Dirigent Hans Weisbach
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Chefdirigent des Leipziger Sinfonieorchesters / Orchester des Reichssenders Leipzig von 1933 bis 1939
Hans Weisbach zählte zu bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit – "nach Furtwängler", so der oft gehörte Nachsatz. Denn ähnlich wie viele andere erstklassige Dirigenten jener Tage, etwa Hermann Abendroth, Karl Böhm, Hans Knappertsbusch, Joseph Keilberth oder Carl Muck, schaffte es Weisbach trotz einer beeindruckenden Karriere nicht ganz in die erste Reihe.
Hans Weisbach folgte dem aus dem Amt gedrängten Alfred Szendrei und konnte auf dessen wie auf Carl Schurichts umfängliche künstlerische Entwicklungen aufbauen. Hans Weisbach erwarb sich um das Leipziger Kulturleben große Verdienste und brachte das Leipziger Sinfonieorchester wie auch den Rundfunkchor künstlerisch maßgeblich voran.
Der Bruckner-Spezialist Hans Weisbach
Leipzig bot Hans Weisbach viele Möglichkeiten für interessante Großprojekte. So dirigierte er gleich nach Amtsantritt 1933 die Erstaufführung der "Nullten" Sinfonie von Bruckner im Gewandhaus – eine Sensation, die weltweit Beachtung fand.
Das kam so: Kurz vor der Generalprobe wurde Bruno Walter, Chef des Gewandhausorchesters (1929–1933), im Zuge der Judendiskriminierungen fristlos entlassen. Hans Weisbach übernahm von Bruno Walter, der zu den bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit zählte, die Generalprobe und die Aufführung im Gewandhaus.
Später dirigierte er eine Konzertreihe mit Bruckner-Sinfonie, die, allerdings gespielt vom Großen Sinfonieorchester des Reichssenders Berlin und gefördert durch den Reichs-Rundfunkintendanten Heinrich Glasmeier, von allen Reichssendern übertragen wurden. So entwickelte er sich zu einem der meistbeachteten Bruckner-Interpreten seiner Zeit.
Unter den Nationalsozialisten kam es zu einer intensiven Pflege der Werke Bruckners. Für Hans Weisbach wurden Bruckner-Interpretationen zu einem Markenzeichen.
Exquisite Musikausbildung
Hans Weisbach wuchs zusammen mit seinen drei Brüder und zwei Schwestern in einem begüterten Haushalt auf. Die geräumige Stadtwohnung befand sich gleich neben dem Exerzierplatz, denn der Vater war im gehobenen militärischen Dienst tätig. In der Freizeit musizierten die Geschwister oft als Streicher- oder Gesangsensemble. In Berlin und München genoss er eine umfassende musikalische Ausbildung. Er war Kapellmeister-Volontär des Bruckner-Schülers Felix Mottl und lernte bei den Ersten ihres Faches, etwa Joseph Joachim (Geige) und Hans Joachim Moser (Musikgeschichte), Ernst Rudorff und Georg von Petersen (Klavier) sowie Robert Hausmann (Dirigieren).
Hans Weisbach war in Frankfurt Assistent von Carl Schuricht gewesen. Er kam nach leitenden Positionen in Worms, Hagen und Barmen, zunächst 1926 als Generalmusikdirektor nach Düsseldorf. 1933 wechselte er nach Leipzig, vermutlich auf Empfehlung seines Freundes und Lehrers Carl Schuricht.
Hans Weisbach als Komponist
Hans Weisbach musizierte gern zusammen mit seinen fünf Geschwistern. So waren seine ersten Kompositionen vor allem für den "Hausgebrauch" entstanden: Kammermusik und Lieder. Erst 1932 mit 47 Jahren wagte er sich an größere musikalische Formen heran.
Seine sinfonische Dichtung "Schicksal" entstand während des Polen-Feldzuges, alle weiteren Kompositionen, wie das Orchesterwerk "Sieger" oder "Traumlied", das F-Dur Klavierkonzert für Margot Pinter, seine Rhapsodie, das vokalsinfonische "Feuerlied" und die Sinfonische Dichtung "Scherz" entstanden in den ersten fünf Jahren der 1940er-Jahre.
Mit dem Untergang von Hitler-Deutschland komponierte Weisbach nichts mehr. Sein klangprächtiger, spätromantischer Stil rutschte in die Bedeutungslosigkeit ab.
Wien und spätes Familienglück
1938 kam Hans Weisbach als erster ständiger Dirigent zu den Wiener Symphonikern. Nur vereinzelt arbeitete er noch mit dem Leipziger Sinfonieorchester zusammen. 1939 wurde er Musikalischer Leiter des Reichssenders Wien.
Der offizielle Grund für den Wechsel war, dass ihm die neue Leistungskategorisierung der Nationalsozialisten für das Leipziger Sinfonieorchester in Klasse II nicht genügte und er nur noch mit Orchestern der Kategorie I arbeiten wollte.
Der inoffizielle Grund war die Bekanntschaft mit der jungen amerikanischen Konzertpianistin Margot Pinter (*1918), die er schließlich 1950 als zweite Frau heiratete. Die Verbindung mit seiner ersten Frau Frederike Heinemann war glücklos. Sie war kurioserweise Carl Schurichts Ex-Frau, der Sohn aus der Ehe, Heinrich (*1916), nannte sich übrigens nicht Weisbach, sondern später Schuricht.
Wiederaufbau und neue Ehrungen
Nach Kriegsende durchlief Hans Weisbach ein Entnazifizierungsverfahren – seit 1937 war er Mitglied der NSDAP gewesen – und tauchte erst 1947 als Generalmusikdirektor von Wuppertal wieder auf. Hier war er aus früheren Tagen, als er 1924 noch Leiter der Barmer Konzertgesellschaft war, gern gesehen.
Bis zu seiner Pensionierung 1955 war er noch in ganz Europa musikalisch aktiv und erhielt zahlreiche hohe Auszeichnungen, darunter auch das Bundesverdienstkreuz.
Nachdem er 1960 Schuberts "Unvollendete" in Wuppertal mit großem Erfolg dirigiert hatte, sollte im Folgejahr Beethovens "Neunte" den Anschluss machen. Während einer Orchesterprobe dazu verstarb er überraschend mit 73 Jahren.
Klangbeispiel
Giuseppe Verdi (1813–1901):
Messa da Requiem, daraus: Dies irae, (Tonträger DRA Frankfurt)
"Großes Leipziger Sinfonieorchester", Chor des Reichssenders Leipzig, Chor des Riedelvereins
Hans Weisbach, Dirigent
Margarete Teschemacher, Sopran; Margarete Klose, Alt; Endre Rösler, Tenor; Josef von Manowarda, Bass
Leipzig, Gewandhaus, 06. März 1939
Steckbrief
- 1885 geboren am 19. Juli im niederschlesischen Glogau
- 1892 erster Geigen- und Klavierunterricht
- 1904 Studium an der Akademischen Hochschule für Musik in Berlin – Geige bei Josef Joachim und Andreas Moser, Klavier bei Ernst Rudorff und Georg Petersen sowie Dirigieren bei Robert Hausmann, zudem die Fächer Musikwissenschaft und Philosophie
- 1908 Kapellmeister-Volontariat am Hoftheater, der heutigen Bayerischen Staatsoper, sowie Vorlesungen an der Ludwig-Maximilian-Universität
- 1912 als Pianist und Kammermusiker für die Frankfurter Museumsgesellschaft tätig, Veranstalter eigener Konzerte und zweiter Dirigent des Rühlschen Oratorienvereins
- 1913 Leitung der Konzertgesellschaft in Worms und Wiesbaden
- 1919 Musikdirektor des Philharmonischen Orchesters in Hagen/Westfalen, hier auch wieder Aufbauarbeit nach dem Ersten Weltkrieg, insbesondere mitverantwortlich für Fertigstellung der stark beschädigten Hagener Stadthalle
- 1923 Erstes Hagener Musikfest unter seiner Leitung
- 1924 Leitung der Konzertgesellschaft Barmen (Wuppertal)
- 1926 Generalmusikdirektor der Stadt Düsseldorf, hier einige Ur- und Erstaufführungen mit den Düsseldorfer Symphonikern u. a. von Wolfgang Fortner, Arthur Honegger, Lothar Windsperger und Karol Szymanowski, zudem Leiter des dortigen Robert-Schumann-Konservatoriums
- 1933 Chefdirigent des Leipziger Sinfonieorchesters bzw. ab April 1934 des Sinfonieorchesters des Reichssenders Leipzig bis 1939, ab 1937 Mitglied der NSDAP
- 1938 Wechsel nach Wien und musikalische Leitung der Wiener Symphoniker sowie ab 1939 des Reichssenders Wien bis zu seiner Stilllegung im August 1944, zahlreiche sog. "Kraft-durch-Freude"-Konzerte, Auftritte im Reichsrundfunk und große Wiener Konzertreihen
- 1947 Städtischer Musikdirektor in Wuppertal nach dem Durchlaufen eines Entnazifizierungsprogramms sowie internationale Gastspiele u. a. in London
- 1955 Verleihung des Heydt-Kulturpreises und des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk und den Wiederaufbau des Musiklebens in Wuppertal und Hagen
- 1961 gestorben am 23. April während einer Probe in Wuppertal