Schwarz-Weiß-Porträt des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild
Wolf-Dieter Hauschild Bildrechte: MDR/Barbara Stroff

Dirigent Wolf-Dieter Hauschild

Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig und Rundfunkchors Leipzig von 1978 bis 1985

Wolf-Dieter Hauschild zählte in den 1970er- und 1980er-Jahren zu den bedeutendsten Dirigenten der DDR, bis er sich im Frühjahr 1985 überraschend in den Westen absetzte. International bekannt wurde er kurz zuvor, als er noch am 13. Februar 1985 Carl Maria von Webers "Freischütz" zur Wiedereröffnung der Dresdner Semperoper dirigierte. Durch die TV-Übertragung in zahlreiche Länder erreichte er ein internationales Publikum.

Schwarz-Weiß-Porträt des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild.
Wolf-Dieter Hauschild. Bildrechte: MDR/Barbara Stroff

Er dirigierte viele Uraufführungen, die auf zahlreichen Aufnahmen dokumentiert sind. Dies stärkte den Ruf des Rundfunk-Sinfonieorchesters als eines der international aktivsten Uraufführungsorchester.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Schon zu Herbert Kegels Zeit gehörte Wolf-Dieter Hauschild als stellvertretender Chefdirigent des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters und Chef des Berliner Rundfunkchores in den engen Kreis der Gastdirigenten, die für eine etwaige Nachfolge Herbert Kegels in Frage kamen.

Als er am 26. November 1977 für den erkrankten italienischen Komponisten Luciano Berio, der in Leipzig seine eigenen Werke dirigieren sollte, kurzfristig einsprang, überzeugte er derart, dass er vor seinen potenziellen Mitkandidaten Rolf Reuter (Generalmusikdirektor der Leipziger Oper) und Thomas Sanderling (Musikdirektor in Halle) den Zuschlag erhielt. Am 8. Dezember 1987 wurde er schließlich zum zukünftigen Chefdirigenten des Rundfunk-Sinfonieorchesters ernannt.

"Chorpower" aus Leipzig und Berlin

Besonders wenn es um aufwändige Produktionen mit großem Choraufgebot ging, waren Hauschilds gute Verbindungen zu seinen früheren Berliner Klangkörpern hilfreich. Sowohl der Leipziger als auch der Berliner Rundfunkchor waren Ensembles des DDR-Rundfunks. Das erleichterte die Planung und Organisation, wenn es darum ging, beide Spitzenchöre zusammenzulegen. Das bedeutete, dass gut 150 Profi-Sängerinnen und -Sänger in einem Chor vereint waren. Durch ihre frühere intensive Probenarbeit mit Hauschild kannten sie natürlich alle seine Vorstellungen und konnten sie perfekt umsetzen. Das Ergebnis waren Aufnahmen mit einem Klangbild von großer Geschlossenheit und enormer Stimmkraft. Diese konnten sich etwa bei Wagner-Opern wie Lohengrin oder Parsifal, bei Beethovens Neunter oder Verdis Requiem voll entfalten.

Unkonventionelle Programme

Schwarz-Weiß-Foto des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild mit dem Komponisten Ernst Krenek und dem Tonmeister Schönberg.
Wolf-Dieter Hauschild (zweiter von rechts) im Gespräch mit dem Komponisten Ernst Krenek und dem Tonmeister Schönberg. Bildrechte: Evelyn Richter

Wolf-Dieter Hauschild liebte musikalische Herausforderungen. Mit seinen Programmen forderte er Orchester wie Publikum gleichermaßen. Bei der ersten Reise des Rundfunk-Sinfonierochesters in die damalige UdSSR mit Konzerten in Moskau, St. Petersburg, Tallin, Tartu, Riga, Villnius und Kaunas erhielt er glänzende Kritiken.

Schwarz-Weiß-Foto des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild mit der Komponistin Ruth Zechlin.
Bei einer Probe mit der Komponistin Ruth Zechlin zur Erstaufführung von "Musik zu Bach" am 19. März 1985 unter Leitung von Wolf-Dieter Hauschild (rechts vorn). Bildrechte: MDR/Barbara Stroff

Er schätzte Werke der Klassik sehr und stellte sie gern zeitgenössische Kompositionen gegenüber. Er bot nicht nur jüngsten Werken ein Podium, sondern auch den Komponisten selbst, die in einer speziellen Konzertreihe ihre eigenen Kompositionen dirigieren sollten. So kam es zu zahlreichen Ur- und Erstaufführungen. Leipzig hatte zu diesen Anlässen einige der weltweit gefragtesten und bekanntesten Komponisten zu Gast, darunter Cristobal Halffter (1978), Ernst Krenek (1980) und Witold Lutoslawski (1982).

Eine große Tradition hatte auch der Saisonabschluss, bei dem meist in Verbindung von Beethovens Neunter Sinfonie mit einem zeitgenössischen Werk beeindruckende Chorsinfonik zelebriert wurde.

Schwarz-Weiß-Foto des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild am Cembalo mit dem Rundfunk Kammerorchester Leipzig.
Wolf-Dieter Hauschild bei einer Probe zum 4. Rathauskonzert in der Saison 1978/79 mit dem Rundfunk-Kammerorchester Leipzig am 12. Februar 1979. Hauschild spielte selbst Cembalo. Bildrechte: Evelyn Richter

Aber Wolf-Dieter Hauschild zeigte sich nicht nur souverän im Umgang mit den großen musikalischen Gattungen wie Oper und Sinfonie, sondern auch in der Interpretation kleinerer Formen, die er etwa mit dem Kammermusikorchester pflegte und aufnahm. Selbst versierter Cembalist, dirigierte er Barock-Kompositionen gern vom zentral platzierten Cembalo aus.

Wolf-Dieter Hauschild, Burkhard Glaetzner an der Oboe sowie das Rundfunk Kammerorchester im Kursaal in Bad Lauchstädt im Jahr 1983

Raus in die Welt

Wolf-Dieter Hauschild war ehrgeizig. Gemeinsam kämpfte er mit den Vorständen von Rundfunk-Sinfonieorchester und Rundfunkchor Leipzig für mehr Auslandsreisen. Was sich für den Rundfunkchor Anfang der 1970er-Jahre als schwierig erwies, erfuhr dann gegen Ende des Jahrzehnts zunehmend mehr Spielraum. Der Grund dafür waren Hauschilds Beziehungen, Erfolge und die Förderung durch die staatliche Leitung.

Schwarz-Weiß-Foto des Dirigenten Wolf-Dieter Hauschild.
Wolf-Dieter Hauschild vor der Probe des Open-Air-Konzertes in Paris im September 1979. Bildrechte: Archiv MDR-Sinfonieorchester
Schwarz-Weiß-Foto der Fete l'humanité Freilichtbühne 1979 in Paris.
"Fête de l'Humanité"-Freilichtbühne 1979 in Paris. Bildrechte: Archiv MDR-Sinfonieorchester

Im September 1979 reisten schließlich beide Klangkörper nach Paris. Vier Tage, zwei Konzerte und Zeit für etwas Sightseeing, gepaart mit viel Begeisterung für die Weltmetropole. Auf dem Programm standen Strawinskys Bläsermesse und die As-Dur-Messe von Schubert, die in Frankreichs größter Renaissance-Kirche St. Eustache erklangen. Zudem waren Orchester und Chor bei "La Fête de l'Humanité" beteiligt, einem Open-Air-Konzert, auf dem sie mit einem bunt gemixten Programm mit Werken von Beethoven, Dessau, Haydn, Schönberg, Wagner und Weber ihr französisches Publikum begeisterten.

Schwarz-Weiß-Foto Zeitungsartikel Paris 1979.
Presseclipping Paris 1979. Bildrechte: Archiv MDR-Sinfonieorchester

Flucht in den Westen

Im Sommer 1984 wurde man auch in Baden-Württemberg auf Wolf-Dieter Hauschild aufmerksam und wollte ihn als ständigen Gastdirigenten für die Stuttgarter Philharmoniker gewinnen. Als die DDR-Behörden dem zunächst zustimmten, sagte Hauschild in Stuttgart zu. Doch musste er den Eindruck gewinnen, dass die Behörden das Verfahren bewusst in die Länge zogen, auch nachdem Stuttgart garantierte, dass er seinen Aufgaben beim Rundfunk Sinfonieorchester Leipzig uneingeschränkt nachkommen könne.

Schwarz-Weiß-Foto des Konzertes von RSO und RFC unter der Leitung von Wolf-Dieter Hauschild.
Konzert von RSO und RFC unter der Leitung von Wolf-Dieter Hauschild. Bildrechte: MDR KLASSIK

Wolf-Dieter Hauschild fühlte sich im Stich gelassen, war Anfang 1985 durch viele Auftritte getrieben. Er dirigierte Gustav Mahlers Kantate "Das klagende Lied" und Siegfried Matthus‘ Oratorium "Laudate pacem" in Dresden. Anlässlich der Wiedereröffnung der Semperoper gab er neben der Oper "Freischütz" auch die Ballett-Uraufführung "Brennender Friede" nach Udo Zimmermanns "Pax questuosa" mit dem Rundfunkchor Leipzig, der Staatskapelle Dresden und dem Ballett-Ensemble der Semperoper. Zudem war er im Februar bei den Händel-Festspielen in Halle eingebunden.

Als Wolf-Dieter Hauschild wenig später in Stuttgart gastierte, blieb er einfach im Westen. Das wurde ihm in Leipzig von vielen Orchestermitgliedern als "Orchester-Verrat" und als Kooperation mit dem damaligen "Klassenfeind" ausgelegt. Er musste sich zahlreicher Anfeindungen und Repressalien erwehren. So durfte ihm seine Familie erst zwei Jahre später in den Westen folgen.

Steckbrief

  • 1937 geboren am 9. Februar in Greiz (Thüringen) als Sohn eines Theaterdramaturgen, Klavierunterricht mit 5 Jahren, Schauspielkompositionen bereits mit 15 Jahren für das Theater Greiz
  • 1954–1959 Studium an der Musikhochschule in Weimar: Dirigieren bei Hermann Abendroth und Gerhard Pflüger, Komposition bei Ottmar Gerster sowie Klavier
  • 1959–1963 Engagement als Solorepetitor, später Kapellmeister am Weimarer Nationaltheater
  • 1963–1970 Musikalischer Oberleiter am Kleist-Theater und Ständiger Dirigent bei den Frankfurter/O. Philharmonikern
  • 1971–1978 Chef des Berliner Rundfunkchores sowie Stellvertreter von Chefdirigent Heinz Rögner beim Berliner Rundfunk Sinfonieorchester
  • 1978 Chefdirigent der Leipziger Rundfunkensembles 
  • 1981 Professor in Leipzig und Berlin für Orchesterleitung; Gastspiele bei der Staatsoper Unter den Linden und der Komischen Oper in Berlin sowie im Ausland, darunter Stuttgart
  • 1985 Übersiedlung in die ehemalige BRD, Generalmusikdirektor (GMD) und Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker, internationale Tournee-Tätigkeit
  • 1991 Dirigent der Essener Philharmoniker, 1992-1997 dort GMD und Intendant des Aalto-Theaters
  • 2001 Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Halle, ab 2002 bis 2004 zudem GMD des Volkstheaters Rostock und Leiter der Norddeutschen Philharmonie Rostock
  • 2023 gestorben am 18. Mai in Leipzig

Mehr zu Wolf-Dieter Hauschild

Wolf-Dieter Hauschild bei Proben zu einer Fernseh-Übertragung des Rundfunk-Sinfonieorchesters in der Leipziger Kongresshalle am 15. und 16. Oktober 1979