Das Altpapier am 15. August 2022: Porträt der Altpapier-Autorin Annika Schneider
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Das Altpapier am 15. August 2022 Diese zehn Ideen machen den Rundfunk besser

15. August 2022, 11:05 Uhr

Diverse Reformvorschläge für die Öffentlich-Rechtlichen liegen auf dem Tisch – manche fundierter als andere. Kommt jetzt endlich eine Debatte, auf die wir lange gewartet haben? Ein Altpapier von Annika Schneider.

Wird Schlesinger heute gekündigt?

"Eine der größten Imagekrisen der Öffentlich-Rechtlichen" (SZ) geht weiter. Heute kommt der rbb-Rundfunkrat zu einer Sondersitzung zusammen und berät darüber, wie es mit dem Vertrag von Patricia Schlesinger weitergeht. Glaubt man einer "Bild"-Überschrift ("Am Montag will der RBB Patricia Schlesinger feuern") könnte das Gremium sogar eine fristlose Kündigung aussprechen – die Redaktion zitiert aus einer entsprechenden Beschlussvorlage. Im rbb-Staatsvertrag heißt es dazu in §22 lapidar:

"Der Intendant oder die Intendantin kann vor Ablauf der festgesetzten Amtszeit vom Rundfunkrat abberufen werden."

Das Gremium hat also weitreichende Kompetenzen, wobei Schlesinger ihr Amt ja bereits selbst niedergelegt hat. Grundlage für eine fristlose Kündigung wären der Tatverdacht der Untreue und Vorteilsannahme, wie bei rbb24 zu lesen ist.

In Springers "Business Insider" präsentiert derweil Jan C. Wehmeyer weitere Einzelheiten über das "Treiben der Intendantin" und ein angeblich "geheimnisvolles Innenleben" im rbb. Es geht vor allem darum, dass es schon vor offiziellen Sitzungen Absprachen zwischen einzelnen Mitgliedern der Kontrollgremien gegeben haben soll.

Das allein scheint mir noch nicht allzu skandalös, weil es vermutlich kaum ein Gremium gibt, in dem Sitzungen nicht informell in Fraktionstreffen oder Telefonaten vorbereitet werden – kein Problem, solange in der offiziellen Sitzung dann trotzdem frei diskutiert und entschieden werden kann. Im Text geht es außerdem darum, dass ein von Wirtschaftsprüfern erstellter Bericht über die Summen, die an Schlesinger und andere Führungskräfte gezahlt wurden, nie öffentlich gemacht worden sei – aus meiner Sicht nur ein weiterer Beleg dafür, dass es der Senderführung offensichtlich an Bewusstsein mangelte, wie elementar Transparenz in einer von der Allgemeinheit finanzierten Organisation ist.

Wem der Enthüllungstext zu sehr mit Springer-typischen Zuspitzungen gespickt ist, der findet auf der Seite 3 (€) der SZ vom Wochenende alternativ den Versuch, die Causa Schlesinger in reportagig angehauchter Storytelling-Manier nachzuerzählen ("Deutschlands momentan berühmtestes Dienstzimmer liegt im 13. Stock. […] Die Aussicht ist auch deshalb bemerkenswert, weil man hier wie in einem Spielzeugpanorama auf die Schauplätze einer Geschichte schauen kann…").

Es ist selten genug, dass ein medienjournalistisches Thema es schafft, sich tagelang in anderen Ressorts zu behaupten. Womöglich trägt das dazu bei, dass bald etwas gelingt, das seit Jahren scheitert: eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber zu führen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft aussehen soll.

Merz reitet die Welle

Die prominenteste Liste mit Reformvorschlägen kommt aktuell wohl von Friedrich Merz, der in den "Badischen Neuesten Nachrichten" fünf konkrete Forderungen formulierte, was ihm am Samstag die Titelschlagzeile im "Tagesspiegel" sicherte: "Merz attackiert ARD und ZDF".

Diese Formulierung ist ordentlich zugespitzt. Merz fordert keineswegs Etatkürzungen in den Sendern oder gar deren Abschaffung, sondern vor allem Offensichtliches: Aufklärung und mehr Transparenz. Garniert ist das Ganze mit markigen Formulierungen und den üblichen, mager belegten Vorwürfen, die Sender berichteten einseitig und genderten zu viel:

"Weder einzelne Sprecher noch Kommentatoren und Moderatorinnen haben das Recht, von den allgemein anerkannten Regeln des Gebrauchs der deutschen Sprache abzuweichen."

Ich bin keine Juristin, aber es erscheint mir doch etwas seltsam, dass Merz mir so nebenbei das "Recht" abspricht, so zu formulieren, wie ich das möchte. Ansonsten ist sein Artikel natürlich der durchschaubare Versuch, aus einem aktuellen Thema politisches Kapital zu schlagen.

Kritik am föderalen System

Wenden wir uns also stattdessen den Reformvorschlägen zu, die – fundierter und ausführlicher – an anderer Stelle vorgebracht wurden. Über mögliche Umbauten der Kontrollgremien ist schon in der vergangenen Woche viel gesprochen worden (unter anderem im Altpapier) – das beträfe die Zusammensetzung und Ausstattung der Rundfunk- und Verwaltungsräte, des Fernsehrats beim ZDF und des Hörfunkrats beim Deutschlandradio.

Inzwischen hat sich die Debatte geweitet. Dass es um viel mehr geht als um Aufsichtsstrukturen, bringt einer der aktuell meistgefragten Gesprächspartner zum Thema auf den Punkt: Leonard Novy, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Im taz-Interview mit Johannes Drosdowski sagt er, gefragt nach der Berechtigung der Öffentlich-Rechtlichen:

"Wir brauchen solidarisch finanzierten Journalismus, der sich am Gemeinwohl orientiert, der Bürgerinnen und Bürger eben nicht primär als Konsumenten adressiert, sondern als Bürgerinnen und Bürger. In Zeiten von sozialen Medien, Desinformation, Polarisierung und Kommerzialisierung brauchen Bürgerinnen und Bürger Orte der Information und Selbstverständigung. Wenn es die heute nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Aber dann würde man sie eben auch ganz anders bauen, inklusive der Gremien."

Solidarisch finanzierten Journalismus findet man inzwischen natürlich auch abseits der Beitragsfinanzierung, was es noch dringlicher macht, die Legitimation der Öffentlich-Rechtlichen gut zu begründen.

Bei Übermedien (€) hat Novy seine Reformideen noch einmal ausführlich dargelegt und fordert einen "Neustart" des Rundfunks. Dabei geht er so weit, einen rundfunkpolitischen Grundpfeiler in Frage zu stellen – die föderale Struktur, die die Medien vor dem direkten Zugriff eines zentralen Staatsorgans schützen soll:

"Es spricht einiges dafür, die föderal organisierte Medienaufsicht, zu der auch die Landesmedienanstalten mit ihren stattlichen Apparaten gehören, insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, Lücken und Redundanzen zu identifizieren und sich bei der Suche nach Lösungen auch gegenüber Modellen nicht zu verschließen, die Bundesländer übergreifen, wie das der nationalen Regulierungsbehörde Großbritanniens Ofcom."

Novy schlägt außerdem vor, den Sendern ein paar Prozent ihrer Mittel abzuziehen und damit stattdessen einen Innovationsfonds zu finanzieren, der gezielt Projekte abseits der öffentlich-rechtlichen Struktur fördert.

Hausgemachte Probleme

Konkrete und lesenswerte Vorschläge kommen auch von dem Schweizer Strategieberater Konrad Weber, dessen Blogbeitrag ich dank turi2 gefunden habe. Nach eigenen Angaben berät Weber Redaktionen und Gremien in "den meisten ARD-Häusern", hat also Einblick in die Entscheidungsprozesse dort. Die Änderungen, die er vorschlägt, haben wenig mit dem politischen Auftrag des Rundfunks oder der Höhe des Rundfunkbeitrags zu tun. Weber diagnostiziert strukturelle Probleme, die mit der Arbeitskultur zu tun haben und somit in den Anstalten selbst gelöst werden könnten und müssten.

Vieles davon kommt mir bekannt vor aus meiner Arbeit für verschiedene Sender und aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel das Problem, dass Ideen und Beiträge gelegentlich mehr nach den Vorstellungen des oder der Vorgesetzten entwickelt werden als nach denen der Zielgruppe. Weber schreibt auch, es würden in den ARD-Häusern weiterhin mehr als 90 Prozent der finanziellen Mittel in die lineare Produktion investiert:

"Und diese Investitionen entsprechen längst nicht mehr der Aufteilung der Altersgruppen und ihrer typischen Mediennutzung. Anders gesagt: Es wird aktuell noch immer komplett an gewissen Bevölkerungsgruppen 'vorbeigesendet'."

Er stellt außerdem das System der "festen Freien" in Frage, moniert mangelnde Personalentwicklung und Talentförderung, fordert eine bessere Feedbackkultur und noch einiges mehr.

Wenn es gut läuft, dann nimmt die aktuelle Debatte gerade genug Schwung, um wirklich Veränderungen anzustoßen. Bisher sind die Versuche der Rundfunkpolitik, die Diskussion in die breite Öffentlichkeit zu tragen, ja so ziemlich gescheitert – das Beteiligungsverfahren, das gerade erst die Novellierung des Medienstaatsvertrags begleitet hat, ist in der breiten Öffentlichkeit nicht angekommen. Viele der Themen und Fragen, die mir als Medienjournalistin im Alltag oft begegnen, wurden nicht oder kaum angepackt.

Eigentlich hatte sich die Rundfunkkommission der Länder vorgenommen, das Thema Programmreform nun erst einmal ruhen zu lassen und sich als nächstes den Rundfunkbeitrag vorzuknöpfen. Es kann gut sein, dass sie diesen Sack nun noch einmal aufschnüren muss.


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+++ Dass Frauenstimmen im Politikjournalismus unterrepräsentiert sind, ist ein altbekanntes Problem. Horizont berichtet über eine Studie aus Österreich, derzufolge Richtlinien in Redaktionen daran wenig ändern – stattdessen sind das Hauptproblem, wenig überraschend, bestehende Netzwerke. +++

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