Teasergrafik Altpapier vom 7. Februar 2020: Symbolhafte Zeichnung vom Verlagsgebäude der Hamburger Morgenpost. Daneben ein Bagger, der damit beginnt das Haus abzutragen.
Bildrechte: MDR / Panthermedia / Hamburger Morgenpost / Collage: MEDIEN360G

Das Altpapier am 7. Februar 2020 Noch ein Verleger-Neuling

07. Februar 2020, 12:00 Uhr

Die Hamburger Morgenpost bekommt einen neuen Eigentümer, der vermuten lässt: vor allem im Digitalen stehen Umgrabearbeiten an. Die ARD killt Bambi. Es sitzen immer noch viele Peters und Norberts in deutschen Talkrunden, aber es gibt auch ein paar positive Entwicklungen. Ein Altpapier von Nora Frerichmann.

Tageszeitungsrausverkauf abgeschlossen

Es ist geschafft, sie sind den Bumms losgeworden. Die "Portfolio-Überprüfung" bzw. der Tageszeitungsrausverkauf bei DuMont ist erst mal abgeschlossen. Nachdem die Berliner Zeitung an das Unternehmer-Ehepaar Silke und Holger Friedrich (alle Folgen der Neuverleger-Soap hier im Altpapier-Archiv) und der Verkauf der Mitteldeutschen Zeitung an Bauer geklärt wurde, ist das Kölner Medienhaus nun auch das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost losgeworden. Ganz so smooth lief der Prozess nicht, wie Ulrike Simon bei Horizont rekapituliert:

"Funke, Eigentümer des Hamburger Abendblatts, war vorige Woche ohnehin aus den Verhandlungen mit DuMont ausgestiegen und war - schon aus kartellrechtlichen Gründen - nicht an Print, sondern nur am reichweitenstarken Online-Portal mopo.de interessiert. Zehn Millionen Euro hätten die Essener dafür bezahlt. Doch DuMont wollte alles loswerden, und das so günstig wie möglich. Verlegerisches war da eher nachrangig. Und daher heißt der neue Eigentümer der Hamburger Morgenpost Arist von Harpe. Er ist seit 2018 Geschäftsführer der Xing Marketing Solutions GmbH."

Fyi: Hauptgesellschafter des Karrierenetzwerks Xing (New Work SE) ist übrigens Burda.

Mit dem Verkauf an den Wirtschaftsingenieur von Harpe setzt sich jetzt also das Phänomen fort, das teilweise runtergerockte Zeitungen von verhältnismäßig jungen Digitalmenschen übernommen werden. Zu dem Deal, der im März vollzogen werden soll, gehört laut Tagesspiegel neben der gedruckten Zeitung und dem Portal mopo.de auch der Medienvermarkter Hamburg First Medien & Marketing GmbH, die Corporate Publishing Agentur DuMont Media mit der Touri-Attraktion Discovery Dock im Hamburger Hafen sowie eine Beteiligung an Radio Hamburg.

Was die Übernahmekosten betrifft, darüber wird offiziell nicht gesprochen aka "Stillschweigen vereinbart". Marco Carini und Peter Weissenburger schreiben allerdings in der taz, es sei

"für die hochdefizitäre Hamburger Morgenpost aber ein negativer Kaufpreis in einstelliger Millionenhöhe fällig geworden, die von Harpe als Mitgift erhält. Dafür will der Manager die Morgenpost zumindest vorläufig auch als Print-Produkt fortführen. Ein Großteil der Belegschaft soll nach taz-Informationen übernommen werden, allerdings soll es Personalwechsel in der Chefredaktion und der Geschäftsführung des Verlags geben."

Damit wäre die bisherige Geschäftsführerin Susan Molzow, die laut Ulrike Simon ein Management-Buyout angeboten hatte, wahrscheinlich raus. Genaueres will von Harpe dazu aber noch nicht sagen. Ein erstes Interview hat der Neu-Verleger mit Roland Pimpl von Horizont geführt. Die Kernaussagen lauten in etwa so: Konkretes will ich noch nicht sagen, aber präsent sein schon. Ach ja, und die Mopo ist geil! Da fallen u.a. Sätze wie:

"Wir werden uns jetzt alle erstmal kennenlernen und miteinander ins Gespräch kommen."

"(…) die Mopo soll kein Hobby sein, sondern ein Geschäftsmodell. Es wäre darum fahrlässig, zu diesem frühen Zeitpunkt irgendetwas kategorisch zu garantieren oder auszuschließen."

"Von zentraler Wichtigkeit ist die Qualität – die Frage nach den Kanälen folgt erst dann. Ich will mich heute noch nicht auf alle Kanäle und mögliche Frequenzen festlegen."

"(…) ich bin immer Fan der Mopo gewesen."

"Sie muss der Seele der Stadt eine Stimme verleihen."

"Das Versprechen, das die Mopo den Menschen gibt, müssen wir jeden Tag aufs Neue einlösen."

Na gut, das ist halt ein Marketing-Mensch am Werk. In einem Punkt dürfte es aber auf jeden Fall spannend werden:

Die gestern und am Dienstag kurz im Altpapier angeschnittene Nutzung, bzw. bisher eher Nicht-Nutzung von Daten in der Arbeit von Zeitungshäusern. Da wird von Harpe als Digital-Mann und ehemaliger Start-Up-Berater wohl einiges umkrempeln. So geistern schon länger Forderungen und Ideen durch die Branche, je nach Nutzer:innen-Interesse eine deutlich stärkere Konzentration auf einzelne Stadtteile oder Themenbereiche zu ermöglichen, nur einzelne Teile von Lokal- und Regionalpublikationen zu abonnieren und Abonnements so viel stärker zu individualisieren. 

Wie gesagt, konkret wird von Harpe in dem Horizont-Interview kaum, dass der Digitalbereich und die Marketing-Strategie der Mopo deutlich umgegraben und neu bepflanzt werden wird, steht aber wohl außer Frage wenn er sagt:

"(…) die Marke soll mir nicht nur in Print begegnen. Das kann auch online der Fall sein oder mit einer richtigen Mobile-App, auf Social Media, auf Events, im Bereich Corporate Publishing, in Kooperationen mit anderen passenden Hamburger Marken. Da fallen mir viele Dinge ein, hier bringe ich einige Erfahrung mit. Wir werden gemeinsam schauen, wo wir neue Erlösströme erschließen können, um so für wirtschaftliche Stabilität zu sorgen."

Wie es bei DuMont nach den Verkäufen mit dem Zeitungsstandort Köln und mit den beiden anderen Geschäftsfeldern Business Information und Marketing Technology weitergeht, dazu soll‘s im Aprill mehr Infos geben.

Bye, bye Bambi

Während das Boulevardblatt also erstmal dem Dahinsiechen entronnen ist, muss nun Bambi sterben – jedenfalls in der ARD. Die Rundfunkanstalt wirft die Preisverleihung nach Recherchen von dwdl-Mann Thomas Lückerath aus dem Programm:

"Der Vertrag ist 2019 ausgelaufen; in der ARD gab es ein Votum, keinen neuen Vertrag zu schließen. Wir danken für 24 Jahre vertrauensvoller und erfolgreicher Zusammenarbeit. Wir wünschen dem Bambi alles Gute",

sagte Thomas Schreiber, ARD Koordinator Unterhaltung, dem Branchenportal. Und das, nachdem der nun ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow bei der letzten Ausstrahlung im November noch vollmundig in die Kamera gesäuselt hatte (siehe Zusammenschnitt von Übermediens Boris Rosenkranz):

"Bambi, ein süßes, tolles Reh. Für immer in der ARD".

Ganz so süß und toll wie Buhrow meint, fand nicht jeder die Gala. Kritik riss nie richtig ab, sei es an dem Integrationsbambi für Bushido, einer mehr oder weniger willkürlichen Kategoriensetzung und Auszeichnung von beliebigen Stars, die Prestige bringen und halt gerade durch‘s Land tingeln. Nach der letzten Ausstrahlung in der ARD im vergangenen November schrieb Hans Hoff bei der Süddeutschen:

"Es ist nicht nur diese unglaubliche Gestrigkeit im Ausdruck, die dem Preis das Genick bricht, es ist vor allem die Unfähigkeit, die Diskrepanz zwischen ehrlichen Anliegen und dem ganzen Total-Egal-Glitzerkram aus TV und Tralala zu überbrücken."

Die Ära der Fernsehpreise als Lagerfeuer-TV-Event scheint also vorbei zu sein. Auch die Goldene Kamera, die von Burda-Konkurrent Funke veranstaltet wird, wird nach der letzten Übertragung im Frühjahr nicht mehr Teil des ZDF-Programms sein. Aber keine Sorge. Falls sie Fans des Fremschämens bei gepflegter TV-Gala-Unterhaltung sind, gibt‘s ja jetzt wieder den Deutschen Fernsehpreis, der nach einer Pause auch wieder live übertragen wird. Lückerath erklärt das Chaos im Gala-Dschungel:

"Die Übertragungen der Medienpreise von Funke (Goldene Kamera) und Burda (Bambi) erschienen zuletzt auch deshalb absurd, weil ARD und ZDF selbst zu den Stiftern einer anderen Preisverleihung gehören, die man zwar bezahlt aber in den letzten vier Jahren gar nicht ausgestrahlt hat: Den Deutschen Fernsehpreis. Hier haben ARD und ZDF sowie RTL und Sat.1 jedoch im vergangenen Jahr eine Stärkung vereinbart und bringen den gemeinsamen Preis wieder als Live-Event ins Fernsehen."

Burda will das Event totzdem weiterführen. Bei der Süddeutschen lobhudelt Burda-Vorstandsmitglied Philipp Welte den Medienkontakten und TV-Zuschauer:innen-Zahlen und verspricht (je nach Blickwinkel kann man es auch als Drohung auffassen), Bambi werde es immer geben.

Peter und Norbert in deutschen Talkrunden

Dass es bei der Diversität in öffentlich-rechtlichen Talkshows besser aussehen könnte, war zu erwarten. Detailliert durch die Gästelisten gewühlt hat sich nun mal der Islamwissenschaftler und freie Journalist Fabian Goldmann. Der Prototyp auf den Show-Sesseln ist – Überraschung - weiß, männlich, westdeutsch und hat keine Migrationserfahrung, berichtet der Tagesspiegel und greift damit einen Beitrag von Deutschlandfunk Kultur auf.

Niederländische und skandinavische Redaktionen schafften es mit einem Bruchteil der Bevölkerung, ein deutlich diverseres Bild zu vermitteln. Alle 135 Sendungen der deutschen, öffentlich-rechtlichen Talk-Runden aus dem Jahr 2019 hat Goldmann analysiert und kommt zu dem ernüchternden Ergebnis:

"Gerade einmal jeder 20. deutsche Gast wurde im Ausland geboren. Auf Menschen aus Ländern, die in den letzten Jahren im Fokus der Migrationsdebatte standen, wartete man völlig vergebens.

Das Dilemma lässt sich auch so formulieren: Alle Gäste aus Afrika, der arabischen Welt und dem Iran brachten es gemeinsam auf weniger Auftritte als CDU-Politiker Norbert Röttgen allein. Allein Personen mit dem Namen Peter befanden sich häufiger auf Gästelisten als alle Gäste mit türkischen Wurzeln zusammen."

Die Macher:innen wollen sich allerdings nicht alle in eine Topf werfen lassen. Beim Tagesspiegel rechnet Illner-Redaktionsleiter Volker Wilms mit etwas anderen Zahlen und kommt für die Sendung auf einen besseren Wert.

Dem Kritiker geht es neben den konkreten Zahlen aber auch um den Lerneffekt der Sendungs-Macher:innen und darum, "ihren eigenen Auftrag ernst zu nehmen: Gesellschaftliche Missstände zu diskutieren, anstatt sie zu reproduzieren." Dabei habe es 2019 durchaus Fortschritte gegeben, schreibt Goldmann:

"Dass sie dazu in der Lage sind, haben die Talkshows übrigens auch im letzten Jahr bewiesen. Während Debatten über Kopftücher und kriminelle Flüchtlinge in früheren Jahren noch ganz oben auf der Agenda standen, suchte man im Jahr 2019 fast vergebens nach Sendungen, in denen Migranten und Musliminnen von vornherein zum Problemfall erklärt werden. Und auch Runden, in denen Männer die Probleme der Welt unter sich ausmachten, scheinen der Vergangenheit anzugehören."

Konstruktiv sind zu dem Thema übrigens auch die Gedanken der Autorin, Aktivistin und Journalistin Kübra Gümüşay, die vor einiger Zeit angekündigt hatte, in solchen Runden nicht mehr als "intellektuelle Reinigungskraft" anzutreten (zu hören bei Deutschlandfunk Nova).


Altpapierkorb (Assange, MP-Wahl in Thüringen, Frauenmachtanteile in Redaktionen)

+++ Nach der Warnung des UN-Sonderbauftragten für Folter, Nils Melzer, zum Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers Julian Assange (siehe Altpapier), äußern sich nun auch in Deutschland besorgte Stimmen. In der FAZ veröffentlichten gestern rund 130 Künstler:innen, Politikern:innen und Medienschaffende um Günter Wallraff eine Anzeige und brachten Sorge um dessen Gesundheit und Leben zum Ausdruck. Die Forderung nach einer Freilassung Assanges und eines ensprechenden Engagements der Bundesregierung trug Wallraff gestern auch in der Bundespressekonferenz vor.

+++ Mit der Überschrift "Exklusiv: FDP-Chef Lindner gab vorab grünes Licht für Wahl Kemmerichs durch AfD" sorgte der Business Insider für Diskussionen. Die FDP empört sich und streitet jegliche Art von Kooperation mit der AfD ab. Lindner sagte gestern im "heute journal" FDP-Ministerpräsident Kemmerich sei "übermannt"gewesen von der Situation. Mit dem Ergebnis habe man nicht gerechnet, die AfD habe Kemmerich ausgetrickst. Wenn man sich allerdings die Sitzverteilung im thüringischen Parlament anschaut, war gar nichts anderes möglich, als mit den Stimmen der AfD gewählt zu werden. Linke, SPD und Grüne votierten für den Linken-Kandidaten Ramelow, was von Anfang so angekündigt war. Mit der Frage, wer wann was gewusst oder geahnt haben könnte, beschäftigt sich auch Christoph Seils in einer Analyse bei Zeit Online.

+++ Bei dem Thema fliegen aktuell auch allerhand Metaphern durch den medialen Raum. Die des "Dammbruchs" nimmt sich Johannes Schneider, ebenfalls bei Zeit Online, vor. Er schreibt: "Der Kampf um die Deutungsmacht zwischen denen, die den Dammbruch attestieren, und denen, die ihn verneinen, ist fortan ein ungleicher: Während die einen die Vorstellung des Katastrophischen nicht mehr steigern können, wenn sie einmal vom Dammbruch gesprochen haben, finden die anderen immer weitere Belege dafür, dass die Verhältnisse weiterhin demokratisch vertretbar sind."

+++ Pro Quote hat wieder die Frauenmachtanteile in Leitmedien (Print und Online) gezählt. Vor allem bei der FAZ gebe es im Printbereich Verbesserungen (Plus von fast sechs Prozentpunkten auf 23, Prozent). Die FAZ überschreite damit erstmals seit Beginn der Zählung 2012 die 20-Prozent-Marke und verbessere sich von Platz 7 auf Platz 5. "Dieses Ergebnis bleibt zwar immer noch weit unterhalb einer fairen Beteiligung von Frauen", wird ProQuote-Medien-Vorstandsmitglied Edith Heitkämper zitiert, "doch zumindest zeigt sich endlich ein Fortschritt bei der FAZ". Auf Platz ein liegt der Stern mit 53 Prozent.

+++ Weil die Journalistin Nhi Le bei Twitter eine "Schelle" für Rassist:innen forderte, wurde sie zwischenzeitlich bei Twitter gesperrt. Anderen User:innen, die den Text kopierten und ebenfalls twitterten, wurden nicht gesperrt, berichtet Marie Bröckling bei netzpolitik.org und problematisiert in dem Zusammenhang sogenannte Meldemarathons, mit denen vor allem rechte Trolle das NetzDG ausnutzen, um politische Gegner zu verdrängen.

+++ Die New York Times hat die Fünf-Millionen-Abo-Marke geknackt, berichtet Horizont (via dpa). Mehr als die Häfte davon zahlten für Digital-Angebote. Im gesamten vergangenen Jahr seien mehr als eine Million Kunden dazugekommen - eigenen Angaben zufolge der höchste Jahres-Anstieg in der Geschichte der renommierten Zeitung.

Neues Altpapier gibt‘s wieder am Montag.

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