historische Schwarz-weiß-Aufnahme des Dirigenten Hermann Scherchen
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Kalenderblatt Dirigent Hermann Scherchen: 15./16. April 1929

13. September 2024, 15:53 Uhr

Die Entwicklung des Leipziger Sinfonieorchesters, das seit Herbst 1924 bei der MIRAG unter Vertrag stand, war eng mit dem Wirken des Ausnahmedirigenten Hermann Scherchen verbunden. Bereits 1921 und 1922 arbeitete er regelmäßig mit dem Grotrian-Steinweg-Orchester, aus dem schließlich das LSO hervorgeht. Scherchen war Orchestererzieher und Motor für Neue Musik in Personalunion. Von Beginn an programmierte er sinfonische Musik von Mahler, so auch in den Konzerten am 15./16. April 1929. Scherchen hatte neben die Uraufführung von Franz Schrekers Orchesterliedern "Vom ewigen Leben" (die am zweiten Abend stattfindet) als Kernstück des Programms Gustav Mahlers "Dritte Sinfonie" gesetzt und wurde für deren Interpretation in den höchsten Tönen gelobt. Der Rezensent der Leipziger Volkszeitung, Heinrich Wiegand, schrieb voller Enthusiasmus:

»Schon als im Jahre 1921 Hermann Scherchen die 3. Mahler-Sinfonie für das ABI [Arbeiter- Bildungsinstitut] aufführte, hinterließ das Werk einen mächtigen Eindruck. Doch diesmal [...] gestaltete er es mit einer Reife und Vertiefung, die ganz seine schöpferische Kraft erleben ließ. Besonders der erste Satz der Sinfonie mit dem Gassenhauermotiv und den scharfen Rhythmen wurde zu einer Spitzenleistung [...]«

Die Leistung des namentlich nicht erwähnten Chores ließ Wünsche offen. "Scherchens noch souveräner gewordene Interpretation" in der zweiten Aufführung "stellte ihn in die erste Reihe der Mahler-Dirigenten". Davon konnte sich das Leipziger Publikum im Jahr 1960 bei dem gleichen Werk erneut überzeugen.