Schwarz-Weiß-Foto des Dirigenten Kristjan Järvi
Kristjan Järvi Bildrechte: MDR/Marco Prosch

Ab 1992: Die Neugründung des MDR und Fortgang der Geschichte Aufbruch in die Weltmusik mit Kristjan Järvi

Kristjan Järvi wurde 2012 Chefdirigent, zu einer Zeit, in der die Frage nach der Identität und den Aufgaben der Rundfunkorchester in Europa zunehmend schärfer diskutiert wurde. Seine Antwort darauf: eine radikale Erweiterung des Repertoirespektrums und die Einführung von Festivals als Saisonschwerpunkte, der Einzug in neue "alternative" Spielstätten neben dem Gewandhaus und darüber hinaus: die starke thematische Prägung einer jeden Spielzeit.

Plakat Ice Festival, 2015.
Plakat Ice Festival, 2015 Bildrechte: MDR KLASSIK

Dies gelang in exemplarischer Weise in den Jahren 2012 bis 2016, in denen das Orchester den vier Himmelsrichtungen folgend unter dem Motto GO EAST, GO WEST, GO NORTH, GO SOUTH eine Fülle von bekannten und unbekannten Werken auf die Konzertbühne brachte. Die Namen von 187 Komponistinnen und Komponisten aus 37 Ländern, rund 20 Kompositionsaufträge und zahlreiche Ur- bzw. Erstaufführungen standen in den Järvi-Jahren auf dem Programm. Ein weiteres neues musikalisches Element war die Begegnung mit außereuropäischen Musikkulturen und ihren Protagonisten, sowie die Zusammenarbeit von Jazzern, Rock-, Pop und "Weltmusikern" mit dem MDR-Sinfonieorchester. Konzerte mit Musikern wie Alkino Ioannidis (Griechenland), Aziz Sahmaoui (Marokko), Anoushka Shankar und Pyarelal Ramprasad Sharma (Indien), Theodossi Spassov (Bulgarien), Burkina Electric (Burkina Faso), University of Gnawa (Marokko) aus der traditionellen Musik, mit der Band Apocalyptica, múm, Napoleon Murphy Brock (Zappa plays Zappa), Stefano Bollani, James Carter zogen ein neues Publikum in die Konzerte des MDR-Sinfonieorchester und weiteten das Repertoirespektrum.

MDR-Sinfonieorchester und Kristjan Järvi mit Solisten (Vlatko Stefanovski, Gitarre | Theodosii Spassov, Kaval-Flöte | Miroslav Tadić, Gitarre)
MDR-Musiksommer Eröffnungskonzert 2015 "Balkanfieber": MDR-Sinfonieorchester und Kristjan Järvi mit Vlatko Stefanovski (Gitarre), Theodosii Spassov (Kaval-Flöte) und Miroslav Tadić (Gitarre) Bildrechte: MDR/Andreas Lander

Die jüngeren Generationen – Komponistinnen und Komponisten wie Musiker und Musikerinnen – bekamen ein Forum neben den Klassikern, ebenso Vertreter aktueller musikalischer Tendenzen, die sich für die Überwindung der Trennung von E- und U-Musik einsetzen. Zu nennen sind unter anderem Bryce Dessner, Gedeminas Gelgotas, Jonny Greenwood, Hauschka, Sven Helbig, Nico Muhly, Gene Pritzker, Gabriel Prokofjew, Max Richter, Daniel Schnyder, Caroline Shaw und Dobrinka Tabakowa.

Kristjan Järvi und Steve Reich klatschen
Kristjan Järvi und Steve Reich gemeinsam bei den Proben für "Clapping Music" Bildrechte: MDR/St. Witschas

Aber eben nicht nur: die großen Klassiker und Romantiker wurden keineswegs verbannt, sondern in neue Zusammenhänge gestellt. Auch die Großen der Moderne und der zeitgenössischen Musik wie Steve Reich, Philip Glass, Arvo Pärt, John Adams, Leonard Bernstein, Igor Strawinsky prägten das Repertoire. Besonderes Verdienst Järvis war es, dem Publikum einen umfassenden Einblick in die weite Welt der nordischen Komponisten zu eröffnen. Jean Sibelius, Veljo Tormis, Johan Halvorsen, Märt-Matis Lill, Selim Palmgren, Einojuhani Rautavaara, Erkki-Sven Tüür, Arvo Pärt, Peteris Vasks, Wilhelm Stenhammar, Raminta Serksnyte u. a. m. fanden in Järvi einen engagierten Verfechter der nordischen Musik.  

Kristjan Järvi
Bildrechte: MDR/Andreas Lander