Kolumne: Das Altpapier am 15. Dezember 2022 Immer auf die Sparten
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15. Dezember 2022, 11:27 Uhr
Die ARD-Anstalten wollen bei den Spartenkanälen und dem Hörfunk sparen. Ist das eine gute Idee? Was ist denn zum Beispiel mit dem Tierdoku-Sender Phoenix? Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.
Welcher Finger soll ab?
Tom Buhrow hat am Dienstag in Potsdam mit den übrigen ARD-Intendantinnen und -Intendanten darüber gesprochen, wie die Sender besser zusammenarbeiten können, oder um das Ganze etwas knackiger klingen zu lassen: wie sie "auch im Programm ihre Kräfte noch stärker bündeln" können, so steht es in der Pressemitteilung, die zu dem Treffen gestern erschienen ist.
Das Ergebnis ist schnell zusammengefasst: In den Bereichen "Klima, Verbraucher und Hörspiel" wollen die Anstalten "senderübergreifend Kompetenzen" zusammenführen. Und man fragt sich: Kann man das denn nicht so ausdrücken, dass man sich darunter auch irgendwas vorstellen kann?
Wenn die Sender Geld sparen wollen, und das ist der Fall, dann bedeutet die Einigung sehr wahrscheinlich: Man will schauen, wo Dinge doppelt gemacht werden, die auch ein Sender für andere mitmachen könnte. Und das würde bedeuten: Man käme mit weniger Personal aus. Im Grunde geht es also darum. Aber das klingt natürlich lange nicht so gut wie "Kompetenzen zusammenführen".
In einem zweiten Punkt wird die Pressemitteilung deutlicher, zumindest ein bisschen. Nach dem gerade verhandelten Medienstaatsvertrag haben die Sender die als neue Möglichkeit verpackte sehr blöde Aufgabe, selbst zu entscheiden, welche Programme sie unter größerem Aufwand linear senden und welche sie einfach kostengünstig zum Abruf bereitstellen wollen.
Diese neue Möglichkeit zur "Flexibilisierung" wollen die Sender laut der Pressemitteilung nun nutzen, was in etwa bedeutet: Wir wollen die Möglichkeit nutzen, selbst zu entscheiden, welche Finger wir uns abschneiden. Auch hier es geht vor allem darum, mit weniger Personal auszukommen. Aber was bedeutet das in diesem Fall?
"Das bedeutet, dass Spartenkanäle und Hörfunkangebote nicht mehr linear, sondern vor allem digital angeboten werden."
Spartenkanäle und Hörfunkangebote also. Das sind die Angebote, bei denen sich nicht ganz so viele Menschen wehren, wenn man ein Stück rausschneidet oder sie irgendwo versteckt. Und natürlich, wenn alle wie gebannt auf die Quote schauen, um die Qualität des Programms zu bewerten, ist es nur folgerichtig, wenn das entfällt, was ein kleines Publikum hat.
Das lässt sich so auch gut begründen. Wenn es schon die Möglichkeit gibt, ein Programm zu einer bestimmten Zeit für alle gleichzeitig zur Verfügung zu stellen, dann ist es doch sinnvoll, wenn möglichst viele Menschen, die den Fernseher einfach so einschalten, dort relativ wahrscheinlich auch etwas finden, das sie interessiert. So kann man das sehen.
Allerdings, und das ist ein Gegenargument, bietet das lineare Programm eine bestimmte Art von Fernsehen in einem festen Umfang an. Fällt dieser Rahmen weg, entfällt zunächst einmal Aufmerksamkeit, denn das lineare Programm ist weiterhin eine Art Schaufenster.
Und es ist wie mit den Medienseiten in den Zeitungen, die zusammengestrichen werden. Es heißt dann immer, die Inhalte werden Teil der allgemeinen Berichterstattung, aber da haben sie keinen festen Platz mehr. Inhalte, die sich dort nicht durchsetzen können, fallen weg. Es geht zu Lasten der Beiträge, die ein kleines Publikum haben, was aber nicht unbedingt gegen ihre Qualität spricht. Oft sind es Inhalte, die in einem von Markt und Quote dominierten Programm nicht vorkommen, damit gäbe es sie gar nicht mehr. Und ist das nicht die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Programms – die Inhalte anzubieten, die der Markt aussortiert, obwohl sie wichtig sind?
Und wenn diese Teile des Programms oder der Zeitung dann ganz wegfallen, fehlen sie allenfalls in der Mediathek, wo es später vielleicht auch nicht so sehr auffällt, wenn sie ganz fehlen, denn dort sind die Inhalte ja weiterhin ganz gut versteckt. Aber das soll sich ändern.
Die Plattformfrage
In der Pressemitteilung steht:
"Die ARD will bis 2030 eine digitale öffentlich-rechtliche Qualitätsplattform aufbauen."
Eine Frage ist, warum steht hier nicht: ARD und ZDF wollen zusammen eine digitale öffentlich-rechtliche Qualitätsplattform aufbauen? Vielleicht, weil es eine Pressemitteilung der ARD-Intendantinnen und -Intendanten ist. Trotzdem ist das möglicherweise gemeint.
Einen Tag später, im Berliner Abgeordnetenhaus, wo Tom Buhrow eingeladen war, um über die Reform der öffentlich-rechtlichen Sender zu sprechen, sagte er, wie die Nachrichtenagentur epd schreibt, hier bei der FAZ, 2030 werde es keine getrennten Mediatheken mehr geben, sondern eine gemeinsame Mediathek oder eine gemeinsame Plattform? Oder ist hier dasselbe gemeint?
Den Unterschied zwischen einer Mediathek und einer Plattform könnten zum Beispiel die Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb des Angebots ausmachen. Zurzeit sind alle möglichen Angebote der ARD-Sender mit teilweise mehreren Konten auf den verschiedenen Plattformen zu finden. In ihrer Pressemitteilung kündigen die Intendantinnen und Intendanten an, die Social-Media-Präsenzen der ARD zu reduzieren und – das Wort klingt in dem Zusammenhang ja auch immer ganz gut – zu fokussieren. Als Ergebnis solle ein "regional verankertes Inhalte-Netzwerk" stehen. Und was ist mit dem ZDF?
Gut aufgestellt? Gut abgestellt?
Intendant Norbert Himmler hat laut Uwe Mantel für DWDL vor dem ZDF-Fernsehrat den Satz gesagt: "Das ZDF steht finanziell und programmlich sehr solide da." Und tatsächlich hat Himmler nicht die Probleme, mit denen die ARD-Anstalten sich plagen. Dort geht es gleichzeitig um die regionale Identität, die es gegenüber dem Wunsch nach mehr Zentralität zu verteidigen gilt. Es geht um den Wunsch der einzelnen Anstalten nach möglichst viel Einfluss, und gleichzeitig muss man dann doch wieder so zusammenarbeiten, dass nicht alles doppelt und dreifach gemacht wird, was auch in einer einzigen Ausfertigung reichen würde. Man muss "Kompetenzen zusammenführen".
Das muss Himmler nicht. Das ZDF sei als "zentral organisierter Sender gut und effizient aufgestellt", sagt er laut DWDL. Und das führt dazu, dass Himmler keine so große Notwendigkeit sieht, seine "Beiboote", wie Mantel schreibt, na gut, wir bleiben im Bild, aus dem Wasser zu holen. Das bestätigte Buhrow am Mittwoch in Berlin, wie die dpa dokumentiert hat, hier zu lesen beim Handelsblatt. Himmler habe klargemacht, dass das ZDF an seinen beiden Spartensendern ZDFneo und ZDFinfo festhalten werde.
Die ARD dagegen will sich "absolut vorurteilsfrei" im neuen Jahr anschauen, was man aus dem linearen Programm, nun ja, wegflexibilisieren kann. In den Blick ist Buhrow da schon der Sender ARDOne geraten, aber wie gesagt: "absolut vorurteilsfrei".
Und falls Sie sich gerade fragen: Was gibt es denn eigentlich sonst noch so an Spartenprogrammen? Die dpa hat in ihrer Meldung eine kleine Übersicht erstellt. Da wären: Tagesschau24 (ARD), Phoenix (ARD und ZDF), KiKa (ARD und ZDF), ZDFinfo (ZDF), ZDFneo (ZDF), ARD alpha (ARD) und One (ARD).
Von außen würde man ja zuallererst denken: Reicht denn nicht auch ein gemeinsamer Nachrichtensender, für den dann auch genug Programm da ist, um den Rest nicht mit Tierdokus auffüllen zu müssen?
An der Stelle noch ein Blick ins Phoenix-Programm am Wochenende: Samstag um 7.15 Uhr: "Helden der Evolution – Vögel". Auch ganz interessant, um 8 Uhr dann: "Helden der Evolution – Meeressäuger". Und wenn Sie schon mal dabei sind, schauen Sie am besten auch noch um 8.45 Uhr: "Helden der Evolution – Schildkröten". Bis dann um 14.15 Uhr die Doku "Freche Viecher – Nandus" beginnt, müssten Sie die Zeit allerdings mit einer Helmut-Kohl-Doku überbrücken. Dann geht es aber auch gleich weiter. 15 Uhr: "Freche Viecher – Sittiche". 15.45 Uhr: "Freche Viecher – Nutrias". Und wenn Sie sich dann etwas zu essen machen, geht’s um 18 Uhr wieder von vorne los "Helden der Evolution – Meeressäuger". 18.45 Uhr: "Helden der Evolution – Schildkröten".
Und natürlich, das ist der Samstag, da gibt es nicht so viele Nachrichten. Aber wenn man die Programme von Tagesschau24 und Phoenix übereinanderlegt, gibt es Zeiten, da sieht man schon: Das muss nicht alles linear gesendet werden.
Startknopf für Reformen
Sprechen wir noch kurz über Geld. Norbert Himmler hat angekündigt, bis 2025 etwa 100 Millionen Euro umzuschichten, aus dem Hauptprogramm in einen Topf, der dem ZDF "mehr Handlungsfreiheit für die Mediathek oder die digitalen Kanäle" gibt, wie Uwe Mantel schreibt. Das Wort "gemeinsam" ist hier im Zusammenhang mit der Mediathek ebenfalls nicht zu finden.
Und was macht die ARD? Natürlich, man könne die Intendantengehälter kürzen, aber auch dann würde der Rundfunkbeitrag nicht sinken, sagte Tom Buhrow gestern im Berliner Abgeordnetenhaus. Zur Frage, ob der Beitrag denn nun steigen wird, hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff neulich der "Welt" gesagt, er halte das auf absehbare Zeit für ausgeschlossen.
Buhrow dagegen sagte gestern, es sei mathematisch unmöglich, "dass der Rundfunkbeitrag nicht steigen wird". Das stimmt insofern, als die Sender von Jahr zu Jahr für ein Angebot im gleichen Umfang mehr Geld brauchen werden. Aber ist es politisch unmöglich?
Die Kommission, die den Finanzbedarf der Sender ermittelt, wird dabei nicht das Problem sein. Sie fragt gerade wieder herum, wie viel Geld die Sender denn benötigen, berichtete Helmut Hartung gestern auf der FAZ-Medienseite. Und wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass der Beitrag steigen muss, dann wird die Kommission das vorschlagen. Die Frage ist, wie es weitergeht, wenn die Länder nicht einverstanden sind. Beim letzten Mal klebte Sachsen-Anhalt sich in den Weg, wurde dort aber weggeräumt. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar: So geht das nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat das Recht auf eine angemessene Finanzierung.
Aber was wird passieren, wenn es wieder zu so einer Situation kommt? Wird Sachsen-Anhalt dann doch wieder zähneknirschend zustimmen, weil sich eh nichts machen lässt? Oder stellt es sich dann vielleicht bei anderen Entscheidungen quer, die in der Medienpolitik ja alle einstimmig geschlossen werden müssen?
Joachim Huber kommentiert den Auftritt von Tom Buhrow heute für den Tagesspiegel. Er sieht die Verantwortung erst einmal bei den Sendern. Huber schreibt:
"ARD und ZDF starren gerne auf vermeintliche und tatsächliche Feinde im Publikum, in Politik und Gesellschaft. Und übersehen dabei, dass sie selber den Startknopf für den Reformprozess auf Taste haben. Wer sie nicht drückt, der wird weggedrückt."
Aber mal was ganz anderes: Sind denn in der Fernbedienung überhaupt noch Batterien?
Altpapierkorb (RBB-Orchester, Washington Post, Nachhaltigkeit in Medien, Österreichischer Verschwörungssender)
+++ Der RBB hat im vergangenen Jahr das Deutsche Symphonie-Orchester im Berliner Messezentrum untergebracht, um in Ruhe ein digitales Medienhaus bauen zu können. Und das wird nun teurer als gedacht, nachdem schon das digitale Medienhaus gestrichen worden war, weil es teurer als gedacht werden sollte, berichtet das Magazin "Business Insider" (€). Die Messe habe die monatlichen Betriebskosten von 50.000 auf 120.000 Euro heraufgesetzt. Für den Sender drohten Mehrkosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Überraschend kommt das laut dem Bericht nicht, die Messe habe schon im vergangenen Jahr vor den finanziellen Risiken gewarnt.
+++ Die Washington Post will Stellen abbauen, unter anderem in der Nachrichtenredaktion, um sich, wie die New York Times berichtet, auf die Berichterstattung in anderen Bereichen zu konzentrieren. Fred Ryan, Herausgeber der Washington Post, habe angegeben, es gehe um einen einstelligen Prozentsatz des Personals. Das ist vage, theoretisch könnte es damit um knapp 100 der 1.000 Beschäftigten in der Redaktion gehen. Ryan sagte allerdings ebenfalls, die Kürzungen würden durch Einstellungen in anderen Bereichen ausgeglichen.
+++ Stefan Niggemeier hat sich für Übermedien (€) eine Woche lang Julian Reichelts Youtube-Show angesehen, die "Achtung, Reichelt" heißt, dem Eindruck nach aber auch "Verachtung, Reichelt" heißen könnte. Niggemeier erklärt darin auch den "Kern der publizistisch-ideologischen Arbeitsweise von Julian Reichelt".Und der sieht so aus: Reichelt "übersetzt die Wirklichkeit, bis sie so klingt, wie es seine wutwilligen Anhänger immer befürchtet haben. Und dann sagt er ihnen, dass sie recht haben mit ihren Befürchtungen, und sich das von niemandem ausreden lassen sollen. Das Mantra, das er am Ende jeder Folge formuliert, lautet: 'Entschuldigen Sie sich niemals für das, was Sie sind oder woran Sie glauben, und haben Sie keine Angst: Sie sind nicht allein mit Ihrer Meinung.'"
+++ Helmut Hartung hat für sein Blog mit Thorsten Schmiege gesprochen, dem Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gesprochen, der mit seiner Initiative "Nachhaltigkeitspakt Medien Bayern" erreichen möchte, dass Medien ein "ein branchenspezifisches Verständnis von Nachhaltigkeit entwickeln".
+++ Die österreichische Medienbehörde hat ein Verfahren gegen den Sender AUF1 eingeleitet, weil er Verschwörungsmythen und Falschmeldungen verbreitet, berichtet die Tagesschau.
Das Altpapier am Freitag schreibt Klaus Raab.
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