1924–1933: Vorgeschichte und Gründung Die Alte Handelsbörse: Probensaal und Studio
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Das Bild gewährt einen Blick in den Probe- und Sendesaal der MIRAG in der Alten Handelsbörse am Leipziger Naschmarkt um 1928. Das Gebäude aus dem späten 17. Jahrhundert, in dem sich früher Kauf- und Handelsleute trafen und in dem sich, nach seinem Umbau 1905 bis 1909, die Leipziger Stadtverordneten versammelten, diente der MIRAG schon ab 1924 als musikalisch-technischer Experimentierraum für größere Produktionen. Hier probten die Musiker des Leipziger Sinfonieorchesters und die Sängerinnen und Sänger der Oratorienvereinigung, wie der Rundfunkchor anfänglich noch hieß, und übertrugen ihre Musikbeiträge mit immer wieder weiterentwickelter Sendetechnik an eine ständige wachsende Rundfunk-Hörerschaft.
Die Alte Börse war gut gelegen. Nicht weit von ihr war die Geschäftsstelle der MIRAG in der "Alten Waage", Markt 4, untergebracht. Hier befanden sich auch zwei kleine Besprechungsräume, die aber für ein größer besetztes Orchester nicht ausreichten. Sie wurden zum Beispiel für Hörspielproduktionen, Vorträge oder Aufnahmen kammermusikalischer Werke genutzt.
Die MIRAG, die am 1. März 1924 mit Beginn der Frühjahrsmesse um 14.25 Uhr mit "Hallo, hallo, hier ist Leipzig" auf Sendung ging, setzte schon von Anfang an auf musikalische Beiträge. So waren bei der Eröffnung das Davidsson Streichquartett und der Thomanerchor zu hören. In den ersten Monaten unterhielt die MIRAG vier Musiker, die Kammermusik zu Gehör brachten, Ende 1924 bereits 20 Musiker als Rundfunk-Hauskapelle, für die ab Februar 1925 Hilmar Weber als Dirigent gewonnen werden konnte. Sie spielten hauptsächlich Musik aus dem Unterhaltungsbereich.
Dynamik der Anfangsjahre
Das neue Medium boomte. Waren es im Sommer 1924 in Mitteldeutschland noch 19.000 zahlende Teilnehmer, so wurden es 1926 schon 158.000 und 1932 schließlich 638.000, etwa 15 Prozent der damaligen gesamtdeutschen Hörerschaft.
Die Sende- und Empfangstechnik steckte damals noch in den Kinderschuhen, doch sie entwickelte sich rasch. Daher mussten ständig neue Versuche unternommen werden, um Mikrofone im Zusammenspiel von Sendeanlagen, Verstärkern, Leitungen und Kontrolleinrichtungen zu harmonisieren. Das betraf natürlich auch die Radiogeräte: Von professionellen Industrieempfängern für 1000 Mark bis hin zu Detektoren-Selbstbausätzen stand eine breite Palette zur Verfügung. Dies lässt vermuten, dass die tatsächlichen Hörerzahlen zusammen mit denen der "Schwarzhörer" aus der Funkamateur- und Bastler-Szene schätzungsweise vier- bis fünfmal höher waren.
Ansprüche und Anforderungen steigen
Vieles wurde in den ersten Jahren noch improvisiert. Man schlug sich ständig mit technischen Defekten herum und oft brach die Übertragung zusammen. Aber dem wachsenden Publikum musste etwas geboten werden. Immerhin zahlten die Menschen eine Gebühr von zwei Mark pro Monat, die übrigens bis 1969 unverändert blieb. Neben Angebotsvielfalt war da vor allem auch Übertragungsqualität gefragt. Mit den Ansprüchen stiegen auch die technischen wie inhaltlichen Anforderungen.
Dabei machte man immer wieder neue Erfahrungen mit der unterschiedlichen Positionierung von Mikrofonen und den akustischen Verhältnissen. Die besten klanglichen Ergebnisse erzielte man, indem man die Raumakustik möglichst "trocken" gestaltete, also möglichst ohne Halleffekte, die bei der Übertragung zu Verzerrungen führen konnten. Daher wurden in Klangversuchen die Wände mit schweren schallschluckenden Stoffen behängt, der Boden teils mit Teppichen ausgelegt und nicht benötigte Instrumente mit Decken abgedeckt. Mikrofone, bis 1925 noch Kathodophone, später die verbesserten Reisz-Mikrofone, wurden an verschiedenen Positionen ausprobiert.
Natürlich wurde auch mit der Aufstellung des Orchesters, der Positionierung der Stimmgruppen experimentiert. Alfred Szendrei, der erfahrene Bühnendirigent, war Musikalischer Leiter der MIRAG. Er erstellte ein Konzept, mit dem er ein den technischen Möglichkeiten entsprechend geschlossenes Klangbild erzeugen konnte. Von Anfang an wollte Szendrei größere Werke wie Opern und Operetten spielen und senden. So ging er am 16. März 1924 in der Alten Börse mit Mozarts "Zauberflöte", gesungen von den Solisten der Leipziger Oper, auf Sendung und knüpfte am 26. Juni 1924 mit Franz von Suppés Operette "Die schöne Galathée" an. Ob das bereits mit dem Leipziger Sinfonieorchester geschah, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig ermitteln.
Blick hinter die Kulissen
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