Schwarz-Weiß-Foto von Alfred Szendrei mit dem Rundfunkchor vor der Alten Börse in Leipzig.
Alfred Szendrei (Mitte vorn) mit dem Rundfunkchor am 1. Mai 1926 vor der Alten Börse in Leipzig in fast gleicher optischer Anmutung wie schon zwei Jahre zuvor mit dem Leipziger Sinfonieorchester (unten). Beide Klangkörper waren von Anfang an musikalisch eng verbunden und nutzten die Alte Börse als ihren ersten Proben- und Sendesaal. Bildrechte: MDR-Chorarchiv

1924-1931 Die Leipziger Oratorienvereinigung

Alfred Szendrei, Erster Dirigent des Leipziger Sinfonieorchesters, erweiterte seine künstlerischen Pläne umgehend nach der Übernahme des Orchesters durch die MIRAG. Er wollte sich keineswegs auf das Senden von Instrumentalmusik beschränken und plante Übertragungen von Opern und Oratorien. Hierfür brauchte er einen Chor. Seinen künstlerischen Ansprüchen konnten nur professionelle Sänger genügen und er benötigte ihre Professionalität im Umgang mit der jungen, sich ständig weiterentwickelnden Aufnahmetechnik benötigt. Er wollte den Beweis antreten, dass es sehr wohl möglich ist, chorsinfonisches Repertoire im Rundfunk zu übertragen.

Schwarz-Weiß-Porträt des Dirigenten Alfred Szendrei
Alfred Szendrei 1931, im Jahr seiner Entlassung bei der MIRAG. Bildrechte: Archiv MDR-Sinfonieorchester

Szendrei hatte nicht die Zeit, durch Vorsingen aus den Kreisen der großen Leipziger Chorlandschaft seinen permanenten Chor zu bilden. Deshalb wandte er sich dem Gewandhauschor zu:

Ich habe mir einen ständigen Chor von 32 Sängern zusammengestellt, alle Mitglieder des Gewandhauschores, mit ausgezeichneten Stimmen und alle perfekte Blattleser. Mit nur 1-2 Klavierproben und einer Generalprobe konnte ich mit diesem Chor einwandfreie künstlerische Leistungen erzielen. Ich habe den Chor zu ‚funkischem’ Singen trainiert, d. h. den Sängern diejenigen Stärkegrade beigebracht, welche die damalige Mikrophontechnik erlaubt hat. Außerdem sind mehrere Mikrophone so aufgestellt worden, dass die vier verschiedenen Chorgruppen sich klar voneinander abhoben und keinen dicken Brei in der Sendung ergaben. So ist auch dieses Vorurteil überwunden worden, und im Laufe der Jahre konnte die Technik der Chorübertragung immer weiter vervollkommnet werden.

A. Szendrei

Die erste Sendung von LSO und Oratorienvereinigung war Haydns ‚Schöpfung’, am 14. Dezember 1924. Es folgten im ersten Jahr der Arbeit Szendreis zwei Aufführungen von Mendelssohns ‚Elias’ Händels ‚Messias’, Schumanns ‚Paradies und Peri’ und Haydns ‚Jahreszeiten’. Der Grundstein für die Chorsinfonische Tradition der mitteldeutschen Rundfunkklangkörper war gelegt.

Die Zahl von 32 Choristen war durch die technischen Möglichkeiten bestimmt worden. Schon zwei Jahre später hat die auch „Rundfunkchor“ genannte „Oratorienvereinigung“ 58 Mitglieder.

Ende der 20er Jahre nahm die Anzahl der Übertragungen mit der Oratorienvereinigung ab. Ökonomische Gründe mögen hierfür Grund gewesen sein, aber auch die Tatsache, dass man mit der verbesserten Übertragungstechnik nicht mehr in dem Maße auf sendereigene Ensembles angewiesen war, sondern auch in der Region Opern und chorsinfonisches Repertoire aufnehmen konnte.

Mit der (politisch bedingten) Entlassung von Alfred Szendrei durch die Sendeleitung 1931 endete die Epoche des Aufbruchs. Der Name „Oratorienvereinigung“ verschwand aus den Programmen, vermutlich auch, um alle Assoziationen mit Szendrei zu verbannen.

Dirigent der Oratorienvereinigung Leipzigs:

Schwarz-Weiß-Porträt des Dirigenten Alfred Szendrei mit Audio
Alfred Szendrei in einem Porträtfoto von 1919, kurz nach seiner Übersiedlung nach Leipzig. Bildrechte: Archiv MDR-Sinfonieorchester