Das Altpapier am 6. Juli 2021 Die Verarmung des politischen Diskurses
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06. Juli 2021, 13:18 Uhr
Halten auf Wahlumfragen fixierte Politik- und Nachrichtenjournalisten Umfragewerte für so relevant wie Sportjournalisten Wettkampfergebnisse? Trägt dieser "Horse-Race-Journalismus" zur "Politikverdrossenheit" bei? Außerdem: Die Debatte zur Zukunft der ARD-Magazine geht weiter. Ein Altpapier von René Martens.
Inhalt des Artikels:
- Von Maaßen bis Orbán
- Demoskopisches Dauerrauschen
- "BBC Newsnight" - ein Vorbild für die ARD?
- Einordnung = Framing?
- Zu wenig Berichte über Straftaten wie Stalking und Nötigung
- Altpapierkorb (Die Nachwehen des großen Relotius-Interviews, die rosige Zukunft des Dokumentarfilms, die wohl nicht so rosige Zukunft von Gruner + Jahr, der weltweite Boom des Underground-Musikradios im Netz, zwei neue Frauenradiosender in Deutschland)
Von Maaßen bis Orbán
Die aktuelle "Stinkbombe" des CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen (Altpapier gestern) bzw. der allerneueste Unterfall des Dauerfalls Maaßen ist gerade erst kommentiert (etwa bei Zeit Online und in der taz), da geht die Sause mit diversen "Maaßen legt gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach"-Texten schon weiter, zum Beispiel diesem aus der FR.
"Es wäre (…) journalistisch ein Fehler, Maaßen und die CDU zu ignorieren. Denn hier zeigt sich in einer Art Kammerspiel, wie stabil oder instabil der Konservatismus gegen neurechte Demagogie ist",
schreibt Christian Bangel im erwähnten Zeit-Online-Kommentar. Also gut, hier also die neueste Volte:
"Es ist seit Jahren bekannt, dass es Journalisten gibt, die Bezüge zur Antifa hatten und möglicherweise noch haben",
sagt Maaßen, und "explizit spricht er dabei den NDR und die Tagesschau an" (FR). Man könnte dem natürlich entgegnen, dass nicht nur "seit Jahren", sondern seit Jahrzehnten, genauer: seit etwas mehr als sieben Jahrzehnten, "bekannt" ist, dass das Movens für die Schaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner heutigen Struktur ein antifaschistisches war - weshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits in seinen Anfangstagen auf eine ähnliche Weise angegriffen wurde wie heute von Maaßen and friends.
Von Anfang an dabei im anti-öffentlich-rechtlichen Kampf waren, und das ist angesichts der Geheimdienstvergangenheit Maaßens natürlich nicht ohne Ironie, Geheimdienstleute - siehe dazu Band 10 der "Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968" mit dem Titel "Geheime Dienste. Die politische Inlandsspionage der Organisation Gehlen 1946 – 1953" und darin wiederum der Abschnitt zu "Medien: Diskreditierung, Kritikabwehr, Einflussnahme" (vgl. Medienkorrespondenz).
Aber das schreiben die Zitatschleudermaschinisten natürlich nicht. Statt dessen wird, wie bei der FR, durch die Überschrift "Maaßen legt nach: Seit Jahren sollen Antifa-Bezüge einiger Journalist:innen bekannt sein" der Begriff "Antifa-Bezug" negativ konnotiert - obwohl ein "Antifa-Bezug" der moralische Minimalstandard ist, den man an Mitmenschen anlegen sollte (sogar, wenn sie so einem seltsamen Menschenschlag wie dem der Journalisten zuzurechnen sind).
"Das Deutschland, das Maaßen will, ist rechtsautoritär, es schüchtert die Presse ein und markiert einzelne Journalistinnen als Gegner. Ganz, wie es in einigen unserer Nachbarländer schon geschieht",
schreibt Christian Bangel auch noch - was deshalb aufgreifenswert ist, weil zu "unseren Nachbarländern", wo das "schon geschieht", Ungarn gehört. Und dessen Regierungschef Viktor Orbán gerade eine "europakritische" (turi2, lol!) Anzeige in der Bild-Zeitung schaltete - und er am selben Tag von Reporter ohne Grenzen in eine Rangliste mit "Feindinnen und Feinden der Pressefreiheit" aufgenommen wurde, neben 36 weiteren Staatsoberhäuptern und Regierungschefs. Siehe beispielsweise SZ, die in ihrer BU betont, dass mit Orbán "erstmals ein EU-Staatschef" auf der Liste stehe.
Demoskopisches Dauerrauschen
Drei Wochen vor der Bundestagswahl 2017 erschien bei Zeit Online ein Text mit der Überschrift "Schafft die Wahlumfragen ab!" - eine Forderung, die man weniger als drei Monate vor der nächsten Bundestagswahl durchaus nachvollziehen kann. Erst recht, wenn man heute auf der Seite drei der SZ (79 Cent bei Blendle) liest, was Boris Herrmann über das "demoskopische Dauerrauschen" schreibt.
Er steigt in seinen Text mit dem Linken-Politiker Dietmar Bartsch ein, der sagt: "In manchen Wochen kriege ich sieben Sonntagsfragen."
Herrmann erläutert das folgendermaßen:
"Mittwochs ist traditionell Forsa-Tag. Donnerstags vermelden die Forschungsgruppe Wahlen und Infratest Dimap ihre Ergebnisse. Die Zahlen von Kantar erfährt Bartsch am Freitag. Das Institut Insa ist inzwischen zweimal die Woche mit einer frischen Sonntagsfrage auf dem Markt, sonntags und dienstags. Dazu kommen noch die tägliche Civey-Umfrage sowie die etwas seltener erscheinenden Erhebungen von Allensbach, GMS, Yougov und Ipsos."
Sonntagsfragen-Junkies, die darüber sinnieren, wie sie den Konsum ihres Stoffs optimieren können, sei übrigens der Twitter-Account @wahlrecht_de empfohlen, der versorgt einen auch mit den Sonntagsfragen zu den bevorstehenden Landtagswahlen.
Der SZ-Autor schreibt weiter:
"Auf dem Markt der Meinungen ging es immer ruppig zu. Die Institute sind Wirtschaftsunternehmen, die mit ihren Sonntagsfragen auch Werbung für sich machen, um für andere Themen gebucht zu werden. Zum Beispiel zum Kaufverhalten von Autoreifen. Mit der Online-Konkurrenz von Civey, Insa und Yougov ist der Wettbewerb deutlich härter geworden. Mehr Institute produzieren mehr Umfragen, die dann im Netz vervielfältigt werden und noch mehr Politiker nervös machen. Der Demokratietheoretiker Ulf Bohmann von der Uni Chemnitz sieht darin eine 'Verarmung des politischen Diskurses'. Die allgegenwärtigen Umfragezahlen würden Politik auf eine Art Produktentscheidung reduzieren. Nach dem Motto: 'Heute gefällt mir das, morgen möchte ich eher etwas in dieser Farbe kaufen.'"
Die vage Formulierung "Mehr Institute produzieren mehr Umfragen, die dann im Netz vervielfältigt werden und noch mehr Politiker nervös machen" führt aber etwas in die Irre, denn die wesentlichen Verstärker des "demoskopischen Rauschens" sind ja die etablierten Medien, unabhängig davon, dass sie zur Verstärkung des Rauschens auch "im Netz" beitragen. Sie sind es, die die Verantwortung tragen für "die Verarmung des politischen Diskurses" (Bohmann), weil sie so tun, als wären Umfragewerte für den Politik- und Nachrichtenjournalismus so relevant wie Wettkampfergebnisse für den Sportjournalismus. Hier lässt sich mit einem Artikel Kersten Augustins zum Thema "Journalist:innen in der Baerbock-Debatte" für die taz anknüpfen:
"Studien zeigen, dass Horse-Race-Journalismus in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat. Das liegt auch an der Vervielfachung von Wahlumfragen, die im Wochenrhythmus neue Zahlen liefern. Auf jede Schwankung wird im Leitartikel reagiert: Baerbock schwächelt, Laschet stärker als erwartet. Manche Studien legen sogar nahe, dass Horse-Race-Journalismus die Politikverdrossenheit der Leser:innen steigert, die politische Kompetenz abnimmt und die Wahlbeteiligung sinkt, wenn Politik nur noch als Entertainment konsumiert wird."
Die umfragegeilen Nachrichten- und Politikjournalist:innen, die ja doch bloß verkappte Entertainmentjournalist:innen sind, könnten also zur "Politikverdrossenheit" beitragen? Ja, Freunde der Sonne, so sieht’s wohl aus.
"BBC Newsnight" - ein Vorbild für die ARD?
Ob der geplante Umbau des Ersten Programms der ARD und insbesondere die Reduzierung der Sendeplätze der Politikmagazine zur Verarmung des politischen Diskurses beitragen wird - die Diskussionen darüber haben vor etwas mehr als einer Woche begonnen (siehe Altpapier). Daniel Bouhs führt die Debatte nun mit einem Text für Übermedien weiter:
"Wenn die ARD tatsächlich wie geplant die Zahl der Sendeplätze für klassische Magazine zurückfahren sollte, um nach einer größeren Programmreform auf den Plätzen von 'Monitor', 'Panorama' und Co. mehr Dokus zu senden, dann drohen semi-aktuelle Recherchen kürzer zu kommen, womöglich zu kurz."
Das "Dilemma" der "klassischen Fernsehmagazine" sei, dass sie linear "oft noch prima funktionieren", nicht aber in den Mediatheken, so Bouhe weiter. Daher sei es erforderlich, dass "sich Sender wie das Erste darauf vorbereiten, dass Mediatheken das klassische Fernsehen ablösen".
Bouhs bringt dann noch eine "radikale" Idee fürs lineare Fernsehen ins Spiel:
"Es lohnt ein Blick auf die BBC. Sie sendet mit 'Newsnight' jeden Tag ein hintergründiges Magazin, das von Recherche lebt. 40 Minuten, platziert im Anschluss an die halbstündigen 'News at Ten', die magazinige Züge haben, vergleichbar mit den 'Tagesthemen' oder dem 'Heute-Journal' (…) Es ist das, was hierzulande Politikmagazine leisten, nur: jeden Tag (…) Die ARD hätte, wenn sie ihre Kräfte bündeln würde, alle Zutaten für solch ein Format (…) Theoretisch könnten in einem neuenARD-Magazin sogar alle Magazine aufgehen – die politischen, aber auch die fürs Ausland, für die Wirtschaft und die Kultur."
Es ist gewiss eine belebende Idee, quasi alle Informations-Magazine im weiteren Sinne in einem täglichen zu verschmelzen. Ich hoffe aber, dass die Diskussion eher dazu beiträgt, die Besonderheiten der einzelnen Formate herauszuarbeiten. Max Moors pointierte Mikrokosmoserklärungs-Miniaturen etwa, mit denen er viele Beiträge in "ttt" anmoderiert, ließen sich kaum in ein solches Megamagazin einfügen. Politisches Feuilleton - eine Kategorisierung, die für Beiträge in "ttt" zumindest manchmal zutrifft - hat nun mal einen anderen Charakter als politischer Magazinjournalismus, auch eine andere Bildsprache. Ein tägliches Politmagazin wäre natürlich wünschenswert. Würde man andere Magazine dort eingemeinden, verschwänden aber wichtige Programm-"Farben", um hier mal kurz TV-Sendermanagerjargon in Anschlag zu bringen.
Abgesehen vom Formalen: Wenn Auslands- und Kulturthemen mit politischen Inlandsthemen konkurrieren, welche werden dann hinten runterfallen? Richtig, die Auslands- und Kulturthemen, die schon jetzt nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen - wobei man in diesem Zusammenhang noch den bisher völlig unterdiskutierten Plan, den "Weltspiegel" auf Montag, 22.45 Uhr zu verlegen, erwähnen muss. Darüber hatte zuerst der Spiegel (€) am vergangenen Mittwoch berichtet. Siehe dazu auch das dpa-interview mit den drei Musketieren aus der ARD-Programmdirektion, das am Freitag hier verlinkt war.
Einordnung = Framing?
Bleiben wir bei den Öffentlich-Rechtlichen: "Was nun, Norbert Himmler?" lautet die Überschrift von Michael Hanfelds Nachbetrachtung zur ZDF-Intendantenwahl (Altpapier) in der FAZ (75 Cent bei Blendle). Aber der Text geht weit über das hinaus, was die Überschrift anteasert. Es handelt sich vielmehr um eine exaltierte Philippika über ungefähr alles, was der Autor unknorke findet an den öffentlich-rechtlichen Informationsprogrammen. Er schreibt:
"Geht es um Vielfalt, lässt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk viel zu sehr von der elitären Twitterblase treiben, die meint, sie wisse, was Vielfalt sei und was Diversität bedeute, aber regelmäßig mehr Exklusion als Inklusion schafft. Sichtbar wird dies insbesondere im Informationsprogramm, in den Nachrichten, die man bei den Öffentlich-Rechtlichen in Reinkultur tatsächlich nur in der 'Tagesschau' geboten bekommt. Alles andere ist, was Norbert Himmler bei seiner Rede auch noch positiv fürs ZDF anführte, 'Einordnung', also Belehrung, neudeutsch Framing. Das fängt bei der Gendersprache an, die der überwiegende Teil der Menschen in diesem Land ablehnt, die einem aber nichtsdestotrotz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gnadenlos um die Ohren gehauen wird."
Über den Running Gag mit der "Twitterblase" muss ich an dieser Stelle vielleicht nichts mehr schreiben. Auf die Aufzählungen "im Informationsprogramm, in den Nachrichten" und "'Einordnung', also Belehrung, neudeutsch Framing" lohnt es sich aber, in aller Kürze einzugehen: In der ersten Aufzählung verschwimmen die Unterschiede zwischen Nachrichten und dem übrigen Informationsprogramm und auch die Unterschiede zwischen Nachrichtensendungen und Nachrichtenmagazinen.
Und dass Hanfeld dann im Satz darauf "Einordnung" mit "Framing" gleichsetzt, ist natürlich Hardcore-Framing - der Versuchung, diese Vorlage zu verwandeln, lässt sich jedenfalls nur schwer verstehen. Ja, Hanfeld gefallen viele "Einordnungen" im öffentlich-rechtlichen Informationsprogramm nicht - mir auch nicht, mir gefallen tendenziell mit Sicherheit noch viel, viel weniger als ihm (aus anderen Gründen), aber ich käme natürlich nicht auf die Idee, das Einordnen an sich in Frage zu stellen. Schließlich noch zum vermeintlichen Framing durch Gendersprache: Für die gegenteilige These, dass die Nicht-Nutzung von Gendersprache zu den größtmöglichen Formen des Framings gehört, ließen sich auch Argumente finden.
Zu wenig Berichte über Straftaten wie Stalking und Nötigung
Am Montag ist eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung erschienen: "Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten". Verfasst hat sie die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Meltzer, basierend auf der Auswertung von "17 deutschen Medien zwischen den Jahren 2015 und 2019".
Die Stiftung selbst schreibt zu der Untersuchung:
"Die Ergebnisse der empirischen Erhebung zeigen eine deutliche Überbetonung bestimmter Gewalttaten, während andere viel zu wenig in den Medienberichten ausgeleuchtet werden – es klaffen große Lücken zwischen den Zahlen aus der Kriminalstatistik und deren medialer Relevanz. Ein weiter Befund ist, dass die überwiegende Mehrheit der Artikel (ca. 70 Prozent) auf der Ebene einer reinen Einzelfallbeschreibung verbleibt. Eine thematische Einordnung, inklusive dem Aufzeigen von Gründen, Lösungswegen und präventiven Maßnahmen bei Gewalt gegen Frauen, findet kaum statt."
Die Berichterstattung über die Studie scheint mir bisher nicht besonders ausgeprägt zu sein. Eine Ausnahme: die taz. Carolina Schwarz schreibt dort:
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass je extremer die Straftat ist, desto mehr darüber berichtet wird: Über Morde an Frauen wird demnach am häufigsten geschrieben, Themen wie Stalking oder Nötigung finden jedoch kaum Platz in den Medien. Die Häufigkeit der Gewalttaten ist laut polizeilicher Kriminalstatistik aber genau anders herum."
Studienautorin Meltzer kritisiert in einem Twitter-Thread: "Vor allem #häuslicheGewalt wird immer noch als Privatsache verstanden." Ein anderer Kritikpunkt: "Vor allem Taten von Nichtdeutschen werden zum Politikum gemacht." Und wo bleibt das Positive? Dazu noch einmal Carolina Schwarz:
"Wann immer Medien nach der Tötung einer Frau von 'Familientragödie' oder 'Ehedrama' schreiben, kritisieren Feminist:innen im Netz die verharmlosenden Beschreibungen. Denn sie klingen nach einem plötzlichen Schicksalsschlag und nicht nach misogyner struktureller Gewalt. Diese Begriffe konnte Meltzer nur in 3 Prozent der Texte ausmachen – und sie wurden zum Ende des Untersuchungszeitraumes auch immer weniger."
Altpapierkorb (Die Nachwehen des großen Relotius-Interviews, die rosige Zukunft des Dokumentarfilms, die wohl nicht so rosige Zukunft von Gruner + Jahr, der weltweite Boom des Underground-Musikradios im Netz, zwei neue Frauenradiosender in Deutschland)
+++ Relotius-Interview reloaded: In der Titelgeschichte der neuen Ausgabe der Zeitschrift Schweizer Journalist:in - und auch beim Schwesterblatt Medium Magazin - geht es um das vor mehr als einem Monat im Magazin Reportagen erschienene Gespräch mit Claas Relotius (Altpapier). In einem Twitter-Thread nimmt Spiegel-Redakteur Anton Rainer die Hintergrundgeschichte über den Aufsehen erregenden Reportagen-Beitrag - der eigentlich als Fließtext geplant war, aber offenbar auf Wunsch des Protagonisten nicht als Fließtext erschien - zum Anlass, die gesamte Herangehensweise der Macher:innen zu kritisieren. "Die Autor:innen haben dem Fälscher eine Fassung des Porträts zugeschickt und sich dann, weil Relotius das Storytelling nicht mochte, einen neuen Deal vorschlagen lassen? Und danach verschob man gleich mehrfach den Redaktionsschluss, weil Relotius ‚wochenlang' an seinen Antworten schrauben musste?"
+++ Ein Impulsreferat zu den Perspektiven des Dokumentarfilms, das der Filmemacher Arne Birkenstock beim Branchentreff Dokville gehalten hat, ist jetzt online verfügbar. Birkenstock sagt: "Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Menschen an immer mehr Orten und zu jeder Zeit Dokumentarfilme konsumieren (…) Aber was ist nun mit dem großen, mit dem Kino-Dokumentarfilm? Wir brauchen das Kino. Wir machen unsere Filme für die große Leinwand, für das kollektive und konzentrierte Filmerlebnis im großen, dunklen Saal mit der technisch bestmöglichen Projektion von Bild und Ton. Nur findet diese Auswertung zunehmend nicht mehr in Form einer regulären Kinoauswertung statt, sondern auf Festivals und Events." Die fehlten ja nun in der Pandemie - was es mit sich brachte, dass andere "Herausbringungsformen" erprobt werden mussten, mit denen, so Birkenstock, nun auch weiter experimentiert werden sollte. Und zwar, "um Modelle zu entwickeln und auszuprobieren, von denen Filmemacher und Kinos gleichermaßen profitieren, nicht obwohl, sondern weil die Filme zeitnah auch digital geschaut werden können (…) Wir müssen (…) für jeden Film entscheiden, wann wo und wie er am besten ausgewertet werden kann."
+++ Im dritten Quartal dieses Jahres, das gerade begonnen hat, entscheiden die Bertelsmann-Gesellschafter darüber, was aus dem einst ruhmreichen Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr (Altpapier) wird. Möglicherweise "eine Schreibfiliale für RTL", wie Michael Hanfeld vor zwei Wochen in der FAZ (€) ätzte? Ich habe für die taz versucht, die Lage (und die Stimmung im Verlag) zu skizzieren.
+++ Radio (I): "The growth of internet radio through the 2010s and the pandemic conditions of the last year have created an explosion of music on air, with new stations launched and musicians turning their creativity into broadcasting" - mit diesen Worten läutet die Musikzeitschrift The Wire in ihrer Juli-Ausgabe ein 20-seitiges Special ein, das unter anderem eine Liste mit "100 essential stations and programmes" enthält. Ergänzende Online-Artikel gibt es auch, etwa einen über den 2017 verstorbenen Musiker Holger Czukay, für den die Bezeichnung "Radio Wave Surfer" sicherlich nicht unangemessen ist (schließlich hat er selbst ein Album so genannt). Aki Onda geht in seinem Artikel auch auf einen Aspekt ein, der mir beim Thema Internetradio sonst selten zur Sprache kommen scheint: "I love the way (Czukay) added radio with grainy static noises, and those heavily compressed textures immediately changed the chemistry with other instruments (...) These days, almost all radio stations have migrated online and the sounds have become nothing but clean and stable. I don’t like being nostalgic, but I miss the tactile senses the radio gave us."
+++ Radio (II). Zwei neue Programme für Frauen stellt Laura Lucas bei Übermedien (€) vor: anna.FM, "zu empfangen (…) über DAB+ vor allem in Baden-Württemberg," und Femotion Radio "von der Leipziger herFunk GmbH", das "Hörerinnen in ganz Deutschland über DAB+ einschalten können". Die inhaltliche Qualität scheint aber noch ausbaufähig zu sein. "Wortbeiträge sind bei anna.FM noch rar", schreibt Lucas. Und bei Femotion Radio "fehlen Interviews oder gebaute Beiträge bisher ganz".
Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.
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