Dirigent Reinhold Merten
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Chefdirigent des Orchesters des Reichssenders Leipzig von 1939 bis 1941
Reinhold Merten, Dirigent des Leipziger Sinfonieorchesters von 1939 bis 1941, war ein promovierter Mediziner, mit professionellen Fähigkeiten als Pianist und Dirigent. Als rühriger Netzwerker verstand er, sich in der damaligen Musiklandschaft wirksam zu positionieren. Dabei kam ihm seine Mitgliedschaft in der NSDAP begünstigend zu Hilfe.
Reinhold Merten war von 1939 bis zur kriegsbedingten Stilllegung des Senders im Frühjahr 1941 Chefdirigent des von den Nationalsozialisten in "Orchester des Reichssenders Leipzig" umbenannten Leipziger Sinfonieorchesters.
Er folgte auf Hans Weisbach. Nach dessen Weggang 1938 versuchten die Kapellmeister Hilmar Weber und Theodor Blumer, das entstandene Führungsvakuum zu füllen, zeitweise unterstützt von Carl Kretzschmar und Fritz Schröder. Unter den Machtverhältnissen ab 1933 war es schwierig, nicht nur einen adäquaten künstlerischen Ersatz für den renommierten Weisbach zu finden, sondern auch einen, der gleichzeitig politisch konform war.
Die Nationalsozialisten hatten den Rundfunk mit ihrer Machergreifung für ihre Zwecke instrumentalisiert. Führungspositionen wurden linientreu besetzt. Dr. Reinhold Merten, früher SPD-Mitglied (1927–1931), trat am 1. April 1933 der NSDAP bei und konnte sich nun beruflich profitieren.
Parteiverbindungen in Frankfurt
Reinhold Merten leitete seit 1924 ein kleines Funkensemble, als das Frankfurter Funkhaus im April, nur vier Wochen nach der Leipziger MIRAG, den Sendebetrieb aufnahm. Als der hessische Sender am 1. Oktober 1929 dann ein sinfonisch besetztes Rundfunkorchester gründete und dessen künstlerische Entwicklung in die Hände von Hans Rosbaud legte, erhielt Reinhold Merten die Position des 2. Kapellmeisters.
Vermutlich eröffnete eine Begegnung mit Carl Stueber im Frankfurter Sendehaus Reinhold Merten die Chance, einen weiteren Schritt auf seiner Karriereleiter zu tun. Stueber, der seit 1926 für das publizistische NSDAP-Parteiorgan "Völkischer Beobachter" arbeitete und am 1. Februar 1932 der NSDAP beitrat, begann mit seinem Amtsantritt am 1. Juli 1933 als Leipziger Rundfunk-Intendant, eine parteikonforme Personalstruktur aufzubauen.
Carl Stueber war Sendeleiter in Frankfurt gewesen und kannte die dortigen Verhältnisse bestens. Er hatte seine Rundfunklaufbahn dort als Programm-Assistent und späterer -Referent begonnen. Reinhold Merten war also ein "alter Bekannter", ehemaliger Kollege, zudem Parteimitglied der NSDAP, und er hatte zum damaligen Zeitpunkt über 15 Jahre Erfahrungen mit Rundfunkübertragungen von Instrumentalensembles und Sinfonieorchestern.
Stillstand in Leipzig
Dass Reinhold Merten in der Zeit des Nationalsozialismus allen anderen Kapellmeistern Leipzigs und auch den von auswärts kommenden vorgezogen wurde, war weniger in seiner Leistung als viel mehr im System begründet. Das Leipziger Sinfonieorchester konnte unter seiner Leitung keine nennenswerten künstlerischen Fortschritte verzeichnen. Reinhold Merten galt als selbstbewusst und hemdsärmelig, aber die künstlerischen Entwicklungen wurden in jener Zeit eher den Gastdirigenten zugeschrieben, etwa dem Franz-Schreker-Schüler Alois Melchiar. 1941 wechselte Reinhold Merten im Zuge der kriegsbedingten Auflösung des Orchesters als erster Kapellmeister zum Reichssender München, wo er 1943 nach schwerer Krankheit mit nur 49 Jahren verstarb.
"Dr. med." – der Quereinsteiger
Reinhold Merten stammte aus einer Musikerfamilie, besuchte das Musikkonservatorium in Wiesbaden, schlug aber dann den Weg eines Mediziners ein und betrieb nebenbei musikalische wie musikwissenschaftliche Studien. Sein Medizin-Studium in Marburg und Frankfurt schloss er 1933 mit einer Dissertation über "Die säurefesten, tuberkelbazillenartigen Bazillen in Blechblasinstrumenten" ab und promovierte zum Dr. med., arbeitete jedoch nie als Arzt.
Schon 1920 begann er als Solorepetitor an der Frankfurter Oper, gründete mit Paul Hindemith 1922 die Frankfurter "Gemeinschaft für Musik", der es um das Verhältnis zwischen Musikern und Publikum ging, und zwar im Zusammenwirken mit Ausstellungen, wie etwa denen von Max Beckmann oder Paul Klee. 1924 übernahm er die Funktion des Kapellmeister eines kleinen, aber festen Ensembles beim Frankfurter Funkhaus.
Reinhold Merten: Musik-Funktionär und Pöstchen-Sammler
Reinhold Merten aber war nicht nur musikalisch tätig, sondern dehnte seinen Wirkungsbereich als Musikfunktionär im Rundfunk systematisch aus. Seit 1933 war er NSDAP-Mitglied und wurde bereits ein Jahr später mit dem Aufbau der Tonmeisterschule in Berlin betraut. 1938 wurde er Leiter der Abteilung akustisch-musikalische Grenzgebiete der Zentralleitung Technik innerhalb der Reichs-Rundfunkgesellschaft Dresden. Ein Jahr später wurde er Chef des Leipziger Sinfonieorchesters. Zudem hatte er einen Lehrauftrag für angewandte Musikwissenschaft in Freiburg i. B. und war Mitglied des Fachbeirats des Internationalen Rats für Sing- und Sprechkultur.
Steckbrief
- 1894 geboren am 6. Juni in Wiesbaden in einer Musikerfamilie, musikalische Ausbildung am Konservatorium in Wiesbaden, zudem musikalische wie musikwissenschaftliche Studien; parallel Medizin-Studium an der Universität Marburg und der Universität Frankfurt a. M., Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg
- 1920 Solorepetitor an der Oper Frankfurt
- 1922 Gründung der Frankfurter "Gemeinschaft für Musik" zusammen mit Paul Hindemith
- 1924 im April Start der Südwestdeutschen Rundfunk AG in Frankfurt (Radio Frankfurt), erstes Musikerensemble unter Leitung von Reinhold Merten im Studio des Senders (ehemaliges Postscheckamt)
- 1926 Organist und Pianist in Frankfurt
- 1927 SPD-Beitritt, Mitgliedschaft bis 1931
- 1929 am 1. Oktober Gründung des Frankfurter Rundfunk Sinfonieorchesters mit Hans Rosbaud als Erstem und Merten als Zweitem Kapellmeister
- 1933 NSDAP-Beitritt am 1. April sowie Promotion an der Universität in Frankfurt zum Dr. med.
- 1934 Aufbau der Tonmeister-Schule in Berlin
- 1938 Leiter der Abteilung akustisch-musikalische Grenzgebiete der Zentralleitung Technik innerhalb Reichs-Rundfunk-Gesellschaft in Dresden
- 1939 Chefdirigent des Orchesters des Reichssenders Leipzig bis zu seiner Schließung 1941
- 1941 Erster Kapellmeister beim Reichssender München
- 1943 gestorben am 19. August nach schwerer Krankheit in München