Das Altpapier am 12. April 2023: Porträt des Altpapier-Autoren Klaus Raab
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 12. April 2023 Differenziertes Rummsdiwumms

12. April 2023, 09:06 Uhr

Nordrhein-Westfalens Medienminister Nathanael Liminski nimmt die Intendantinnen und Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen in die Pflicht und sagt: Beitragsstabilität. Eine Zeitungszustellungsförderung wird von drei SPD-Leuten befürwortet. Und: neue Musk-Einordnungen. Heute kommentiert Klaus Raab die Medienberichterstattung.

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Die Zustellförderungsdiskussion geht weiter

Man muss nicht viel schreiben, wenn das Wasser mal wieder nass ist oder "irgendwas mit Medien" die TopTen der liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen fast alleine vollmacht. Aber das hier (z.B. tagesschau.de, tagesspiegel.de) ist eine Meldung: "Knapp sechs Prozent der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren in Deutschland waren noch nie im Internet." Die Zahl entstammt ursprünglich einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts, und sie bedeutet, es gibt in jedem Mehrparteienhaus eine Person, die unsere kleine Kolumne noch nie gelesen hat. Das größere Problem ist, dass man auch diese sechs in der Tendenz etwas älteren Prozent der deutschen Bevölkerung massenmedial überhaupt irgendwie erreichen wollen muss.

Sollte man den sechs Prozent deutschen Offlinern mal einen Telekommunikationstechniker vorbeischicken? Oder ihnen doch lieber den Zugang zu Printmedien sichern? Diese Frage führt uns zu einem Thema, über das (auch hier) direkt vor Ostern berichtet wurde – und heute nun wieder: eine staatliche Printzeitungszustellungsförderung, wie sie in der zurückliegenden Legislaturperiode schon im (damals CDU-geführten) Wirtschafts- und im (damals wie heute SPD-geführten) Arbeitsministerium geplant und diskutiert worden ist. Die neue Bundesregierung will sie derzeit allerdings nicht wirklich; das Grünen-geführte Wirtschaftsministerium jedenfalls will wohl "das Verlierer-Thema Zeitungszustellung nicht beackern" (Christian Bartels im Altpapier vom 4. April).

Die SPD macht’s aber offensichtlich ganz gerne. Auf der gedruckten Medienseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beziehen drei SPD-Politikerinnen und -Politiker Position für eine Zustellförderung; darunter ist Heike Raab, die Vorsitzende der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Ihre Skizze ist recht differenziert; sie gehen auf die unterschiedliche Situation in Stadt und Land ein, unterscheiden zwischen Gratis- und Kaufzeitungen undsoweiter undsofort. Und die Diagnose, dass Medien – also natürlich auch Printmedien – im demokratischen Diskurs eine wichtige Rolle haben, ist sowieso richtig. Dass es "die Abkoppelung der Printabonnenten von wesentlichen Medien der Meinungsbildung zu verhindern" gelte, ist eines der zentralen Argumente der drei SPD-Leute für eine solche Subvention.

Aber ein paar wacklige Bretter gibt’s bei dem Thema einfach auch. In ihrem Text heißt es etwa, Printmedien seien teurer geworden, weil Papier, Druckplatten und Zustellung teurer geworden seien; und…

"(e)ntsprechend sind die Verlage gezwungen, die Bezugspreise für Print-Abonnements zu erhöhen. In Zeiten, in denen viele Menschen jeden Cent zweimal umdrehen müssen, wird auch das Abo in Frage gestellt. Die Folge ist: Sowohl die Zahl der Abonnements als auch die noch abgedeckten Zustellbezirke gerade in ländlichen Regionen sind stark rückläufig. Diese Entwicklung ist dramatisch".

Printleserinnen und -leser könnten mancherorts "von seriöser Berichterstattung über Kommunalpolitik, lokalen Sport oder regionale Kultur abgeschnitten werden – mit allen absehbaren Folgen für gesellschaftliche Debatten und Wahlentscheidungen".

Ob eine den Verlagen zugute kommende Pressezustellförderung aber das richtige Instrument ist, um dieses Problem zu lösen? Diese Förderung würde unter den oben genannten Umständen ja höchstens dann die Leute zum Behalten ihrer Print-Abos bringen, wenn der Abo-Preis zugleich reduziert würde. Die Zustellförderung bleibt auf jeden Fall ein kniffliges Thema.

Liminski zur Reform der Öffentlich-Rechtlichen

Ein anderer wichtiger Medienpolitiker neben Heike Raab (SPD), die in Rheinland-Pfalz sitzt, ist Nathanael Liminski (CDU) aus Nordrhein-Westfalen. Er hat der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gegeben; und es geht um die Reform der Öffentlich-Rechtlichen, die ebenfalls ein kniffliges Thema ist, aber eines, mit dem man auch in der Politik wohl noch eher etwas gewinnen kann. Liminski erinnert im Sound ein wenig an einen Orchesterpaukisten, der leise und differenziert beginnt und, Crescendo, Crescendo, mit einem kleinen Rummsdiwumms endet:

"Weil ich redliche und realistische Medienpolitik betreiben will, sage ich immer dazu, dass ein stabiler Beitrag in einem Umfeld von zeitweilig zweistelliger Inflation und deutlicher Teuerung der Medientechnik schon eine gewaltige Managementleistung darstellt. Die Erwartung gar sinkender Beiträge zu wecken, ist in diesem Umfeld unrealistisch. Aber es gibt auch bei den Sendern eine Verantwortung, so ernsthaft zu sparen und kostenbewusst zu haushalten, dass man das Ziel der Beitragsstabilität erreichen kann. Jedem sollte klar sein: Eine mögliche Beitragssteigerung wird beim nächsten Mal nicht nur im Landtag von Sachsen-Anhalt auf entschiedenen Widerstand stoßen."

Gleichwohl, sagt er:

"Wenn es technische Dinge gibt, die für die Sender nun mal deutlich teurer geworden sind, oder wenn es Pensionsverpflichtungen gibt, die rechtlich verbindlich sind, dann muss ich solche Realitäten anerkennen und öffentlich benennen. Das muss jedem abverlangt werden, der seriöse Medienpolitik betreiben will."

Also: keine Beitragssteigerung. Aber ohne wird’s halt schwer. Liminski klingt, als würde er es den Intendantinnen und Intendanten nicht leicht machen wollen:

"Ich sehe nicht ein, dass das Intendantenprinzip – also die umfassende Gestaltungsmacht und Letztverantwortung der Senderspitze – immer nur dann hochgehalten wird, wenn es um die Freiheit der Programmgestaltung geht. Wenn es um Geschäftsführung und Betriebswirtschaftlichkeit geht, will man nur noch Sachwalter von Zwangsläufigkeiten sein."

Sein zentrales Sparziel richtet sich jedenfalls offensichtlich auf das Zusammenspiel der Sender:

  • Die ARD-Häuser könnten in manchem Programmangebot stärker zusammenarbeiten ("Verbrauchertipps, Wetterberichte und Gesundheitsmagazine sind nun nicht so regional geprägt, dass nicht einer sie für alle machen könnte")
  • aber auch ganz oben ("Jeder der ARD-Sender hat eine eigene Intendanz")
  • und in den Verwaltungen ("Reisekosten und Gehaltsabrechnung sind nicht so unterschiedlich zwischen München und Kiel, als dass man sie nicht zusammen organisieren könnte").

Das Interview ist alles in allem lesenswert, schon weil es in den Formulierungen nicht komplett, aber nahezu frei von Gestanze ist. Eigentlich geht es Liminski, nach allem, was man liest, darum: dass die Kleinteiligkeit und Step-by-step-Entwicklung der Öffentlich-Rechtlichen-Regelungen mal ein Ende hat. Ob er wirklich den großen Reformwurf vor Augen hat, kann man dem Interview allerdings nicht entnehmen.

Was Musk unter "fair und gleich" versteht

Auf einer anderen Baustelle geht es um das, was Twitter-Chef Elon Musk unter einer fairen und gleichen Behandlung von Medien versteht. Nachdem die öffentlich-rechtliche britische BBC von Twitter als "staatlich finanziertes Medium" geführt wurde (Altpapier von gestern), wehrt sie sich (Welt.de, faz.net und andere). Was nicht verwunderlich ist. Sie ist nicht staatlich finanziert und will sich natürlich nicht von einem viel zu einflussreichen Autobauer in den Rang einer Regierungsstelle versetzen lassen.

Die "SZ" hat darüber hinaus ein paar Details dafür zusammengetragen, was Musk unter einer fairen und gleichen Behandlung noch so versteht:

"Die Maxime einer vermeintlich 'fairen und gleichen' Behandlung scheint Twitter indessen auch auf russische Regierungskonten anzuwenden. Nach dem Kriegsbeginn beschränkte die Plattform deren Reichweite, einem Bericht des britischen Telegraph zufolge werden sie nun aber wieder prominent in der Suchfunktion angezeigt und als Konten, denen man folgen könnte, vorgeschlagen."

Betroffen davon sei beispielsweise die russische Botschaft in England.

"Im vergangenen März hatte sie kurzfristig international Aufmerksamkeit erregt, als sie auf Twitter gut dokumentierte Berichte über einen russischen Bombenangriff auf ein Kinderkrankenhaus in Mariupol als 'Fake' bezeichnete. Am Dienstagmittag twitterte sie nun, die BBC sei ein 'wohlbekanntes Instrument der Außenpolitik der UK-Regierung, um die Menschen anderer Länder zu beeinflussen'."

Die russische Botschaft in London wird bei Twitter als russische Regierungsstelle geführt. Nett von Musk. Aber: Ich habe sicherheitshalber nachgesehen. Darauf gewettet hätte ich eher nicht.


Altpapierkorb (Marina Zolotova, Frauenfußballrechte, NDR-Klimabericht, Radio Free Europe)

+++ Das Reporter:innenforum schreibt, dass Marina Zolotova im Gefängnis sitzt. Die belarussische Journalistin hatte 2021, da sei sie schon in U-Haft gewesen, den Sonderpreis des Forums bekommen, "für ihren Mut und ihre Entschlossenheit, sich für eine freie Presse und ein demokratisches Belarus einzusetzen". Nun fand die "Gerichtsverhandlung" statt; die Anführungszeichen kommen vom Reporter:innenforum. Das Urteil laute auf zwölf Jahre. "Der Vorwurf gegen Marina: 'Beihilfe zur Steuerhinterziehung'. Tatsächlich war es die Rache des Lukaschenko-Regimes dafür, dass ihre Redaktion unerschrocken über die Proteste gegen die Diktatur berichtet hatte."

+++ Fußballrechte sind auch ein Thema. Michael Hanfeld kümmert sich in der "FAZ" um die Frauen-WM im Juni und Juli in Australien und Neuseeland. Die Austragungsorte garantieren einige sehr unfreundliche Anstoßzeiten für das Publikum in Deutschland, aber was Hanfeld umtreibt, sind die Einnahmen, die die veranstaltende Fifa erzielen will: Deren Chef Gianni Infantino "hat für den Fußball der Frauen und der Männer das Prinzip 'Equal Pay' verkündet und sich entrüstet, dass die Sender für den Frauenfußball '100-mal' weniger ausgeben wollten als für das Nationalgekicke der Männer." Equal Pay, das ist hübsch: Die Fifa will offensichtlich gleich viel Geld einnehmen, aber Equal Pay hieße ja, wenn sie gleich viel ausschüttet. Die Frage ist jedenfalls: Wie viel sollten ARD und ZDF für die Übertragungsrechte zu zahlen bereit sein?

+++ Michael Ridder kommentiert in "epd Medien" den "Klimabericht" zur NDR-Unternehmenskultur (Altpapier). Intendant Joachim Knuth, schreibt er, "gebührt immerhin das Verdienst, mit der Veröffentlichung des Berichts die Missstände öffentlich gemacht zu haben. Er muss nun umsteuern. Vieles von dem, was das aus sechs Personen bestehende Team um den Manager und Theologen Stephan Reimers zusammengetragen hat, lässt sich übrigens mühelos auf andere ARD-Anstalten und teils auch auf andere Unternehmen aus der Branche übertragen - beispielsweise die Zwei-Klassen-Gesellschaft aus festen und freien Mitarbeitern."

+++ Frei lesbar im "Merkur": der Beitrag "Neutrale Politik", der sich nur in einem Satz der "Hysterie um cancel culture" widmet und vielmehr den Bogen von Jürgen Habermas zwei "Strukturwandeln" zum Digital Services Act schlägt.

+++ Und nicht unerwähnt bleiben soll die Seite 3 der "SZ": Willi Winkler über Radio Free Europe.

Das Altpapier vom Donnerstag schreibt Christian Bartels.

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