1924–1933: Vorgeschichte und Gründung Zwölf "geheimnisvolle" Köpfe in Kohle
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Welche Geschichten verbergen sich hinter diesen zwölf Köpfen?
Diese zwölf Porträts zeigen die leitenden MIRAG-Mitarbeiter fünf Jahre nach Gründung der Mitteldeutschen Rundfunk AG. Lothar Schneider hatte sie im Jahre 1928/29 auf großformatige Papierbögen im Atelier der MIRAG treffend gezeichnet.
Anlass dazu war die im Frühjahr 1929 geplante Jubiläumsausstellung "Fünf Jahre Rundfunk in Mitteldeutschland", die man groß im Ringmessehaus feierte. Zur künstlerischen Vorbereitung wurde im MIRAG-Haus der Funkraum 3 ausgeräumt und zu einem Atelier mit Staffeleien und Zeichentischen umfunktioniert. Die MIRAG war von der Alten Waage im August 1928 wegen Platzmangels in den Gebäudekomplex "Markt 8" (Bartels Hof) umgezogen und hatte dort zwei Etagen belegt.
Lothar Schneider war von 1928 bis 1934 Künstlerischer Werbeleiter der MIRAG. Neben einigen seiner Porträtzeichnungen haben sich auch einige Aquarelle und Karikaturen erhalten. Der Opernsänger und Kunstmaler war eine der schillerndsten Persönlichkeiten aus der Gründungsphase der MIRAG.
Wer sind die Dargestellten?
REIHE 1 (v. l. n. r.):
Dr. Erwin Jaeger (1870–1955)
Erwin Jaeger war von 1924 bis 1928 Gründungsvorstand der MIRAG. Er war schon 1922 einer der führenden Köpfe der Radio-Amateurbewegung und stand der "Radio-Vereinigung Leipzig" vor, die damals um 700 Mitglieder umfasste. Aus der Amateurszene kam der Impuls, einen Radiosender für Leipzig zu installieren.
Dr. Fritz Kohl (1885–1947)
Fritz Kohl war der kaufmännische Leiter der MIRAG sowie Repräsentant und Lobbyist der Rundfunkhändler. Alfred Szendrei berichtet in seinen autobiografischen Skizzen, dass Kohl früher bei einer Dresdner Firma angestellt war, die elektrische Apparate herstellte und vertrieb, und dass er seinen Titel Dr. h. c. von einer Universität für die Schenkung einiger Röntgen-Apparate erhielt. Er war seit Ende 1932 mit der international renommierten Liedsängerin Elena Gerhardt verheiratet. Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er unter dem Vorwand, Gelder veruntreut zu haben, fristlos entlassen, kam im August 1933 in Untersuchungshaft und emigrierte nach seiner Haftentlassung mit seiner Frau 1934 nach London, wo er 1947 verstarb.
Dr. Hans Otto
Hans Otto war Rechtsanwalt und Aufsichtsratsvorsitzender der MIRAG. Er war ein enger Freund von Alfred Szendrei.
REIHE 2 (v. l. n. r.):
Dr. Alfred Szendrei (1884–1976)
Alfred Szendrei war Musikalischer Leiter der MIRAG und erster Chefdirigent des Leipziger Sinfonieorchesters.
Hans Peter Schmiedel
Hans Peter Schmiedel war für nur ein Jahr kommissarisch Literarischer Leiter der MIRAG, bevor er seinen Posten an den Stuttgarter Journalisten, Übersetzer und späteren Medienwissenschaftler Eugen Kurt Fischer übergab und selbst als Oberregisseur der Sendespiele weiterarbeitete. Davor war Schmiedel Sprecher und Spielleiter des Kinder- und Jugendfunks gewesen. Er hatte die Position von Julius Witte übernommen, der wegen kritischer wie abfälliger Äußerungen gegenüber der MIRAG-Leitung suspendiert wurde.
Hilmar Weber (1890–1956)
Hilmar Weber war anfänglich Kapellmeister der MIRAG-Hauskapelle, die erst 1932 mit dem Leipziger Sinfonieorchester fusionierte. Er blieb als Kapellmeister eine Konstante für das Leipziger Sinfonieorchester, insbesondere wenn die Position des Chefdirigenten nicht besetzt war. Hilmar Weber wie auch der Kapellmeister Theodor Blumer (1881–1964), von 1925 bis 1931 Musikalischer Leiter beim Dresdner Nebensender, halfen in kritischen Situationen immer wieder aus. Erstaunlicherweise haben sich im MDR-Orchesterarchiv keine Lebensdaten des Dirigenten erhalten. Biografische Stationen blitzen durch, als er sich an die Gründungszeit des Leipziger Sinfonieorchesters erinnert.
REIHE 3 (v. l. n. r.):
Wilhelm Rettich (1892–1988)
Wilhelm Rettich war Hauskomponist der MIRAG. Er schrieb Hörspielmusiken, richtete Orchesterwerke ein, arrangierte sie um, damit sie in kleinerer Besetzung spielbar waren. Er wirkte zudem als Abhörkapellmeister und Pianist.
Eugen Emil Horath
Eugen Emil Horath war ab Februar 1925 bei der MIRAG und Leiter des "Nebensenders Dresden". Er war von Hause aus Architekt. Bevor er nach Dresden kam, war er mit der Ausgestaltung des Leipziger Funkhauses befasst. In der neuen Position war er zum einen für die Programmgestaltung und Geschäftsführung des Dresdner Senders verantwortlich, zum anderen sollte er zukünftig alle baulichen und raumgestalterischen Projekte des Nebensenders koordinieren und so seine Erfahrungen aus Leipzig einbringen.
Kurt Arnold Findeisen (1883–1963)
Kurt Arnold Findeisen war ab 1925 Literarischer Leiter des MIRAG-Nebensenders Dresden, ab 1931 Leiter der Schulfunkabteilung beim Leipziger Sender und bis 1933 ständiger Mitarbeiter des Rundfunks. Zuvor war er Lehrer und Krankenpfleger. 1914 begann er seine schriftstellerische Tätigkeit, gab mehrere Monatsschriften und Publikationen mit heimatkundlichem Inhalt heraus, darunter auch Weihnachtslieder.
Seiner Heimat Sachsen und besonders dem Erzgebirge blieb er stets verbunden, schrieb biografische, historische Romane sowie Komponisten-Lebensbilder und volkstümliche Lyrik. 1933 trat er der NSDAP bei, wurde aber 1934 von den Nationalsozialisten fristlos entlassen. Er wirkte fortan als freier Schriftsteller bis zu seinem Tod in Dresden. Am 13. Februar 1945 wurde er durch die Luftangriffe auf Dresden obdachlos, seine über Jahre liebevoll zusammengetragene Sammlung erzgebirgischer Volkskunst und sächsischer Archivalia und Rara verbrannte dabei restlos.
REIHE 4 (v. l. n. r.):
Josef Krahé (1884–1952)
Josef Krahé war einer der ersten Sprecher beim Deutschen Rundfunk und stieg bei der MIRAG in den 1920er-Jahren zum Chefsprecher und Hörspiel-Leiter auf. Er begann 1909 als Schauspieler am Fürstlichen Hoftheater in Detmold, gehörte ab 1922 zum Ensemble des Leipziger Schauspielhauses, für das er auch als Regisseur tätig war. In der ARD-Hörspieldatenbank (Stand November 2023) ist er für den Zeitraum von 1924 bis 1929 mit insgesamt 61 Datensätze verzeichnet.
Martin Fraunhofer
Martin Fraunhofer war Verwaltungsleiter der MIRAG.
Dr. Fritz Kaphahn (1888–1943)
Fritz Kaphahn war Vorsitzender des MIRAG-Kulturbeirates und Regierungsrat im Ministerium für Volksbildung in Freistaat Sachsen. Zuvor war er Gymnasiallehrer und in der Erwachsenenbildung aktiv. Als Fachautor für Pädagogik und Geschichte hat er einige Schriften publiziert. Sein Nachlass befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek.