Das Altpapier am 3. Januar 2018 Sie wissen, wo das Handtuch ist
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Tagesthemen und heute-journal schmücken sich an ihren Geburtstagen beide mit einem Satz von Wolf von Lojewski. Hans Hoff zählt derweil die kommentierenden Schlipsträger bei den Tagesthemen durch. Das ZDF würde mit Netflix kooperieren. Und: mehr zum NetzDG. Ein Altpapier von Klaus Raab.
Wenn die zwei prägendsten Nachrichtenmagazine des Landes am selben Tag ihren 40. Geburtstag feiern, wie gestern "Tagesthemen" mit einer Schlussrevue und "heute journal", dann lohnt sich ein Blick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Beginnen wir mit dem Gemeinsamen: Abgesehen von den gestern hier schon erwähnten Aspekten, die Märkische Allgemeine Zeitung und Tagesspiegel fanden ("zwei Ex-Hochämter"), ist beiden Sendungen zum Beispiel gemein, dass Wolf von Lojewski zu den ehemaligen Moderatoren zählt. In der frühen Phase ab 1978 führte er zunächst eine Zeitlang durch die "Tagesthemen"; später ging er für viele Jahre zum "heute journal". Das erklärt, dass er sowohl in einer Rückschau der ARD als auch in einer des ZDF auftaucht. Lustig ist nur, mit welchem Zitat.
In einem Gespräch auf tagesschau.de (ab Minute 2:15) wird ihm folgender Satz zugeschrieben:
"Die 'Tagesschau' sagt: 'Minister wirft das Handtuch', die 'Tagesthemen' sagen, wohin."
Laut zdf.de sagte er - so steht es im Teaser eines "Hallo Deutschland"-Beitrags:
"Die heute-Ausgabe um 19.00 Uhr meldet: Politiker XY wirft das Handtuch - wir sagen, wohin!"
Eine dritte Variante des Satzes erlaubt die Deutung, dass sich Wolf von Lojewski einfach immer wieder mal selbst zitiert hat. Er himself gibt sie im sechsminütigen "Hallo Deutschland"-Film zum Besten (ab Minute 1:48):
"Es gibt den Spruch, die anderen melden alle, Minister hat Handtuch geworfen, und das 'heute journal' sagt, wohin."
Welches der Magazine den Standort des Handtuchs nun aber als erstes kannte und wer sich damit nur das Grüne hinter den Ohren abrubbelt, das können Sie sich jetzt aussuchen.
Die Interviews und die Kommentare
Was die Unterschiede zwischen "heute journal" und "Tagesthemen" angeht - da ist Hans Hoff in seiner DWDL-Kolumne fündig geworden. Er vermisse, schreibt er, die "Unverwechselbarkeit" der "Tagesthemen": Es sei eine
"Tatsache, dass das eine Ereignis, an das sich beim Thema Tagesthemen spontan alle erinnern, jener Moment ist, als Caren Miosga auf dem Moderationstisch stand, um des verstorbenen Schauspielers Robin Williams zu gedenken. Da waren die Tagesthemen auf einmal wieder in aller Munde. Aber das war 2014. Seitdem haben die vom Heute-Journal viele Interviews geführt, die für Diskussionsstoff sorgten. Vor allem die bissige Art von Marietta Slomka lässt ein Interview mit der ZDF-Sendung bei Politikern gelegentlich auf einer Stufe mit einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt rangieren. Bei den Tagesthemen führt man auch gute Interviews, ordentliche Interviews, aber einen echten Kracher hatten sie schon lange nicht."
Was die "Tagesthemen" heraushebe, sei dagegen am ehesten der Kommentar, so Hoff. Wobei, ein so richtig großer Fan davon ist er offensichtlich nicht. Besonders unterwältigt ist er wohl von den Kommentatoren Thomas Baumann und Rainald Becker:
"Niemand sonst kann so ausdruckslos und leer in die Kamera schauen wie diese beiden Schlipsträger. Nie wurde nichts in Wort und Bild besser dargestellt."
Hoff setzt schließlich auf die Frauen im "Tagesthemen"-Kommentarteam, deren Anteil am Jahresende deutlich höher gewesen sei als noch im September, und schließt:
"Und wenn sich dann alles so wunderbar weiterentwickelt, dann kommt eine dieser dann die Mehrheit stellenden Kommentatorinnen gemeinsam mit ihren Kolleginnen auf die Idee, dass man nach 40 Jahren Tagesthemen einfach mal den Kommentar abschaffen könnte. […] Für die Tagesthemen käme das einer großen Befreiung gleich. Es gäbe die Chance, ohne den Ballast am Bein mal ganz anders aufzutrumpfen, sich neue Schwerpunkte zu suchen und wieder zur ersten Adresse zu werden."
Spaß mit der ZDF-Mediathek
Viel Freude hat man übrigens auch, wenn man sich (Stand Dienstag, 21 Uhr) die Beiträge anzuschauen versucht, die das ZDF anlässlich der Geburtstagsfeierlichkeiten des "heute journals" in die Mediathek gekippt hat. Unter den Meldungen auf heute.de steht der Text eines @ZDF-Tweets vom Dienstagnachmittag ("Wir gratulieren unseren Kollegen…"). Klickt man darauf, wird man zunächst aufgefordert, das Anzeigen von Social-Media-Inhalten zu gestatten. Die Erlaubnis bringt einen zum kompletten @ZDF-Tweet inklusive Link zu einem ZDF-Beitrag, den man, nachdem man gestattet hat, Social-Media-Inhalte anzuzeigen, öffnen kann, um so von zdf.de kommend schließlich am Ende direkt bei, tätää, zdf.de zu landen. Nun muss man den Videobeitrag nur noch starten, und schon kann man ihn sehen. Es sind von der Ankündigung eines ZDF-Inhalts auf zdf.de bis zum ZDF-Inhalt also gerade einmal vier Klicks.
Der Beitrag selbst - der vierminütige Jubiläumsbeitrag "40 Jahre heute journal" - ist bebildert mit einem "heute journal"-Geburtstagslogo. Unter diesem Beitrag steht in der Mediathek unter "Auch interessant" ein vierminütiger Beitrag, der dort mit einem alten Foto des ehemaligen "heute journal"-Moderators Dieter Kronzucker angekündigt ist. Es ist noch mal derselbe Film. Ebenfalls unter "Auch interessant" findet sich zudem der bereits eingangs zitierte ZDF-Glückwunschfilm aus der Sendung "Hallo Deutschland". Er ist in der Mediathek mit einem Foto von Gundula Gause und Claus Kleber bebildert. Dieser Beitrag ist wiederum an anderer Stelle in einen Text eingebunden, der mit dem besagten historischen Kronzucker-Foto bebildert ist, das dort nun aber Teil einer 25-teiligen Klickstrecke ist.
Zu diesem Text gelangt man unter anderem, indem man in der Mediathek unter dem zweiminütigen Video eines Poetry-Slammers, der sich zu Ehren des "heute journals" was ausgedacht hat, nicht auf den Beitrag "40 Jahre heute journal" klickt und auch nicht auf den Beitrag "heute journal wird 40" (der an anderer Stelle in der Mediathek ebenfalls "40 Jahre heute journal" heißt), sondern auf den Beitrag "Dank an Zuschauer". Dann öffnet sich ein Fenster, in dem ein Tweet von "heute journal"-Redaktionsleiter Wulf Schmiese verlinkt ist, in dem wiederum der besagte Text verlinkt ist.
Wer sich da nochmal reinvertiefen möchte: Über die Nutzbarkeit von öffentlich-rechtlichen Mediatheken hat vor Kurzem (siehe Altpapier) Übermedien ausführlich geschrieben.
ZDF würde mit Netflix kooperieren
Apropos einleuchtendere Mediathek: Das ZDF würde mit Netflix kooperieren. Sagt Intendant Thomas Bellut im dpa-Interview, das am Dienstag online herumgereicht wurde und heute in diversen Printausgaben zusammengefasst ist. Spiegel Onlines Fernsehredakteur cbu, also Christian Buß, ordnet ein:
"Kooperationen mit Pay-TV-Anbietern sind bürokratisch und juristisch relativ schwierig für öffentlich-rechtliche Anbieter. In der ARD etwa wird intern heftig darüber diskutiert, ob 'Babylon Berlin' - oder ob nicht eher Sky von einer frühen Erstausstrahlung profitiert, während die ARD die Serie erst viel später zeigen darf. Gleichzeitig eröffnen solche senderübergreifenden Projekte dem Ersten und dem Zweiten neue Finanzierungsmodelle - und die sind gerade vor dem Hintergrund neuer Sparauflagen notwendig."
Auch bei noizz.de, dem bento von Springers Bild-Gruppe, dachte man sofort an "Babylon Berlin": "Die ARD hatte die Idee als erstes: Kooperationen mit Pay-TV-Sendern. Zusammen mit 'Sky' hat der Sender die Krimiserie 'Babylon Berlin' produziert."
Wobei Dietrich Leder darauf hinweist, dass es sich dabei "nicht um die erste Zusammenarbeit zwischen einem deutschen Pay-TV-Sender und einem öffentlich-rechtlichen Programm" gehandelt habe. "So etwas gab es bereits - etwa beim Grimme-gekrönten Fernsehfilm 'Das Urteil' in den 1990er Jahren, als Sky noch Premiere hieß." Leders späte, aber ausführliche "Babylon Berlin"-Kritik, in der auch eine Fernsehkritik kritisiert wird, "die längst zur Reklameagentur für alles, was 'High-Class-Serie' heißt, verkommen ist", steht in der Medienkorrespondenz.
Im dpa-Interview mit ZDF-Intendant Bellut übrigens geht es auch um die zukünftige Rundfunkbeitragshöhe, um Texte auf öffentlich-rechtlichen Websites und um seine Position im Konflikt mit den Zeitungsverlegern. Aber das ist uns eigentlich alles zu 2017. 2018 wird nur noch gefeiert. Nach dem gestrigen 40. von "Tagesthemen" und "heute journal" geht es nämlich gleich so weiter. Denn "das nächste Jubiläum wartet schon: Im Frühjahr wird (Gundula) Gause seit 25 Jahren dabei sein", schreibt David Denk auf dem Seite-4-Porträtplatz der Süddeutschen Zeitung.
Wir freuen uns schon auf die ZDF-Beiträge "25 Jahre Gundula Gause beim heute journal", "Gundula Gause 25 Jahre beim heute journal" und "25 Jahre beim heute journal: Gundula Gause".
Altpapierkorb (NetzDG, Korrespondentin mit Kopftuch, Mediensport Darts, Fake-Fake, Kandel und die Medien)
+++ Das Aufregerthema des Tages: das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Es gibt gute Texte dazu, etwa den von Falk Steiner im Deutschlandfunk-Blog: "Kurz gesagt: die Betreiber besonders großer Schwarzer Bretter im Internet müssen nun nach einem bestimmten Verfahren in spätestens sieben Tagen entscheiden, ob ein Zettel dort hängen bleiben darf, wenn ihnen jemand mitteilt, dass es sich dabei um eine Straftat handeln könnte." Instruktiv auch: netzpolitik.org. "Von Zensur reden in diesen Tagen vor allem die Rechten. Denn zusätzlich trägt ein aktueller Fall um die AfD-Politikerin Beatrix von Storch […] zur Ausweitung der Diskussion um das NetzDG bei. Ihr Twitter-Account war nach einem rassistischen Ausfall für zwölf Stunden suspendiert worden." Was der Grund für die Aufregung ist. Der Konzern verweise allerdings "auf seine eigenen Nutzungsregeln, die Hassnachrichten ohnehin nicht dulden. Diese Regeln gelten seit vielen Jahren, nicht erst seit Inkrafttreten des deutschen Gesetzes." Auch die vielen Strafanzeigen gegen von Storch (Tagesspiegel) seien "ganz unabhängig vom NetzDG. Trotzdem macht es die Diskussion nicht einfacher, wenn man die Meinungsfreiheit zu verteidigen sucht, aber vor allem Fälle von Volksverhetzung unter AfD-Leuten diskutieren muss."
+++ Natalie Amiri berichtet für die "Tagesthemen" aus dem Iran, die Süddeutsche erklärt, "wieso in den 'Tagesthemen' eine Reporterin mit Kopftuch berichtet". Tja, warum wohl? "[I]n der Islamischen Republik Iran müssen alle Frauen, unabhängig von Glauben oder Nationalität, in der Öffentlichkeit den Kopf bedecken."
+++ Die taz hat sich Gedanken darüber gemacht, wie Darts zum Mediensport wurde. "Allerdings ist man von der Lebensart der Unterschicht nur solange begeistert, wie sie Pfeile auf Scheiben wirft - aber nicht wenn sie den Brexit erzwingt oder Donald Trump wählt. Dann wird der Bierbauch von der charmanten Beigabe zu einem unprätentiösen, einfachen Leben zum Symbol habitueller Rückständigkeit."
+++ Wie Donald Trump dank Twitter den "holiday news cycle" dominierte, schreibt politico.
+++ Wie Journalisten, die lange gegen Paywalls waren, sich mit ihnen angefreundet hätten, schreibt digiday.com.
+++ Fake oder nicht Fake? Wie schwierig das im Einzelfall ist, darüber schreibt Übermedien: "Die ganze Geschichte ist ein beunruhigendes Beispiel dafür, wie kompliziert der Umgang mit echten oder vermeintlichen Fake News ist. Es ist ungemein schwer, der Wahrheit nahezukommen, und extrem leicht, eine unüberprüfte Geschichte weiterzuverbreiten - und eben auch die Geschichte von einem angeblichen Fake."
+++ Michael Hanfeld fühlt sich in der FAZ von der ARD linksliberal belehrt. Wobei er nicht von den "Tagesthemen", sondern von der "Tagesschau" spricht, die an Weihnachten auch einen Geburtstag feierte, den 65. nämlich. Bei Hanfeld in der FAZ geht es um die Berichterstattung über den Mord an einer jungen Frau in Kandel (siehe Altpapier vom Dienstag). Hanfeld wirft der "Tagesschau" vor, nicht sofort berichtet, sondern einen "Eiertanz" aufgeführt zu haben. Er behauptet: "Es gibt einen Täterschutz der linksliberalen Öffentlichkeit, der einsetzt und die Verhältnisse auf den Kopf stellt, sobald Kriminalität, Herkunft, Flüchtlingszuzug und die Sozialisation in zutiefst patriarchalisch geprägten Gesellschaften in einen Zusammenhang gestellt werden." Am Ende schreibt er, ein Medium wie die "Tagesschau", das sich im Besitz der "größten Ausstrahlungskraft" wähne, müsse dieser Bedeutung "auch gerecht werden und dabei bleiben 'niemandem eine Meinung‘ vorzuschreiben". Kann es sein, dass Zurückhaltung nach einem solchen Kriminalfall gar nicht dasselbe ist wie "Meinung vorschreiben"?
+++ Und wir nehmen zur Kenntnis, dass der US-Playboy die Einstellung seiner Printausgabe prüfe (FAZ.net).
Neues Altpapier gibt es am Donnerstag.