1945–1958: Neuanfang und Wiederaufbau in der DDR Provisorische Sendesäle
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Wiederaufbau
Diese kleine Fotoserie, die sich im MDR-Chorarchiv erhalten hat, wurde am 26. Juli 1947 von Chorsängerin Annelies Gläser aufgenommen. Sie zeigt Mitglieder des Rundfunkchores, wie sie Trümmer wegräumen, Steine vom alten Putz befreien, sortieren, stapeln und sich ihren neuen Sendesaal bauen, den sogenannten S1. Die Bilder geben einen Eindruck davon, wie ausgezehrt die Sängerinnen und Sänger von den Entbehrungen des Krieges waren und was sie mit Entschlossenheit und in Gemeinschaft zu leisten im Stande waren.
Diese Fotos, die sich im MDR-Chorarchiv erhalten haben, wurde am 26. Juli 1947 von Chorsängerin Annelies Gläser aufgenommen. Sie zeigen Mitglieder des Rundfunkchores, wie sie Trümmer wegräumen, Steine vom alten Putz befreien, sortieren, stapeln und sich ihren neuen Sendesaal bauen, den sogenannten S1.
Fehlende Räumlichkeiten
Diese Szenen stehen exemplarisch für den Wiederaufbau des Leipziger Senders nach dem Zweiten Weltkrieg. Leipzig lag in Schutt und Asche. Spiel- und Probestätten gab es kaum. Der Saal im Ballhaus "Reichshallen" in der Elisabethstraße im Stadtteil Leipzig/Volkmarsdorf diente in der Nachkriegszeit vorübergehend als Sende-, Aufführungs- und Proberaum.
In den "Reichshallen" fanden regelmäßig Tanzveranstaltungen statt, die mit einem gastronomischen Angebot verbunden waren. Dementsprechend war der Ballsaal morgens vor den Orchester- und Chorproben oft verqualmt und alles andere als ordentlich. Man stelle sich vor, dass hier am 13. Oktober 1947 Szenen aus Aida mit vollem Chor und Orchester sowie damaligen Top-Sängern wie Christel Goltz und Bernd Aldenhoff aufgenommen wurden, am Pult Rolf Kleinert.
Provisorium Ballsaal "Reichshallen"
Der Ballsaal "Reichshallen" bot hinsichtlich Beleuchtung, Heizung, Lüftung und seiner schlechten akustischen Verhältnisse absolut unzureichende Arbeitsverhältnisse. Durch die Doppelfunktion der Räumlichkeit als Ballsaal war es am nächsten Morgen oft notwendig, dass die Musiker zunächst den Unrat des Vorabends, Zigarettenkippen und leere Flaschen, wegräumten. Orchester und Chor mussten sich mit der Situation knapp zwei Jahre lang arrangieren. Dirigent Rolf Kleinert erinnert sich noch 1957 an die widrigen Umstände, unter denen hier ab Anfang 1946 auch die ersten Aufnahmen entstanden.
Die Hoffnungen aller Mitarbeiter aus der Musikabteilung waren deshalb groß, bald in der Springerstraße das neue Sendehaus mit einem großen Sendesaal beziehen zu können. Der Sender mobilisierte dafür alle zur Verfügung stehenden Kräfte. So waren die Mitarbeiter damit beauftragt, die Baufläche herzurichten, Trümmer wegzuräumen und wiederverwertbares Baumaterial zu sichern, Steine von Mörtel zu säubern und noch brauchbare Materialien in Stand zu setzen. Die Fotoserie von Annelies Gläser dokumentiert diesen Arbeitseinsatz sehr eindrücklich. Auf dem großen Gruppenbild, mit Chorleiter Horst-Karl Hessel vorn, steht auf der Tafel in der Mitte des Rundfunkchores: "Wir bauen einen Sendesaal."
Der S1
Im Januar 1946 wurde das Leipziger Sinfonieorchester von der Mitteldeutschen Rundfunkgesellschaft zu zwei Probeaufnahmen eingeladen. Es folgten weitere Aufnahmen zunächst noch in den "Reichshallen", dann ab Juni 1946 bevorzugt in der Kongresshalle. Der Umbau des ehemaligen Barmenia-Versicherungsgebäudes vom Bürohaus zum Funkhaus im Areal Springerstraße machte zunehmend Fortschritte, sodass der Sender seinen Betrieb sukzessive starten konnte.
Für den Umbau zum Sendehaus wurde der ursprünglich freistehende Schenkel des Bürohauses in der Springerstraße mit dem benachbarten Wohnhaus verbunden und zum Haupteingang des Senders ausgebaut. Architekt war Gero Schilde. Es fehlte noch im Hinterhof der mit 4.000 Kubikmetern Raumvolumen großzügig dimensionierte, moderne Sendesaal 1 ("S1"), mit dem Chor und Sinfonieorchester zukünftig engstens verbunden sein sollten.
Kultsaal weicht Tiefgarage
Am 2. September 1947 war es endlich so weit, der neue Sendesaal des Leipziger Senders wurde eingeweiht. Zur Eröffnung sprachen Gerhard Pfützner, der Intendant des Senders, sowie Hans Mahle, der Generalintendant. Mit Vivaldis Concerto a-Moll und dem Finale aus Beethovens 5. Sinfonie wurde der "S1" musikalisch in Besitz genommen. Er war der erste Rundfunk-Neubau im Nachkriegsdeutschland und wurde zum Kultsaal. In seiner gut 50-jährigen Nutzungsdauer erlebte er noch einige Umbauten, wurde bis weit in die 1990er-Jahre noch als Proberaum und auch für Aufführungen Neuer Musik genutzt.
Nach der Wende erhielten die MDR-Klangkörper am Leipziger Augustusplatz in den unteren Stockwerken des City-Hochhauses, auch bekannt als "Uniriese", ihr neues Domizil in unmittelbarer Nähe des Neuen Gewandhauses. Das Gebäude in der Springerstraße stand einige Jahre leer, bis sich ab 2008 ein Investor entschloss, es in ein Wohnhaus umzubauen. Der traditionsreiche Sendesaal S1 wurde abgerissen und wich einer Tiefgarage, auf deren Dach sich heute ein Kinderspielplatz befindet.