Leipzig-Grünau: Eröffnung der Bogenbrücke im Robert-Koch-Park
Bau-Ingenieur Hans-Joachim Schreiber (re.) freute sich über die ersten Nutzer der Brücke. Bildrechte: MDR/Christian Kerber

Sanierung dank Bürger-Engagement Zwischen Lügen und Knutschen: Parkbrücke in Leipzig-Grünau wiedereröffnet

27. September 2024, 18:13 Uhr

Eine Brücke mit einem Mythos kehrt zurück: Die "Lügenbrücke" im Koch-Park in Leipzig ist nach einer Sanierung wieder freigegeben worden. Dazu holte eine Bürgergruppe auch die ehemaligen Park-Besitzer mit ins Boot.

"Geknutscht habe ich hier nicht, aber es war für mich schon ein Schritt zum Erwachsenwerden", schmunzelt Wieland Sack bei der Wiedereröffnung der Fußgängerbrücke im Grünauer Robert-Koch-Park. Warum genau, wird er nachher noch erzählen. Sein Großvater Paul Sack hatte vor 111 Jahren den Park gegründet. Zur kleinen Feier zur erfolgreichen Sanierung der Brücke, kam der Enkel gerne aus Niedersachsen nach Leipzig.

"Bürger-Engagements für die Stadt äußerst wichtig"

Die Restaurierung der jahrelang gesperrten Brücke ist das Ergebnis von Bürger-Engagement im Stadtteil. Die Instandsetzung initiierte die Arbeitsgruppe "Park Schloss Grünau". Heike Will, die Leiterin des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung, sagte MDR SACHSEN: "Die Bürger-Engagements sind für die Stadt Leipzig äußerst wichtig, weil wir solche Projekte nur zusammen mit den späteren Nutzern entwickeln können."

Die Arbeitsgruppe hatte sich 2018 gegründet und ist benannt nach einem Schloss im Park, der Sack'schen Villa. Sie ist benannt nach einer Landmaschinen-Fabrikanten-Familie. Der Park ist inzwischen im Besitz der Stadt.

Leipzig-Grünau: Eröffnung der Bogenbrücke im Robert-Koch-Park
Heike Will (Stadt Leipzig), Martin Wilken (Werksleiter von BBG/Amazone in Leipzig), Wieland Sack sowie Hans-Joachim Schreiber und Evelin Müller (v. re.) von der Arbeitsgruppe "Park Schloss Grünau" freuen sich über die Eröffnung der Brücke. Bildrechte: MDR/Christian Kerber

Dicke Bretter waren zu bohren

Ein Mitglied der Arbeitsgruppe ist Hans-Joachim Schreiber. Der pensionierte Brückenbau-Ingenieur, der früher selbst mit seiner eigenen Firma Brücken im Auftrag der Stadt konstruierte, trug mit seiner Expertise maßgeblich zur Sanierung bei. Er setzte die Bedingungen des Denkmalschutzes und des Leipziger Mobilitätsamtes um: "Es hat länger gedauert, als wir eigentlich gedacht hatten. Die Finanzierung musste erst einmal abgesichert werden, dann gab es auch einige Probleme, was die Vorschriften betraf." Wichtig waren demnach die Bretter, die ausgetauscht werden mussten. Keine leichte Aufgabe: Schreiber berichtet von Diskussionen um die Dicke der speziellen, rutschfesten Bretter, der Kompromiss fiel dann auf sieben Zentimeter, so habe dann auch die "gesetzlich geregelte Geländerhöhe" gepasst.

Leipzig-Grünau: Eröffnung der Bogenbrücke im Robert-Koch-Park
Das Trio "Nimmer & Mehr" begleitete die Eröffnung der Stahlbogenbrücke in Grünau. Bildrechte: MDR/Christian Kerber

Fast 30.000 Euro Kosten - Spende von Sack-Nachfolge-Firma

Die Brücke war auch Thema im Stadtrat, der im vergangenen Jahr sein Okay gegeben hatte. Nach Angaben von Heike Will betrugen die Kosten 29.900 Euro. Darunter war auch eine Spende für den neuen Belag von der Rudolph-Sack-Nachfolge-Firma BBG Amazone. Diese 12.000 Euro mussten allerdings erst den Weg durch den Stadtrat finden.

"Sind da sehr naiv dran gegangen"

Darüber wunderte sich auch AG-Mitglied Evelin Müller vom soziokulturellen Zentrum Komm-Haus in Grünau, die zugibt: "Wir sind da sehr naiv dran gegangen: 'Kleine Brücke, Belang neu drauf - fertig'. Umso froher sei sie, dass die Brücke als erstes Projekt für die Neuausrichtung des Parks nun fertig ist. Als nächstes will sich die AG nach Aussage von Müller um die Grabanlage von Wieland Sacks Großvater Paul kümmern: "Die ist in einem bedauernswerten Zustand." Langfristig möchte die AG auch wieder ein Café in den Park bringen, verrät Hans-Joachim Schreiber.

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Park für Dreharbeiten genutzt

Noch ist der Park in Leipzig nicht sehr bekannt. Zur Freude des Fernsehens, das in einer alten Villa die ARD-Serie "Tierärztin Dr. Mertens" dreht. Der Publikumsverkehr im Park hält sich noch in Grenzen.

Langfristig soll die Oase in Grünau nach Angaben der Stadt ein Park für alle Generationen werden, mit Angeboten für Entspannung, Bildung und Kultur. Das werde allerdings länger dauern, "2032 ist da noch nicht realistisch", sagt Heike Will.

Leipzig-Grünau: Eröffnung der Bogenbrücke im Robert-Koch-Park
Die alte Sack'sche Villa, das heutige Park-Schloss Grünau, wird derzeit ebenfalls saniert. Früher diente es als Landsitz der Unternehmerfamilie Sack. Bildrechte: MDR/Christian Kerber

Kultur wurde schon am Donnerstag bei der Eröffnung geboten. Zunächst mit einem Dudelsack-Spieler als Hommage an die Familie Sack. Dann eine Performance des Trios "Nimmer & Mehr" mit dem Titel: "Treffpunkt Brücke oder wo heimlich geknutscht wurde".

"Wer Lügen verbreitet, fällt ins Wasser"

Geknutscht hat Wieland Sack dort wie gesagt nicht. Kein Wunder, er verließ seine "Heimat", wie er selbst sagt, 1945 mit zehn Jahren. Sein Urgroßvater Rudolph Sack hatte im 19. Jahrhundert eine große Landmaschinen-Firma in Leipzig gegründet. Dessen Sohn Paul ließ von 1910 bis 1913 neben den Versuchsfeldern der Firma einen Park anlegen, den heutigen Koch-Park. Auch die Sack'sche Villa entstand dort. Und ein kleiner Familien-Mythos, den Sack, nicht vergessen hat: "In der Familie hieß es: Wer Lügen verbreitet und über diese Brücke geht, fällt ins Wasser."

Er fand aber heraus, dass seine Eltern "wenn sie sagten, wir Kinder sollten schlafen gehen, weil sie jetzt auch ins Bett gehen, stattdessen ausgegangen sind." Und der kleine Junge kam zu der Erkenntnis: "Wenn die trotz ihrer Lüge unbeschadet über die Brücke gehen, dann kann ich das auch." Das sei für ihn "der erste Schritt des Erwachsenwerdens" gewesen. Die Grünauer Brücke kann also auch ein Pubertätsbeschleuniger sein.

MDR (cke)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 26. September 2024 | 16:30 Uhr

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