtlichen brodelt grade das Fass mit den Programmshitstorms (um hier mal ne richtig schön bildliche Floskel rauszuhauen, die auch von den Perlen des Lokaljournalismus stammen könnte). Es gibt nämlich noch einen Nachklapp zum Kika-Film "Malvina, Diaa und die Liebe" über die Beziehung zwischen einer einem deutschen Mädchen und einem Geflüchteten aus Syrien (zur Erinnerung hier und hier klicken).
Nach der "offenkundig gezielt gesteuerte Empörungswelle seitens der AfD" (SZ.de) gegen den Film, die aufgekommen war, weil Malvina noch minderjährig ist und ihr Freund schon volljährig, was von der Redaktion allerdings zunächst anders kommuniziert wurde, schreibt nun Susanne Höll über den Umgang des Hessischen Rundfunks mit der Debatte:
"Auch der Vorsitzende des HR-Rundfunkrats Harald Brandes befasst sich mittlerweile persönlich mit dem Disput und will ihn, wie er sagt, selbstverständlich in den Aufsichtsgremien ausführlich diskutieren. Am Montag kommender Woche würden sich die Mitglieder des Fernsehausschusses damit beschäftigen. Brandes, der 2013 als Vertreter der Hessischen Handwerkskammern in den Rat kam und ein bodenständiger, unaufgeregter Mensch ist, prophezeit, dass es wohl noch weitere Beratungen geben wird, in den hessischen Gremien sowieso, vielleicht sogar auf höheren Ebenen."
Der HR ist für die Produktion des Films verantwortlich. Disclaimer: Für den Kika insgesamt liegt die Verantwortung im öffentlich-rechtlichen Konstrukt übrigens beim MDR.
Heute tagt übrigens der HR-Rundfunkrat. Dabei geht es unter anderem um ein weiteres Dauerbrennerthema: Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof soll dabei seine Ideen zur Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen.
Ebenfalls Hickhack um einen öffentlich-rechtlichen Inhalt gibt’s bei Youtube. Die Plattform hat eine Folge aus der funk-Webserie "Wishlist" für unangemeldete Nutzer gesperrt, "offenbar wegen einer vergleichsweise harmlosen Sex-Szene", heißt es bei Meedia.de (mehr dazu z.B. auch bei Spiegel Online). Radio Bremen, redaktionell verantwortlich für die Serie, hält die Beschränkung für überzogen. Auf der RB-Website heißt es dazu:
"Die jungen Macher der Wuppertaler Produktionsfirma Outside the Club, die Wishlist im Auftrag von Radio Bremen, MDR Sputnik und funk produzieren, haben die Sexszene mit Vita Tepel und Michael Glantschnig so umgesetzt, wie alles in dieser mehrfach prämierten Serie (u.a. Grimme-Preis, Fernsehpreis, Webvideopreis): authentisch, einfühlsam und mit starken Bildern."
Allerdings weiß das junge Angebot der Plattform die Zunge rauszustrecken: Auf der funk-Seite ist die Folge nämlich weiter ohne Altersbeschränkung abrufbar.
Wann, wie und worüber die Öffentlich-Rechtlichen, diesmal in der "Tagesschau" berichten sollte, kritisiert auch Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite (online aktuell nicht frei abrufbar). Dabei geht’s um den Umgang mit der Meldung über den an einer Lünener Schule erstochenen Schüler. Die ARD-aktuell-Redaktion hatte in der Tagesschau mit einer kurz (Hanfeld hat 19 Sekunden gezählt) vorgetragenen Meldung darüber berichtet.
ARD-aktuell-Chef Kai Gniffke erklärt in einem Blogpost, welche Diskussionen es in der Redaktion über die Berichterstattung gab und warum die Tagesschau schließlich berichtete. Handfeld ist damit nicht zufrieden (auch bei Twitter gibt’s selbstverständlich Diskussionen darüber):
"Es ehrt den Chef von ARD-aktuell, dass er den Zuschauern in dieser Weise Einblick in den Meinungsbildungsprozess der Redaktion gewährt. Doch er bezeugt zugleich, wie schwer sich die Nachrichtenmacher mit dem Kriterium der 'Relevanz‘' tun. Er stellt eine 'außergewöhnliche Anteilnahme und ein außergewöhnliches Medienecho' fest und findet es unbefriedigend, 'dass wir auch deshalb berichten, weil es viele andere auch tun'. Ob es der 'Tagesschau' irgendwann gegeben ist, neben dem gewöhnlichen Politikbetrieb, der jeden Tag abgebildet wird, auch das Außergewöhnliche zu erkennen, ohne nach links und rechts zu schauen, was die Kollegen tun?"
Altpapierkorb (HuffPost will Qualität, #diesejungenleute, No-Billag, Internet kills the TV-Star, Billboards statt Twitter)
+++ Die Huffington Post wirf sein Ursprungskonzept über Bord und trennt sich von seinen vielen Bloggern. Stattdessen wolle man nun auf Qualitätsjournalismus setzen, heißt es bei FAZ.net. Chefredakteurin Lydia Polgreen schreibt dazu: "Plattformen, die einst radikal demokratisierend erschienen, bedrohen inzwischen mit einem Tsunami falscher Informationen die Demokratie." Websites ohne redaktionellen Filter seien zu chaotischen, lärmenden Orten der Kakophonie verkommen, an denen sich die Stimmen gegenseitig übertönten und derjenige die Oberhand gewinne, der am lautesten schreie.
+++ Der Europäische Gerichtshof entscheidet heute laut dpa-Meldung bei der Welt über eine Klage gegen Facebook. Der Österreicher Max Schrems will das soziale Netzwerk in seiner Heimat wegen Datenschutzverstößen verklagen und dabei auch die Interessen von rund 25.000 weiteren Facebook-Nutzern vertreten.
+++ Das gestern hier erwähnte FAZ-Interview mit BBC-Mann Jim Egan steht jetzt online. Es geht darin um verschiedenste Medien-Buzzwörter: Tansparenz, schlanke Strukturen, Fake News, etc. Als eine der größten Herausforderungen bezeichnet er es, die Verbindung wiederherzustellen zu den Leuten, "die abschalten und sich um nichts mehr scheren."
+++ Unter #diesejungenleute sinniert Ann-Kathrin Büüsker bei Deutschlandfunks @mediasres über die Probleme zwischen den Generationen – in der Politik, aber auch in der Medienbranche. "Eigentlich ist es so naheliegend und banal, dass ich mich fast schon dumm dabei fühle, es artikulieren zu müssen: Es geht darum, auf Basis von Unterschiedlichkeit gemeinsam zu arbeiten. Schlaue Medienhäuser haben das erkannt und setzen Stück für Stück auf die Unterschiedlichkeit ihrer MitarbeiterInnen. Verschiedene Lebenswelten zusammenbringen, Diversität als Ressource nutzen."
+++ Besser mal im Auge behalten: Elsässers Compact produziert bei Youtube jetzt auch aktuelle Nachrichten.
+++ Der Bunte-Chefredakteur Robert Pölzer zeigt im Interview mit Meedia.de wir unglaublich toll und verantwortungsvoll das Blatt geworden ist. Es gebe viele Informationen, "die wir aus Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht nicht veröffentlichen". Aber halt nicht unbedingt bei Michael Schumacher (mehr dazu in diesem Zapp-Beitrag). Man achte jetzt auch auf die Umwelt ("Wir präsentieren Fotos in Konferenzen digitalisiert und für alle sichtbar auf der Leinwand. Das heißt, wir drucken keine Fotos mehr auf Papier aus.") und insgesamt werde sowieso alles moderner.
+++ Trotz der No-Billag-Kampagne in der Schweiz kann SRF seine Markanteile halten. Wie schon seit Jahren habe der Anteil 2017 über 30 Prozent gelegen, heißt es in der NZZ.
+++ Internet kills the TV-Star, jedenfalls wenn es um die Zukunft der österreichischen Satiresendung "Tagespresse" geht. Trotz guter Quoten werde es keine zweite Staffel geben, berichtet Oliver Mark bei standard.at. Das Team um Gründer Fritz Jergitsch wolle sich nach dem Abstecher ins Fernsehen wieder auf das konzentrieren, was es erfolgreich gemacht hat: Online. "Das Herzstück", so Jergitsch.
+++ VOX wird 25 und im Kölner Stadt-Anzeiger gibt's ein Geburtstagsständchen.
+++ Zurück zum Analogen: Werden Billboards das neue Twitter? Eventuell inspiriert von dem heute in Deutschland gestarteten Film "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" (für Cineasten: Kritiken gibt’s z.B. bei FAZ.net und Spiegel Online, ein Gespräch mit dem Filmemacher Martin McDonagh im SZ-Feuilleton) machen US-Republikaner ihrem Frust über ihren Präsidenten auf einer Plakatwand Luft.
Neues Altpapier gibt’s wieder am Freitag.