Bundestagswahl 2025 Größter Wahlkreis Deutschlands – ohne Volksvertreter?
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28. Dezember 2024, 17:00 Uhr
Nach der Wahlrechtsreform ist der Wahlkreis 66 (Altmark und Jerichower Land) der flächenmäßig größte Bundestagswahlkreis in Deutschland – zweieinhalb Mal so groß wie das Saarland. Mit dem Wegfall von Überhangmandaten im kommenden Bundestag könnte der Wahlkreis sogar ohne einen Direktkandidaten bleiben. Theoretisch. Vielleicht wird es auch ein AfD-Mann. Bislang ist die Region durch Herbert Wollmann (SPD) und Marcus Faber (FDP) vertreten.
- Der Wahlkreis 66 (Altmark – Jerichower Land) ist der flächenmäßig größte Wahlkreis in Deutschland.
- Der Sieger oder die Siegerin im Wahlkreis zieht nicht automatisch in den Bundestag ein.
- Sechs Menschen bewerben sich um das Direktmandat.
Herbert Wollmann hat zusammen mit einigen Wahlhelfern kleine Tüten gepackt und klingelt in Stendal-Stadtsee an den Haustüren. Der 73-jährige Arzt aus Stendal ist schon vor Weihnachten im Wahlkampfmodus. Haustürwahlkampf ist sein Rezept. Vor drei Jahren hatte Wollmann in der Altmark für die SPD das Direktmandat für den Bundestag geholt. Wie damals ist für ihn auch dieses Mal das Direktmandat die einzige Chance, da er auf der Landesliste seiner Partei nur Platz fünf abbekommen hat. "Das wird nicht reichen", sagt Wollmann.
Größter Wahlkreis in Deutschland: Altmark – Jerichower Land
Das "Klinkenputzen" ist im Wahlkreis 66, in dem Herbert Wollmann kandidiert, eine ganz besondere Herausforderung – es ist mit einer Fläche von rund 6.300 Quadratkilometern der größte aller 299 Wahlkreise bundesweit (zweieinhalb Mal so groß wie das Saarland mit 2.570 Quartkilometern). Mit der Wahlrechtsreform war 2023 zu den Landkreisen Stendal und Altmarkkreis Salzwedel auch noch das Jerichower Land hinzugekommen.
Im Vergleich zu anderen Wahlkreisen ist das schon ein Nachteil.
"Im Vergleich zu anderen Wahlkreisen ist das schon ein Nachteil", sagt Wollmann. Ein Direktkandidat in Berlin-Kreuzberg oder Berlin-Mitte brauche mit seinem Hund nur mal Gassi gehen und habe damit schon seinen Wahlkreis abgelaufen, sagt er. Im Wahlkreis 66 müsse man mit dem Auto mehr als zwei Stunden hindurch fahren. Allerdings ist nicht die Größe des Wahlkreises ein Faktor beim Zuschnitt, sondern die Zahl der Wahlberechtigten. Diese soll annährend in den Wahlkreisen ähnlich hoch sein. Im Wahlkreis 66 sind es laut Statistischem Landesamt rund 223.000.
Wahlkreis | Wahlberechtigte | |
---|---|---|
Wahlkreis 66: Altmark – Jerichower Land | 223.612 | |
Wahlkreis 67: Börde | 213.479 | |
Wahlkreis 68: Harz | 198.408 | |
Wahlkreis 69: Magdeburg | 225.447 | |
Wahlkreis 70: Anhalt – Dessau – Wittenberg | 223.361 | |
Wahlkreis 71: Halle | 215.436 | |
Wahlkreis 72: Burgenland – Saalekreis | 201.049 | |
Wahlkreis 73: Mansfeld | 208.475 | |
Insgesamt | 1.709.267 |
Sieger im Wahlkreis nicht automatisch im Bundestag
Die Anpassung des Wahlkreises 66 erfolgte im Zuge der Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags. Mit der Reform werden die sogenannten Ausgleichsmandate abgeschafft. Das heißt, dass künftig nicht mehr sichergestellt ist, dass ein Sieger in einem Wahlkreis auch tatsächlich in den Bundestag einzieht.
Ausgleichs-Mandate Ausgleichsmandate bei der Bundestagswahl waren dadurch entstanden, dass Parteien mehr Direktmandate gewonnen hatten, als ihnen eigentlich nach dem Gesamtergebnis ihres Wahlergebnisses zugestanden hätten. Um die Verhältnismäßigkeit von Parteiergebnis und Mandaten sicherzustellen, wurden Ausgleichsmandate verteilt. Derzeit gehören 733 Abgeordnete dem Bundestag an. Nach der Bundestagswahl am 23. Februar soll der Bundestag auf 630 Abgeordnete verkleinert werden.
Für den Wahlkreis 66 als dem größtem in Deutschland könnte das heißen, dass dieser am Ende ohne einen direkt gewählten Volksvertreter bleibt. Nach den derzeitigen Wahlprognosen könnte dies der Fall sein, wenn die AfD oder die CDU bundesweit mit ihren Direktkandidaten erfolgreicher sind als ihre Partei.
Sechs Bewerber um das Direktmandat
Chancen auf das Direktmandat haben der 41-jährige Klötzer Thomas Korell von der AfD sowie Geschäftsmann Gerry Weber (55) von der CDU aus Burg. Thomas Korell ist gelernter Dachdecker und ist derzeit Mitglied des Landtags in Sachsen-Anhalt. Er möchte vor allem durch "Gespräche mit den Menschen in der Region, auch in den kleinsten Dörfern" für sich und seine Partei werben. CDU-Mann Weber kandidierte bereits vor drei Jahren in der Börde für den Bundestag – allerdings erfolglos. Er setzte sich parteiintern in zwei Versammlungen gegen den Stendaler Mitbewerber und Vize-Landrat Sebastian Stoll durch. Bei der Wiederholungssitzung im November waren mehr als 700 CDU-Mitglieder anwesend.
Insgesamt treten im Wahlkreis 66 sechs Direktkandidaten an. Bis zum Stichtag 20. Januar können noch weitere Einzelkandidaten hinzukommen. Für die Grünen tritt die 34-jährige Stendaler Lehrerin Miriam Zeller an, für die Linken ist es die 50-jährige gelernte Sozialpädagogin Nadja Lüttich aus Arendsee sowie der 40-jährige Stendaler Marcus Faber, der bereits seit 2017 für die FDP im Bundestag sitzt und sich dort als Verteidigungsexperte etabliert hat. Er leitet seit Mitte des Jahres den Verteidigungsausschuss im Bundestag.
Wahlkampf in sozialen Medien und an den Haustüren
Faber setzt im Riesenwahlkreis auf soziale Medien und will aber auch vor Ort Wahlkampf machen. "Man muss die Leute dort abholen, wo sie sind", ist sein Motto. Der FDP-Mann hat gegenüber allen anderen Mitbewerbern den Riesenvorteil, dass er als Spitzenkandidat seiner Partei für Sachsen-Anhalt antritt und das Bundestagsmandat sicher hat, sofern seine Partei überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde schafft.
Alle übrigen fünf Direktkandidaten haben nur über die Direktwahl eine Chance, in den Bundestag zu kommen. Ihre Platzierungen auf der Landesliste ihrer Parteien dürfte nach aller Wahlarithmetik nicht ausreichen: Weber (8), Korell (4), Wollmann (5), Zeller (3) und Lüttich (3).
Politikpsychologe: Partei entscheidet über Wahlerfolg, nicht Kandidat
Im Übrigen sagt der Stendal Politikpsychologe Professor Thomas Kliche, dass aus seiner Sicht der große Wahlkreis 66 und damit die Schwierigkeit einer Präsens vor Ort gar nicht so relevant ist. "Der entscheidende Faktor für den Erfolg eines Kandidaten ist nach wie vor seine Partei", sagt Kliche. "Wenn die Partei jahrelang Mist gemacht hat, dann wird ein persönlich überzeugender Auftritt das nicht rausreißen. Dies versuchen ja einige Parteien im Moment, das ist aber von begrenztem Erfolg."
MDR (Bernd-Volker Brahms)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. Dezember 2024 | 19:00 Uhr
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